Betriebliche Lohngestaltung – und die Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung

Nach der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung führt die Verletzung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer jedenfalls zur Unwirksamkeit von Maßnahmen oder Rechtsgeschäften, die den Arbeitnehmer belasten. Das soll verhindern, dass der Arbeitgeber dem Einigungszwang mit dem Betriebsrat durch Rückgriff auf arbeitsvertragliche Gestaltungsmöglichkeiten ausweicht.

Betriebliche Lohngestaltung – und die Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung

Dem Arbeitgeber darf aus einer betriebsverfassungsrechtlichen Pflichtwidrigkeit auch im Rahmen des Arbeitsverhältnisses kein Vorteil erwachsen. Maßnahmen zum Nachteil der Arbeitnehmer sind dabei nur solche, die bereits bestehende Rechtspositionen der Arbeitnehmer schmälern.

Die Verletzung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats führt allerdings nicht dazu, dass sich individualrechtliche Ansprüche der betroffenen Arbeitnehmer ergäben, die zuvor noch nicht bestanden haben1.

Nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hat der Betriebsrat in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere bei der Aufstellung und Änderung von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung, mitzubestimmen. Das Mitbestimmungsrecht ist im Betrieb eines tarifgebundenen Arbeitgebers allerdings durch den Tarifvorbehalt des § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG ausgeschlossen, wenn die Tarifvertragsparteien die mitbestimmungspflichtige Angelegenheit zwingend und abschließend inhaltlich geregelt haben2.

Die Tarifvertragsparteien haben mit § 5.4 ERA-ETV eine abschließende Regelung über die Reihenfolge der Anrechnung individueller Entgelterhöhungen auf die nach § 5.3 Unterabs. 1 ERA-ETV zu gewährenden Besitzstandszulagen getroffen. Danach ist, wie bereits ausgeführt, zunächst eine Anrechnung auf die Überschreiterzulage vorzunehmen. Ein Wahlrecht des Arbeitgebers sieht der Tarifvertrag nicht vor. Auch enthält § 5.4 ERA-ETV im Gegensatz zu anderen Bestimmungen des Tarifvertrags keine Öffnungsklausel, die eine abweichende betriebliche Regelung zuließe. Die Beklagte hat mit der Anrechnung lediglich die Bestimmungen des Tarifvertrags vollzogen.

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Die Beauftragung eines einer Anwaltssozietät angehörenden Rechtsanwalts

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22. Oktober 2014 – 5 AZR 750/12

  1. BAG 22.06.2010 – 1 AZR 853/08, Rn. 42, BAGE 135, 13[]
  2. BAG 18.10.2011 – 1 ABR 25/10, Rn. 18, BAGE 139, 332[]