Die Betriebsparteien haben bei Betriebsvereinbarungen § 75 Abs. 1 BetrVG zu beachten. Der dort geregelte und auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zurückzuführende betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen.
Sind in einer Betriebsvereinbarung für verschiedene Arbeitnehmergruppen unterschiedliche Leistungen vorgesehen, verlangt der Gleichheitssatz, dass diese Differenzierung sachlich gerechtfertigt ist. Maßgeblich hierfür ist vor allem der mit der Regelung verfolgte Zweck. Dieser ergibt sich vorrangig aus den tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen, von deren Vorliegen und Erfüllung die Leistung abhängig gemacht wird.
Dabei ist bei einer personenbezogenen Ungleichbehandlung der Gleichheitssatz bereits dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass diese die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten1.
Bezweckt die in der Betriebsvereinbarung einer Spedition geregelte „freiwillige Sonderzahlung“ eine zusätzliche Leistungshonorierung, so besteht angesichts dieser mit den freiwilligen Sonderzahlungen verfolgten Zwecke kein nach § 75 Abs. 1 BetrVG anerkennenswerter Grund, bei ihrer Ausgestaltung zwischen den Fernfahrern und allen anderen Mitarbeitern zu unterscheiden. Ein solcher kann auch nicht aus dem Umstand hergeleitet werden, dass die Fernfahrer – im Hinblick auf ihre längeren Arbeitszeiten – einen höheren Verdienst aufweisen. Dieser ist – wie bei allen anderen Arbeitnehmern auch – ein Äquivalent für eine entsprechende Arbeitsleistung. Es fehlt ein sachlicher Grund, lediglich bei ihnen einen niedrigeren Prozentsatz des Einkommens als Sonderzahlung zu gewähren.
Soweit nach der Betriebsvereinbarung mit den Sonderzahlungen auch die Betriebstreue honoriert werden soll, ist nicht ersichtlich, weshalb sich die bezweckte Betriebsbindung nicht in gleicher Weise auch auf die Fernfahrer erstrecken soll wie auf „alle anderen Mitarbeiter“.
Die gegen § 75 Abs. 1 BetrVG verstoßende Ausgestaltung der Sonderzahlung für die Fernfahrer führt dazu, dass diese die ihnen durch die gleichheitswidrige Gruppenbildung vorenthaltene – also die allen anderen Mitarbeitern zustehende – Leistung beanspruchen können. Indem der gleichheitswidrige Tatbestand nicht angewandt wird, kann die Gleichstellung mit den übrigen Arbeitnehmern erreicht werden2.
Gegenteiliges folgt auch nicht aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 26.04.20053. In dem entschiedenen Rechtsstreit war die eine Leistungsprämie betreffende Gesamtbetriebsvereinbarung insgesamt unwirksam, weil der Gesamtbetriebsrat sein Mitbestimmungsrecht in der Weise ausgeübt hatte, dass dem Arbeitgeber das alleinige Gestaltungsrecht über den mitbestimmungspflichtigen Tatbestand eröffnet war. Die Frage eines Anspruchs auf die der bevorzugten Gruppe gewährten Leistungen aus dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz stellte sich daher nicht4.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26. April 2016 – 1 AZR 435/14
- vgl. BAG 8.12 2015 – 1 AZR 595/14, Rn.20 mwN[↩]
- vgl. BAG 8.12 2015 – 1 AZR 595/14, Rn. 38 ff.; anders nur, wenn die Anwendung der gleichheitswidrigen Norm auf von ihr nicht erfasste Arbeitnehmer verlangt wird: BAG 14.05.2013 – 1 AZR 43/12, Rn. 24[↩]
- BAG 26.04.2005 – 1 AZR 76/04, BAGE 114, 286[↩]
- ausf. BAG 26.04.2005 – 1 AZR 76/04, zu II der Gründe, BAGE 114, 286[↩]