Equal-pay in der Arbeitnehmerüberlassung – und die Nachweispflichten des Arbeitgebers

Nach § 2 Abs. 1 NachwG sind dem Leiharbeitnehmer allein die Vertragsbedingungen als die in seinem Vertragsverhältnis zum Verleiher geltenden Bedingungen nachzuweisen. Eine Pflicht des Verleihers, die wesentlichen Arbeitsbedingungen des Entleiherbetriebs nachzuweisen, ist auch im AÜG nicht normiert.

Equal-pay in der Arbeitnehmerüberlassung – und die Nachweispflichten des Arbeitgebers

Der Anspruch des Leiharbeitnehmers auf gleiches Arbeitsentgelt nach § 10 Abs. 4 AÜG ist ein die vertragliche Vergütungsabrede korrigierender gesetzlicher Entgeltanspruch, der mit jeder Überlassung entsteht und jeweils für die Dauer der Überlassung besteht. Zur Ermittlung der Höhe des Anspruchs ist deshalb ein Gesamtvergleich der Entgelte im Überlassungszeitraum anzustellen1.

Darlegungs- und beweispflichtig für die Höhe des Anspruchs ist der Leiharbeitnehmer.

Seiner Darlegungslast kann der Leiharbeitnehmer zunächst dadurch genügen, dass er sich auf eine ihm nach § 13 AÜG erteilte Auskunft beruft und diese in den Prozess einführt. Denn die – ordnungsgemäße – Auskunft des Entleihers über das einem vergleichbaren Stammarbeitnehmer gewährte Arbeitsentgelt ist das gesetzlich vorgesehene Mittel, das dem Leiharbeitnehmer ermöglichen soll, die Einhaltung des Gebots der Gleichbehandlung zu überprüfen und die Höhe des Anspruchs aus § 10 Abs. 4 AÜG zu berechnen. Es obliegt dann im Rahmen einer abgestuften Darlegungslast dem Verleiher, die maßgeblichen Umstände der Auskunft in erheblicher Art und im Einzelnen zu bestreiten. Trägt er nichts vor oder lässt er sich nicht substantiiert ein, gilt der Inhalt der vom Leiharbeitnehmer vorgetragenen Auskunft als zugestanden. Gelingt es dem Verleiher, die Auskunft des Entleihers zu erschüttern, bleibt es bei dem Grundsatz, dass der Anspruchsteller die anspruchsbegründenden Tatsachen darlegen und beweisen muss2.

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Die Höhe der Vergütung vergleichbarer Stammarbeitnehmer ist in dem hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall nicht nachvollziehbar dargelegt worden:

Der Arbeitnehmer hat sich zwar bezogen auf die einzelnen Überlassungen auf von den Entleiherinnen erteilte Auskünfte berufen, diese sind jedoch unzulänglich.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist dies nicht schon deshalb anzunehmen, weil darin nicht auf vergleichbare Stammarbeitnehmer Bezug genommen wird. Die Rechtswirkungen einer Auskunft nach § 13 AÜG hängen nicht davon ab, ob der Entleiher vergleichbare Stammarbeitnehmer beschäftigt. Gibt es beim Entleiher keine vergleichbaren Stammarbeitnehmer, muss der Entleiher dem Leiharbeitnehmer auf der Grundlage einer hypothetischen Betrachtung Auskunft darüber erteilen, welche Arbeitsbedingungen für ihn gölten, wenn er für die gleiche Tätigkeit beim Entleiher eingestellt worden wäre3.

Die bei hypothetischer Betrachtung für den Arbeitnehmer geltenden Arbeitsbedingungen können den von ihm im Rechtsstreit wiedergegebenen Auskünften nicht entnommen werden. Aus ihnen ergibt sich nicht, welche Tarifverträge die jeweiligen Entleiherinnen im Überlassungszeitraum angewendet haben und wie der Arbeitnehmer danach einzugruppieren gewesen wäre. Es kann deshalb nicht nachvollzogen und überprüft werden, welches Arbeitsentgelt der Arbeitnehmer erzielt hätte, wenn er für die gleiche Tätigkeit bei den Entleiherinnen angestellt worden wäre. Die Beklagte konnte sich deshalb auf ein Bestreiten mit Nichtwissen beschränken. Der Vortrag des Arbeitnehmers war und ist nicht weiter einlassungsfähig.

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Angesichts der unzulänglichen Auskünfte hätte der Arbeitnehmer zur Darlegung des Anspruchs auf gleiches Arbeitsentgelt alle für dessen Berechnung erforderlichen Tatsachen vortragen müssen.

Stützt sich der Leiharbeitnehmer im Prozess nicht auf eine – ausreichende – Auskunft nach § 13 AÜG, muss er zur Darlegung des Anspruchs auf gleiches Arbeitsentgelt alle für dessen Berechnung erforderlichen Tatsachen vortragen, soweit diese sich nicht aus der Auskunft ergeben. Dazu gehören vorrangig die Benennung eines vergleichbaren Stammarbeitnehmers und das diesem vom Entleiher gewährte Arbeitsentgelt. Beruft sich der Leiharbeitnehmer – alternativ – auf ein allgemeines Entgeltschema, hat er dieses konkret zu benennen, seinen Inhalt vorzutragen und darzulegen, dass ein solches im Betrieb des Entleihers im Überlassungszeitraum tatsächlich Anwendung fand und wie er danach fiktiv einzugruppieren gewesen wäre4.

Auch diesen Anforderungen genügt der Sachvortrag des Arbeitnehmers nicht. Vergleichbare Stammarbeitnehmer hat er nicht konkret benannt. Er hat lediglich behauptet, bei den Entleiherinnen sei „Tariflohn“ gezahlt worden, ohne konkret vorzutragen, welche Tarifverträge und damit welches allgemeine Entgeltschema von den einzelnen Entleiherinnen im jeweiligen Überlassungszeitraum angewendet worden wäre. Es ist deshalb nicht ersichtlich, wie der Arbeitnehmer fiktiv einzugruppieren gewesen wäre.

Der Arbeitnehmer hatte nach dem Verfahrensverlauf ausreichend Gelegenheit und Veranlassung, seinen Sachvortrag zu präzisieren und zu ergänzen. Die Beklagte hat erstinstanzlich im Schriftsatz vom 13.01.2011 und in der Berufungserwiderung vom 15.10.2012 ausdrücklich beanstandet, der Sachvortrag des Arbeitnehmers sei nicht hinreichend substantiiert. Es ist schon deshalb nicht geboten, die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen, um dem Arbeitnehmer eine Ergänzung seines Sachvortrags zu ermöglichen.

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Eine Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht ist auch nicht im Hinblick auf den vom Arbeitnehmer für einzelne Überlassungszeiträume angebotenen Zeugenbeweis geboten. Den fehlenden Sachvortrag konnte er hierdurch nicht ersetzen. Die Beweisantritte des Arbeitnehmers waren – unbeschadet der sonstigen Voraussetzungen eines ordnungsgemäßen Beweisantritts – bereits deshalb unzulässig, weil die Vernehmung von Zeugen einen Ausforschungsbeweis dargestellt hätte. Wird ein Beweis angetreten, bei dem es an der Bestimmtheit der zu beweisenden Tatsache fehlt und sollen durch die beabsichtigte Beweiserhebung erst die Grundlagen für substantiierte Tatsachenbehauptungen gewonnen werden, ist dieser Beweisantritt unzulässig und unbeachtlich. Gemäß § 373 ZPO muss die beweispflichtige Partei diejenigen Tatsachen bezeichnen, zu denen der Zeuge vernommen werden soll. Entsprechen die unter Beweis gestellten Tatsachenbehauptungen nicht diesen Anforderungen, hat die Beweiserhebung aufgrund dieses unzulässigen Ausforschungsbeweisantritts zu unterbleiben5. Danach waren die Beweisantritte des Arbeitnehmers unbeachtlich, denn er hat, wie bereits ausgeführt, die Höhe des Vergleichsentgelts nicht substantiiert dargelegt.

Eine Verpflichtung der Arbeitgeberin zum Nachweis der Höhe des Stammarbeitnehmern der Entleiherinnen gezahlten Entgelts ergibt sich weder aus dem Nachweisgesetz noch aus dem AÜG. Nach § 2 Abs. 1 NachwG sind dem Leiharbeitnehmer nur die Vertragsbedingungen, darunter die Höhe des Entgelts (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 NachwG), als die in seinem Vertragsverhältnis zum Verleiher geltenden Bedingungen nachzuweisen. Eine Pflicht des Verleihers, die wesentlichen Arbeitsbedingungen des Entleiherbetriebs nachzuweisen, ist auch im AÜG nicht normiert. Das AÜG unterscheidet zwischen „Vertragsbedingungen“, die das Vertragsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Verleiher betreffen, und „Arbeitsbedingungen“, die in der Rechtssphäre zwischen Entleiher und Stammarbeitnehmern gelten. Diese Unterscheidung wird vom Gesetz in dem System der aufeinander abgestimmten Informations, Dokumentations- und Auskunftspflichten im Dreiecksverhältnis Entleiher/Verleiher/Leiharbeitnehmer konsequent umgesetzt. § 11 Abs. 1 Satz 2 AÜG bestimmt zwar ergänzende Nachweispflichten im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung, diese betreffen aber nur das Vertragsverhältnis zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer6. Die Vergleichsmöglichkeit zwischen den Leistungen des Verleihers und den nach dem Gleichbehandlungsgebot zustehenden Leistungen wird für den Leiharbeitnehmer durch den allein gegenüber dem Entleiher bestehenden und gerichtlich einklagbaren gesetzlichen Auskunftsanspruch nach § 13 AÜG gewährleistet7.

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Zudem begründet eine Verletzung von Nachweispflichten für sich genommen den Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens nicht8. Ein individueller Rechtsmissbrauch der Arbeitgeberin ist nicht ersichtlich. Dem Vortrag des Arbeitnehmers ist nicht zu entnehmen, dass die Arbeitgeberin ihn bei Abschluss des Arbeitsvertrags bewusst über die Entgelthöhe getäuscht hätte oder durch unredliches Verhalten den Vertragsschluss herbeigeführt hätte.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. März 2015 – 5 AZR 368/13

  1. BAG 23.03.2011 – 5 AZR 7/10, Rn. 35 f., BAGE 137, 249[]
  2. vgl. BAG 23.03.2011 – 5 AZR 7/10, Rn. 36, BAGE 137, 249; 13.03.2013 – 5 AZR 146/12, Rn. 22[]
  3. vgl.19.02.2014 – 5 AZR 1046/12, Rn. 31, 33[]
  4. vgl. BAG 13.03.2013 – 5 AZR 146/12, Rn. 23[]
  5. BAG 15.12 1999 – 5 AZR 566/98, zu II 2 a aa der Gründe[]
  6. BAG 23.03.2011 – 5 AZR 7/10, Rn. 16 ff., BAGE 137, 249[]
  7. vgl. BAG 24.04.2014 – 8 AZR 1081/12, Rn. 18[]
  8. vgl. BAG 17.04.2002 – 5 AZR 89/01, zu III 3 b der Gründe, BAGE 101, 75; 21.02.2012 – 9 AZR 486/10, Rn. 30[]