Gesamtversorgungsobergrenze in der Betriebsrente – und das vorzeitige Ausscheiden

Ist dem vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschiedenen Arbeitnehmer eine Gesamtversorgung zugesagt, so ist eine in der Versorgungsordnung enthaltene Gesamtversorgungsobergrenze bereits bei der Berechnung der maßgeblichen fiktiven Vollrente nach § 2 Abs. 1 BetrAVG zu berücksichtigen und nicht erst auf die zeitratierlich gekürzte Betriebsrente anzuwenden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Versorgungsordnung ausdrücklich eine abweichende Berechnung zugunsten der vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschiedenen Arbeitnehmer vorsieht.

Gesamtversorgungsobergrenze in der Betriebsrente – und das vorzeitige Ausscheiden

Die Berechnung des Ruhegelds des vorzeitig – vor dem Eintritt des Versorgungsfalls – aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschiedenen, die Altersrente nach § 6 BetrAVG vorgezogen in Anspruch nehmenden Arbeitnehmers richtet sich nach den Bestimmungen des § 2 Abs. 1 BetrAVG ggfs. in Verbindung mit der jeweiligen Betriebsvereinbarung.

Im hier entschiedenen Fall ist der Arbeitnehmer vorzeitig, dh. vor Erreichen der festen Altersgrenze von 65 Jahren nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a RL 02/89 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden und hat das Ruhegeld vorgezogen nach § 6 BetrAVG in Anspruch genommen. Die RL 02/89 enthalten keine Regelungen für die Berechnung der vorgezogen in Anspruch genommenen Altersrente eines vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschiedenen Arbeitnehmers. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 RL 02/89 setzt die Gewährung von Ruhegeld neben der Vollendung der Wartezeit voraus, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen der Vollendung des 65. Lebensjahrs, der Inanspruchnahme der vorgezogenen oder flexiblen Altersrente oder einer durch den Rentenversicherungsträger anerkannten Erwerbsunfähigkeit erfolgt. Die Bestimmungen zeigen, dass die RL 02/89 nur die Ansprüche der Arbeitnehmer regeln wollen, deren Arbeitsverhältnis bis zum Eintritt des Versorgungsfalls bestanden hat. § 6 Abs. 1 RL 02/89 bestätigt dies. Die Formulierung „durch die Versetzung in den Ruhestand“ lässt erkennen, dass der Regelung ersichtlich die Vorstellung zugrunde liegt, dass der Arbeitnehmer, der Ruhegeld in Anspruch nimmt, bis zu dessen Bezug auch betriebstreu war.

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Die Erstberechnung des Ruhegelds des auf der Grundlage der BV Frühpensionierung aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschiedenen Arbeitnehmers bestimmt sich jedoch nach den Regelungen in Nr. 7 BV Frühpensionierung. Danach ist das betriebliche Ruhegeld nach § 2 Abs. 1 BetrAVG in der bis zum 31.12 2007 geltenden Fassung (im Folgenden BetrAVG aF) zu berechnen, wobei – anders als in § 2 Abs. 1 BetrAVG aF vorgesehen – die Kürzung des fiktiven Ruhegelds nicht bezogen auf die Vollendung des 65. Lebensjahrs als fester Altersgrenze (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a RL 02/89), sondern bezogen auf die Vollendung des 63. Lebensjahrs zu erfolgen hat.

Nach den Vorgaben des § 2 Abs. 1 BetrAVG aF hat ein vor Eintritt des Versorgungsfalls mit einer unverfallbaren Anwartschaft aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschiedener Arbeitnehmer bei Eintritt des Versorgungsfalls einen Anspruch mindestens in Höhe des Teiles der ohne das vorherige Ausscheiden zustehenden Leistung, der dem Verhältnis der Dauer der tatsächlichen Betriebszugehörigkeit zu der bis zum Erreichen der festen Altersgrenze möglichen entspricht. Zur Berechnung der bei Eintritt des Versorgungsfalls zu zahlenden Betriebsrente ist danach zunächst die sog. Vollrente, dh. die Leistung zu ermitteln, die dem Arbeitnehmer bei einem Verbleib im Unternehmen bis zum Erreichen der festen Altersgrenze zugestanden hätte. Demgemäß sind zunächst alle in der Versorgungsordnung vorgegebenen Berechnungsschritte zur Ermittlung der fiktiven Vollrente durchzuführen und erst im Anschluss daran ist die zeitratierliche Kürzung nach § 2 Abs. 1 BetrAVG vorzunehmen1. Ist dem Arbeitnehmer eine Gesamtversorgung zugesagt, so hat dies daher grundsätzlich zur Folge, dass eine in der Versorgungsordnung enthaltene Gesamtversorgungsobergrenze bereits bei der Berechnung der maßgeblichen fiktiven Vollversorgung zu berücksichtigen ist. Etwas anderes gilt lediglich dann, wenn die Versorgungsordnung oder eine sonstige, für die Höhe des Altersruhegelds maßgebliche Regelung eine von § 2 Abs. 1 BetrAVG abweichende Berechnung zugunsten der Versorgungsberechtigten (§ 17 Abs. 3 Satz 3 BetrAVG) vorsieht.

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Danach ist das Ausgangsruhegeld des Arbeitnehmers zutreffend berechnet worden. Nr. 7 BV Frühpensionierung sieht für die Ermittlung des dem Arbeitnehmer bei einem Verbleib im Unternehmen bis zum Erreichen der festen Altersgrenze zustehenden – fiktiven – Ruhegelds keine von § 2 Abs. 1 BetrAVG aF abweichende Regelung vor. Die Bestimmung verweist vielmehr insoweit ausdrücklich auf § 2 Abs. 1 BetrAVG aF und ordnet lediglich an, dass die Kürzung des zunächst nach den Vorgaben der RL 02/89 ermittelten fiktiven Ruhegelds – anders als in § 2 Abs. 1 BetrAVG aF vorgesehen – nicht bezogen auf die Vollendung des 65. Lebensjahrs (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a RL 02/89), sondern bezogen auf die Vollendung des 63. Lebensjahrs zu erfolgen hat.

Deshalb kommt es nicht darauf an, ob die Gesamtversorgungsobergrenze in § 6 Abs. 5 und Abs. 8 RL 02/89 im Hinblick auf die Bestimmungen in der Präambel der RL 02/89 (auch) darauf abzielt, eine etwaige Überversorgung zu vermeiden. Das Bundesarbeitsgericht hat bereits in seinem Urteil vom 21.03.20062 die in früheren Entscheidungen aufgestellte Auslegungsregel, wonach eine Höchstbegrenzungsklausel in einer Versorgungsordnung im Zweifel dahin auszulegen sei, dass Voll- und Teilrenten zunächst unabhängig von der Höchstbegrenzungsklausel zu berechnen und diese Renten daher erst bei Überschreiten der Höchstgrenzen zu kürzen seien3, ausdrücklich aufgegeben. Sofern die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 21.03.20064 dahin zu verstehen sein sollte, dass die Frage, ob eine Gesamtversorgungsobergrenze bereits bei der Ermittlung der fiktiven Vollrente nach § 2 Abs. 1 BetrAVG zu berücksichtigen ist, davon abhängt, welcher Zweck mit der Höchstbegrenzungsklausel verfolgt wird, insbesondere, ob durch diese auch eine Überversorgung verhindert werden soll, hält das Bundesarbeitsgericht hieran nicht weiter fest. Für die Frage, welcher Anteil an einer erreichbaren Vollrente einem vorzeitig ausgeschiedenen Arbeitnehmer zusteht, hat der Zweck der Begrenzungsregelung keine Bedeutung. Die Anwendung der Begrenzungsregelung erst auf die Berechnung der anteiligen Rente des vorzeitig ausgeschiedenen Arbeitnehmers kommt nur in Betracht, wenn eine Versorgungsregelung – anders als hier – dies ausdrücklich vorsieht.

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Da sich die Erstberechnung des Ruhegelds des Arbeitnehmers nach § 2 Abs. 1 BetrAVG iVm. Nr. 7 BV Frühpensionierung richtet, kam es nicht darauf an, wie die Regelungen in § 6 Abs. 3 RL 02/89 über die Anrechnung von Einkommen des Versorgungsempfängers aus selbständiger oder nichtselbständiger Tätigkeit auszulegen sind. Diese Regelungen betreffen andere Fallgestaltungen, aus denen keine Auslegungshilfe für die hier zur Entscheidung stehende Problematik gewonnen werden kann.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. Mai 2015 – 3 AZR 771/13

  1. vgl. bereits BAG 21.03.2006 – 3 AZR 374/05, Rn.20 ff., BAGE 117, 268[]
  2. BAG 21.03.2006 – 3 AZR 374/05, Rn.20 ff., BAGE 117, 268[]
  3. vgl. BAG 8.05.1990 – 3 AZR 341/88, zu I 2 b der Gründe; 24.06.1986 – 3 AZR 630/84, zu II 2 b der Gründe[]
  4. BAG 21.03.2006 – 3 AZR 374/05, aaO[]