Kündigungsschutz im Gemeinschaftsbetrieb

Wesentliche Teile des Kündigungsschutzgesetzes gelten nicht für Kleinbetriebe, in denen nicht mehr als zehn Arbeitnehmer iSv. § 23 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 KGchG beschäftigt sind. Dies gilt freilich nicht, wenn der Arbeitgeber mit anderen Unternehmen einen Gemeinschaftsbetrieb mit insgesamt mehr als zehn Arbeitnehmern unterhält.

Kündigungsschutz im Gemeinschaftsbetrieb

Ein gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen liegt vor, wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel mehrerer Unternehmen für einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat betriebsbezogen gesteuert wird. Die beteiligten Unternehmen müssen sich zumindest stillschweigend zu einer gemeinsamen Führung rechtlich verbunden haben, so dass der Kern der Arbeitgeberfunktion im sozialen und personellen Bereich von derselben institutionellen Leitung ausgeübt wird1. Dafür ist vor allem maßgebend, ob ein arbeitgeberübergreifender Personaleinsatz praktiziert wird, der charakteristisch für den normalen Betriebsablauf ist. Eine lediglich unternehmerische Zusammenarbeit genügt nicht2.

Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass im Kündigungszeitpunkt ein gemeinsamer Betrieb bestanden hat, trägt grundsätzlich der Arbeitnehmer3. Mit Rücksicht auf seine typischerweise mangelnde Kenntnis vom Inhalt der zwischen den beteiligten Unternehmen getroffenen vertraglichen Vereinbarungen kommen ihm dabei Erleichterungen zugute. Der Arbeitnehmer genügt seiner Darlegungslast in einem ersten Schritt, wenn er äußere Umstände aufzeigt, die für die Annahme sprechen, dass sich mehrere Unternehmen über die gemeinsame Führung eines Betriebs unter einem einheitlichen Leitungsapparat geeinigt haben. Darauf hat der Arbeitgeber nach § 138 Abs. 2 ZPO im Einzelnen zu erwidern und darzulegen, welche rechtserheblichen Umstände gegen die Annahme eines einheitlichen Betriebs sprechen sollen4.

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Der angeführte arbeitgeberübergreifende Einsatz einzelner Arbeitnehmer als solcher indiziert kein Vorliegen eines Gemeinschaftsbetriebs. Das ist nur dann der Fall, wenn dieser Einsatz auf einer gemeinsamen Leitungsstruktur beruht. Eine solche liegt nicht schon mit Blick auf die Identität der Leitungspersonen der beteiligten Unternehmen vor5. Der Umstand, dass die Dienstleistungsgesellschaft sowohl für den Arbeitgeber wie auch für eine zweite Gesellschaft die Personalverwaltung durchführt, indiziert ebenso wenig eine einheitliche Betriebsleitung. Das Vorhandensein einer gemeinsamen Personalabteilung spricht nicht schon dann für einen gemeinsamen Betrieb, wenn Dienstleistungen übernommen werden, die auch als Serviceleistungen Dritter denkbar sind, etwa die Lohnbuchhaltung. Erforderlich ist, dass die Personalabteilung zur Wahrnehmung der personellen Arbeitgeberfunktionen bevollmächtigt ist oder durch eine Person geleitet wird, die für beide Unternehmen die Entscheidungen in wesentlichen personellen und sozialen Angelegenheiten trifft6.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. Oktober 2013 – 2 AZR 1057/12

  1. BAG 24.05.2012 – 2 AZR 62/11, Rn.20, BAGE 142, 36; 9.06.2011 – 6 AZR 132/10, Rn. 16, BAGE 138, 116[]
  2. BAG 22.06.2005 – 7 ABR 57/04, zu B II 1 der Gründe[]
  3. BAG 24.05.2012 – 2 AZR 62/11, Rn. 21, BAGE 142, 36; 18.10.2006 – 2 AZR 434/05, Rn. 48 ff.[]
  4. BAG 24.05.2012 – 2 AZR 62/11, aaO; 18.10.2006 – 2 AZR 434/05, Rn. 49, aaO[]
  5. vgl. BAG 5.11.1987 – 2 AZR 190/87; 13.06.1985 – 2 AZR 452/84, zu A II 3 b der Gründe[]
  6. vgl. BAG 18.10.2006 – 2 AZR 434/05, Rn. 53; 11.02.2004 – 7 ABR 27/03, BAGE 109, 332[]
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