Neuer Klageantrag – im Revisionsverfahren vor dem Bundesarbeitsgericht

Ein neuer Klageantrag in der Revisionsinstanz erfordert, dass die klagende Partei Rechtsmittelführer ist. Andernfalls kommt eine Ausnahme von § 559 Abs. 1 ZPO – unbeschadet der sonstigen Voraussetzungen – nicht in Betracht1.

Neuer Klageantrag – im Revisionsverfahren vor dem Bundesarbeitsgericht

Allein die Einlegung der Revision oder Anschlussrevision eröffnet den Parteien die Möglichkeit, Sachanträge zu stellen. Ließe man eine Antragstellung außerhalb des eingelegten Rechtsmittels zu, würden die gesetzlichen Regelungen der Revision und Anschlussrevision umgangen.

Dies gilt auch für die Einführung eines neuen Hilfsantrags.

Zudem stellt die Einführung eines zusätzlichen Hilfsantrags in der Revisionsinstanz eine nachträgliche Anspruchshäufung (§ 260 ZPO) und damit eine Klageänderung (§ 263 ZPO) dar.

Nach dem für das arbeitsgerichtliche Urteilsverfahren geltenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff wird der Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens durch den dort gestellten Antrag (Klageantrag) und den ihm zugrunde liegenden Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt. Der Streitgegenstand ändert sich dementsprechend iSv. § 263 ZPO, wenn der gestellte Antrag oder der ihm zugrunde liegende Lebenssachverhalt ein anderer wird2.

Die Klageänderung ist nach § 559 Abs. 1 ZPO unzulässig.

Nach § 559 Abs. 1 ZPO ist eine Klageänderung in der Revisionsinstanz grundsätzlich ausgeschlossen. Der Schluss der mündlichen Verhandlung in zweiter Instanz bildet nicht nur bezüglich des tatsächlichen Vorbringens, sondern auch hinsichtlich der Anträge der Parteien die Entscheidungsgrundlage für das Revisionsgericht. Hiervon hat das Bundesarbeitsgericht Ausnahmen in den Fällen des § 264 Nr. 2 ZPO sowie dann zugelassen, wenn sich der geänderte Sachantrag auf einen in der Berufungsinstanz festgestellten oder von den Parteien übereinstimmend vorgetragenen Sachverhalt stützen kann, sich das rechtliche Prüfprogramm nicht wesentlich ändert und die Verfahrensrechte der anderen Partei durch eine Sachentscheidung nicht verkürzt werden3.

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Im hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Streitfall ist – selbst wenn die Klägerin Anschlussrevision eingelegt hätte – eine Ausnahme von dem Grundsatz des § 559 Abs. 1 ZPO nicht eröffnet. Ein Fall des § 264 Nr. 2 ZPO liegt nicht vor. Die Klägerin hat nicht lediglich ohne Änderung des Klagegrundes den Klageantrag in der Hauptsache erweitert oder beschränkt, sondern einen völlig neuen Antrag gestellt. Sie begehrt mit dem Hilfsantrag im Vergleich zum Feststellungsantrag nicht ein Mehr oder ein Weniger, sondern etwas anderes. Sie verlangt nunmehr, über Feststellungen zum Grund des Anspruchs hinaus, die Zahlung eines bestimmten Geldbetrags. Das erfordert ein erweitertes Prüfprogramm. Während der Feststellungsantrag – seine Zulässigkeit unterstellt – die Prüfung verlangte, mit welchem Zeitfaktor die von der Klägerin geleisteten Betreuungsstunden zu bewerten sind, ist bei dem nunmehr gestellten Hilfsantrag zu prüfen, auf welcher Grundlage sich der geltend gemachte Zahlungsbetrag ergibt. Der Antrag kann sich nicht allein auf die vom Berufungsgericht festgestellten Tatsachen stützen, sondern erfordert neuen Tatsachenvortrag zur Vergütung.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. März 2016 – 5 AZR 758/13

  1. BAG 28.05.2014 – 5 AZR 794/12, Rn. 12[]
  2. BAG 13.12 2011 – 1 AZR 508/10, Rn. 21; 26.06.2013 – 5 AZR 428/12, Rn. 16[]
  3. BAG 26.06.2013 – 5 AZR 428/12, Rn. 18; 15.10.2013 – 9 AZR 855/12, Rn. 18; 28.05.2014 – 5 AZR 794/12, Rn. 14[]
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