Weihnachtsgeld im Dachdeckerhandwerk

Nach § 3 des seit dem 1.07.2003 allgemeinverbindlichen Tarifvertrags über die Gewährung eines Teils eines 13. Monatseinkommens für gewerbliche Arbeitnehmer im Dachdeckerhandwerk setzt der Anspruch auf Zahlung des vollen Teils eines 13. Monatseinkommens voraus, dass am 30.11.des laufenden Kalenderjahres ein Beschäftigungsverhältnis im Dachdeckerhandwerk zwölf Monate ununterbrochen bestanden hat; Teilansprüche können vor diesem Stichtag nach § 6 Abs. 2 TV 13. ME 2003/2010 nur bei bestimmten; vom Arbeitnehmer nicht zu vertretenden Beendigungstatbeständen entstehen. Der Anspruch auf Sonderzahlung entsteht in einem bestehenden Arbeitsverhältnis somit erst am Stichtag und nicht ratierlich im laufenden Jahr.

Weihnachtsgeld im Dachdeckerhandwerk

Der TV 13. ME 2003 ist durch den allgemeinverbindlichen TV 13. ME 2010 rechtswirksam abgelöst worden. Nachdem der TV 13. ME 2010 am 15.07.2010 vereinbart worden war, galt er für die nach § 3 Abs. 1 TVG tarifgebundenen Mitglieder der Tarifvertragsparteien unmittelbar und löste den TV 13. ME 2003 ab. Für Nichttarifgebundene galt der TV 13. ME 2003 mangels tariflicher Geltung ab diesem Zeitpunkt nicht mehr kraft Allgemeinverbindlichkeit nach § 5 Abs. 4 TVG, sondern nur noch kraft Nachwirkung nach § 4 Abs. 5 TVG1. Diese kann durch eine andere Abmachung beendet werden; eine solche liegt bei Nichtorganisierten aber nicht bereits mit Inkrafttreten des ablösenden Tarifvertrags vor, weil dieser auf das Arbeitsverhältnis auch zur Anwendung kommen muss2. Die Nachwirkung eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrags endet erst, wenn der ablösende Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt wird. Dies setzt nach § 5 Abs. 7 TVG die öffentliche Bekanntmachung voraus3. Zum Zeitpunkt des Entstehens des Anspruchs auf die tarifliche Sonderzahlung wirkte der TV 13. ME 2003 somit noch nach, weil die Allgemeinverbindlicherklärung des TV 13. ME 2010 erst zu einem späteren Zeitpunkt im Bundesanzeiger öffentlich bekannt gemacht wurde.

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Die rückwirkende Allgemeinverbindlicherklärung des TV 13. ME 2010 ist rechtswirksam.

Bei der Rückwirkung von Allgemeinverbindlicherklärungen sind die Grundsätze über die Rückwirkung von Gesetzen, wie sie in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelt worden sind, entsprechend anzuwenden4. Die Rückwirkung einer Allgemeinverbindlicherklärung verletzt nicht die vom Rechtsstaatsprinzip (Art.20 Abs. 3 GG) umfassten Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes, soweit die Betroffenen mit ihr rechnen müssen5. Ein solcher Fall liegt vor, wenn ein Tarifvertrag rückwirkend für allgemeinverbindlich erklärt wird, der einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag erneuert oder ändert. Bei dieser Sachlage müssen die Tarifgebundenen nicht nur mit einer Allgemeinverbindlicherklärung des Nachfolgetarifvertrags, sondern auch mit der Rückbeziehung der Allgemeinverbindlicherklärung auf den Zeitpunkt seines Inkrafttretens rechnen6.

Im Zeitpunkt des Entstehens des Anspruchs war der ablösende TV 13. ME 2010 in Kraft und erfasste bereits die Arbeitsverhältnisse der Mitglieder der Tarifvertragsparteien. Die die Nichttarifgebundenen betreffende Allgemeinverbindlichkeit war durch den Tarifausschuss beschlossen, die geänderten Regelungen waren sogar öffentlich bekannt gemacht worden. Ein Vertrauen in den unveränderten Fortbestand der Ansprüche nach §§ 3, 4 TV 13. ME 2003 bestand bei den Nichttarifgebundenen im Zeitpunkt des Entstehens des Anspruchs deshalb nicht; die Tarifvertragsparteien haben mit dem am 15.07.2010 vereinbarten TV 13. ME 2010 auch nicht nachträglich in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingegriffen (sog. echte Rückwirkung; vgl. BVerfG 13.05.1986 – 1 BvR 461/85, zu B III 1 der Gründe, BVerfGE 72, 175).

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Dass der Arbeitnehmer anderweitig privat vorgesorgt hat, ist unerheblich. Tarifvertragsparteien sind regelmäßig nicht gehalten, individuelle Besonderheiten bei tariflichen Regelungen zu berücksichtigen. Der Arbeitnehmer konnte auch nicht davon ausgehen, dass der tariflich bestimmte Anspruch auf eine Sonderzahlung auf Dauer unverändert bleiben würde. Soweit bei älteren Arbeitnehmern nur eine verhältnismäßig geringe Altersversorgung aus dem Arbeitgeberbeitrag zu erwarten ist, muss das hingenommen werden; auch diese Versorgungsleistung ist nicht wertlos, sondern entspricht dem tariflichen Arbeitgeberbeitrag.

Bundesarbeitsgericht – Urteil vom 13. November 2013 – 10 AZR 1058/12

  1. BAG 8.11.2006 – 4 AZR 590/05, Rn. 16, BAGE 120, 84; 17.01.2006 – 9 AZR 41/05, Rn.20, 22; BAGE 116, 366[]
  2. BAG 17.01.2006 – 9 AZR 41/05, Rn. 24, aaO[]
  3. Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 5 Rn.207; Däubler/Lakies TVG 3. Aufl. § 5 Rn.199[]
  4. BAG 25.09.1996 – 4 AZR 209/95, zu I 2.06.1 der Gründe mwN, BAGE 84, 147[]
  5. BAG 20.03.2013 – 10 AZR 744/11, Rn.19; 21.08.2007 – 3 AZR 102/06, Rn. 27, BAGE 124, 1[]
  6. st. Rspr., BAG 20.03.2013 – 10 AZR 744/11, Rn.20; 21.08.2007 – 3 AZR 102/06, Rn. 27, aaO[]