Mandantenaquise bei der Verkehrsunfallregulierung – oder: der Anwalt als Bank

Ein Rechtsanwalt darf im Rahmen der Verkehrsunfallregulierung nicht die sofortige Bezahlung der Rechnungen von Kraftfahrzeugwerkstätten und Abschleppunternehmern für den Mandanten entsprechend der von ihm geschätzten Haftungsquote- übernehmen.

Mandantenaquise bei der Verkehrsunfallregulierung – oder: der Anwalt als Bank

In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall ging es um das Geschäftsmodell einer auf die Abwicklung von Verkehrsunfällen spezialisierten Anwaltskanzlei aus Bayern. Dort bieten die Rechtsanwälte ihren Mandanten die Verauslagung von Reparatur- und/oder Sachverständigen- sowie Abschleppkosten in Höhe der geschätzten Haftungsquote an. In der Vollmacht zur außergerichtlichen Vertretung ermächtigen die Mandanten die Rechtsanwälte u.a. „zur Zahlung aller mit dem Unfall in Zusammenhang stehender Rechnungen aus Eigen- oder Fremdmitteln“. Nach Erhalt der Rechnungen der Kraftfahrzeugwerkstätten, Sachverständigen und Abschleppunternehmer gleicht die Kanzlei die Rechnungen jeweils in Höhe der geschätzten Haftungsquote aus. Die Rechtsanwälte haben auf Anfrage den Inhabern von Kraftfahrzeugwerkstätten ihr Vorgehen erläutert. Diese Dienste bietet die Kanzlei auch Mandanten an, die nicht auf Empfehlung dieser Personen die Rechtsanwälte aufsuchten. Der Bundesgerichtshof sah hierin zwar keinen Verstoß gegen § 49b Abs. 2 Satz 2 BRAO, wohl aber einen solchen gegen § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO:

Das in § 49b Abs. 2 Satz 2 BRAO enthaltene Verbot der Übernahme der Kosten eines vom Mandanten in Anspruch genommenen Gegners und/oder eines angerufenen Gerichts sowie von Verwaltungskosten durch den Rechtsanwalt ist mit Wirkung vom 01.07.2008 durch das Gesetz zur Neuregelung des Verbots der Vereinbarung von Erfolgshonoraren in die Bundesrechtsanwaltsordnung aufgenommen worden. In den Gesetzgebungsmaterialien findet sich hierfür keine Begründung1; es dürfte auf die Überlegung zu stützen sein, dass eine entsprechende Kostenübernahme die anwaltliche Unabhängigkeit bei der Bearbeitung des Mandats gefährdet2.

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Dem Rechtsanwalt ist es untersagt, Gerichtskosten, Verwaltungskosten oder die Kosten anderer Beteiligter zu tragen. Er darf dem Mandanten nicht das Risiko der Rechtsverfolgung abnehmen, das heißt, bei erfolgloser Tätigkeit wirtschaftlich selbst für diese Kosten einstehen3. Von den Rechtsanwälten verauslagte Beträge für Kraftfahrzeugwerkstätten und Abschleppunternehmer unterfallen schon nicht den Rechtsverfolgungskosten; ob dies für die Auslagen für ein Sachverständigengutachten gilt, kann letztlich dahinstehen. Denn jedenfalls gehen die von den Rechtsanwälten getroffenen Vereinbarungen dahin, dass sie in jedem Fall, auch bei erfolgloser Tätigkeit und mithin fehlender Erstattung seitens Dritter, die verauslagten Kosten von den Mandaten ersetzt erhalten. Dass die Rechtsanwälte ein wirtschaftliches Risiko tragen, im Falle einer Zahlungsunfähigkeit der Mandanten mit den Auslagen belastet zu bleiben, stellt sich nicht anders dar als bei sonstigen, zulässig vom Rechtsanwalt verauslagten Kosten der Rechtsverfolgung wie beispielsweise Gerichtskostenvorschüssen.

Die beanstandete Verfahrensweise verstößt jedoch gegen § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO. § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO untersagt dem Rechtsanwalt, für die Vermittlung von Aufträgen einen Teil der Gebühren zu zahlen oder sonstige Vorteile zu gewähren. Es soll vermieden werden, dass Rechtsanwälte in einen Wettbewerb um den Ankauf von Mandaten treten, die Anwaltschaft ist kein Gewerbe, in dem Mandate „gekauft“ und „verkauft“ werden4. Ein Rechtsanwalt, dem ein Mandat vermittelt wird, darf hierfür den Vermittler nicht belohnen5.

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Unter sonstigem Vorteil ist auch die Erbringung von berufsfremden Dienstleistungen zu verstehen, wie hier die sofortige Bezahlung der Rechnungen von Kraftfahrzeugwerkstätten und Abschleppunternehmern für den Mandanten. Die betroffenen Kraftfahrzeugwerkstätten, Sachverständigen und Abschleppunternehmer erhalten als Geldzahlung zwar nur ihre Leistungen im Zusammenhang mit dem Verkehrsunfallereignis vergütet. Sie haben aber den sonstigen Vorteil einer sofortigen, sicheren Zahlung und sind deshalb an der von der Kanzlei der Rechtsanwälte angebotenen Verfahrensweise interessiert, wie auch die von den Rechtsanwälten geschilderten Kontaktaufnahmen mit der Bitte um Erläuterung des Vorgehens zeigen. Immerhin stammt nach den eigenen Angaben der Rechtsanwälte etwa die Hälfte der Mandate aus diesem Geschäftsmodell.

Das Verbot des § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO erfasst nur Provisionszahlungen bzw. die Gewährung von Vorteilen für ein konkret vermitteltes Mandat6. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Rechtsanwälte bieten zwar allen Mandanten die Bezahlung der Rechnungen der Kraftfahrzeugwerkstätten, Sachverständigen und Abschleppunternehmern in Höhe der geschätzten Haftungsquote an, unabhängig davon, ob und gegebenenfalls auf wessen Empfehlung die Mandanten den Anwaltsvertrag mit ihnen geschlossen haben. Wenn die Mandanten jedoch auf Empfehlung der Kraftfahrzeugwerkstätten, Sachverständigen und Abschleppunternehmer die Kanzlei der Rechtsanwälte mit der Abwicklung der Verkehrsunfallsache beauftragt haben, ist in diesen konkreten Fällen die Ursächlichkeit gegeben. Die Rechtsanwälte streben mit ihrer Vorgehensweise gerade an, dass die Kraftfahrzeugwerkstätten, Sachverständigen und Abschleppunternehmer, die den ersten Kontakt mit Verkehrsunfallopfern mit spezifischem Beratungsbedarf haben, ihre Kanzlei empfehlen. Die Kraftfahrzeugwerkstätten, Sachverständigen und Abschleppunternehmer erhalten den sonstigen Vorteil jeweils in einem konkreten Fall, in dem entweder ihre Empfehlung zur Mandatierung der Rechtsanwälte geführt hat oder der Mandant aus sonstigen Gründen die Rechtsanwälte beauftragt hat. Der Vorteil wird hingegen nicht allgemein und unabhängig vom konkreten Mandat gewährt.

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Es kann dahinstehen, ob die Rechtsanwälte durch die Zahlungen auf die Zahlungspflichten ihrer Mandanten deren Geschäft besorgen und sie lediglich einen Aufwendungsersatzanspruch (§ 670 BGB) geltend machen oder ob es sich möglicherweise um erlaubnispflichtige Kreditgeschäfte des Rechtsanwalts im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 KWG handelt. Das Verhalten der Rechtsanwälte gegenüber den Mandanten widerspricht auch dann den §§ 43, 43b BRAO, wenn eine Genehmigungspflicht nach den Kreditwesengesetz für diese Tätigkeit nicht besteht. Durch die Zusage, Werkstatt, Abschlepp- und Sachverständigenkosten zu verauslagen, werden auch die Mandanten mit einer unentgeltlichen Leistung geworben, die in deren Situation keinen geringen Wert hat. Diese Werbung ist nicht berufsbezogen und zudem auf die Erteilung des Mandats im Einzelfall gerichtet. Die Verauslagung der Kosten des Mandanten wird in Aussicht gestellt, um diese nach Verkehrsunfällen, also bei bestehendem Beratungsbedarf, konkret zum Abschluss des Anwaltsvertrags zu bewegen. Dies ist unzulässig.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 20. Juni 2016 – AnwZ (Brfg) 26/14

  1. BT-Drs. 16/8384 S. 9[]
  2. Kilian in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 49b Rn. 70; ders., NJW 2010, 1845, 1846; vgl. auch BT-Drs. 12/4993 S. 31[]
  3. Kilian, aaO Rn. 98[]
  4. BT-Drs. 12/4993 S. 31; Kilian, aaO Rn. 159[]
  5. Kilian, aaO Rn. 161; vgl. auch OLG Thüringen, DStRE 2003, 700, 702 zum Steuerberater[]
  6. vgl. BVerfG, NJW 2008, 1298 Rn. 24[]
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