Wegen der besonderen Schwierigkeit des Abstammungsverfahrens ist im Rahmen der bewilligten Verfahrenskostenhilfe nicht nur hinsichtlich des Antragstellers, sondern auch für die weiteren Beteiligten regelmäßig eine Anwaltsbeiordnung geboten1.
Gemäß § 78 Abs. 2 FamFG wird einem Beteiligten, wenn eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht vorgeschrieben ist, auf seinen Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann sich das Verfahren für einen Beteiligten allein wegen einer schwierigen Sach- oder Rechtslage so kompliziert darstellen, dass auch ein bemittelter Beteiligter einen Rechtsanwalt hinzuziehen würde2. Die Erforderlichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts beurteilt sich zudem nach den subjektiven Fähigkeiten des betroffenen Beteiligten3. Allein die existentielle Bedeutung der Sache kann die Beiordnung eines Rechtsanwalts nach neuem Recht dagegen nicht mehr begründen4.
Mit der Frage der Erforderlichkeit einer Anwaltsbeiordnung in Abstammungssachen nach dem seit 1.09.2009 geltenden Recht hat sich der Bundesgerichtshof bereits befasst und diese dahin beantwortet, dass jedenfalls für den Antragsteller eine Anwaltsbeiordnung regelmäßig erforderlich ist5. Der Bundesgerichtshof hat dies mit den besonderen Anforderungen an den Vortrag des Antragstellers begründet sowie mit der gebotenen Prüfung eines eingeholten Abstammungsgutachtens und der gesetzlichen Vertretung des am Verfahren zu beteiligenden Kindes. Da sich die Rechtslage im Vaterschaftsanfechtungsverfahren regelmäßig als schwierig im Sinne von § 78 Abs. 2 FamFG erweise und sich zu Beginn des Verfahrens nicht sicher einschätzen lasse, welche der erwähnten einzelnen Schwierigkeiten im weiteren Verfahren möglicherweise aufträten, sei eine pauschal anzunehmende Erforderlichkeit der Beiordnung gerechtfertigt6.
Nach diesen Maßstäben ist im Abstammungsverfahren auch für die weiteren Beteiligten – Mutter und Kind – eine Beiordnung notwendig.
Die Einschätzung, dass das Verfahren nicht kontradiktorisch geführt werde und die Interessen der Beteiligten übereinstimmten, wird der Eigenart des Abstammungsverfahrens nicht hinreichend gerecht. Damit wird vernachlässigt, dass die Interessen der Beteiligten weder durch die Art der Verfahrensbeteiligung noch durch die Antragstellung vorgegeben sind7. Die am Verfahren beteiligte Mutter hat nicht notwendig ein Interesse am Erfolg der Vaterschaftsanfechtung, schon weil sie dem Kind dadurch möglicherweise allein unterhaltspflichtig wird. Aus ihrer Zustimmung zum Anfechtungsantrag kann – entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts Karlsruhe8 – nichts Gegenteiliges gefolgert werden, weil diese notwendigerweise erst das Ergebnis der vorausgegangenen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist. Wäre die Mutter selbst Antragstellerin, wäre ihr demnach regelmäßig ein Rechtsanwalt beizuordnen. Aber auch wenn unterstellt wird, dass sie wie der anfechtende rechtliche Vater ein Interesse am Erfolg der Vaterschaftsanfechtung hat, muss sie ebenfalls in der Lage sein, die mit dem Verfahren verbundenen rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten zuverlässig einzuschätzen und erforderlichenfalls auf die Verfahrensführung des Gerichts Einfluss zu nehmen. Dazu gehört es auch, etwaigen Verfahrensfehlern des Gerichts vorzubeugen und etwa den Eintritt der Rechtskraft der für und gegen alle wirkenden Statusentscheidung (vgl. § 184 Abs. 2 FamFG) zu sichern. Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts gehört dazu auch die Gewährleistung einer wirksamen gesetzlichen Vertretung des Kindes, die mithin nicht nur die Interessen des Kindes betrifft.
Dass im vorliegenden Fall die Sach- und Rechtslage nicht einfach und zweifelsfrei ist, zeigt sich schon daran, dass dem Amtsgericht ein schwerer Verfahrensfehler unterlaufen ist. Es hat entgegen § 172 Abs. 1 Nr. 1 FamFG das Kind nicht am Verfahren beteiligt9. Die mit dem Antragsteller verheiratete Mutter war zudem entsprechend § 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB gehindert, das Kind im Anfechtungsverfahren gesetzlich zu vertreten10. Die unterbliebene Beteiligung des Kindes schiebt den Eintritt der formellen Rechtskraft jedenfalls hinaus und sperrt insoweit etwa auch eine wirksame Anerkennung durch den leiblichen Vater (vgl. §§ 1594 Abs. 2, 1599 Abs. 1 BGB).
Nach alledem ist wegen der besonderen Schwierigkeit des Abstammungsverfahrens im Rahmen der bewilligten Verfahrenskostenhilfe nicht nur hinsichtlich des Antragstellers, sondern auch für die weiteren Beteiligten regelmäßig eine Anwaltsbeiordnung geboten.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27. Januar 2016 – XII ZB 639/14
- Fortführung von BGH, Beschluss vom 13.06.2012 – XII ZB 218/11 , FamRZ 2012, 1290[↩]
- BGH, Beschlüsse BGHZ 186, 70 = FamRZ 2010, 1427 Rn. 14; und vom 13.06.2012 – XII ZB 218/11 , FamRZ 2012, 1290 Rn. 14[↩]
- BGH, Beschluss BGHZ 186, 70 = FamRZ 2010, 1427 Rn. 24 f.[↩]
- vgl. BGH, Beschlüsse BGHZ 186, 70 = FamRZ 2010, 1427 Rn.19; und vom 13.06.2012 – XII ZB 218/11 , FamRZ 2012, 1290 Rn. 14[↩]
- BGH, Beschluss vom 13.06.2012 – XII ZB 218/11 , FamRZ 2012, 1290 Rn. 15 ff. mwN[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 13.06.2012 – XII ZB 218/11 , FamRZ 2012, 1290 Rn. 18 ff.[↩]
- vgl. BGH, Beschluss BGHZ 193, 1 = FamRZ 2012, 859 Rn. 17[↩]
- OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29.10.2014 – 2 WF 172714[↩]
- vgl. zum früheren Recht BGH, Urteil vom 27.03.2002 – XII ZR 203/99 , FamRZ 2002, 880, 881 f.[↩]
- vgl. BGH, Beschluss BGHZ 193, 1 = FamRZ 2012, 859 Rn. 21[↩]