Der verspätet gezahlte Kostenvorschuss

Es ist eine grob nachlässige Prozessführung, wenn der vom Gericht angeforderte Kostenvorschuss für das nach § 109 SGG beantragte Gutachten nach der richterlich festgesetzten Frist eingeht und der Bevollmächtigte die Einzahlung des Vorschusses erst 2 Wochen vor Ablauf der Frist bei der Rechtsschutzversicherung beantragt sowie sich ohne Fristüberwachung darauf verlassen hatte, dass die verbleibende Frist nach seiner Erfahrung ausreichend zur Bearbeitung durch die Rechtsschutzversicherung ist.

Der verspätet gezahlte Kostenvorschuss

Die Ablehnung des Antrags wegen Verfahrensverzögerung nach § 109 Abs. 2 SGG verstößt nicht gegen das Recht auf ein faires Verfahren, wenn die Sachentscheidung zwar erst 4 Monate nach Ablauf der Frist zur Erfüllung der richterlichen Auflagen für den Antrag nach § 109 SGG ergeht, dies aber gerade auf der Gehörsgewährung des Gerichts zu den Einwänden des Antragstellers beruht.

Nach § 109 Abs. 2 SGG kann das Gericht einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. Diese Voraussetzungen liegen nach Auffassung des Landessozialgerichts vor.

Durch die Einholung des vom Kläger beantragten Gutachtens würde sich im hier vom Landessozialgericht Baden-Württemberg entschiedenen Rechtsstreit die Erledigung des Rechtsstreits verzögern, denn das Landessozialgericht könnte noch nicht durch Beschluss über die Berufung entscheiden. Innerhalb der vom Landessozialgericht mit Schreiben vom 17.12.2014 gesetzten Frist bis zum 31.01.2015 hat der Kläger lediglich den Arzt benannt, bei dem das Gutachten eingeholt werden soll und die Kostenverpflichtungserklärung vorgelegt. Der Kostenvorschuss jedoch ging nicht innerhalb der gesetzten Frist, sondern erst am 16.02.2015 bei der Landesoberkasse Baden-Württemberg ein. Er war auch erst nach Fristablauf am 13.02.2015 eingezahlt worden. Die Anhörung des vom Kläger benannten Gutachters war auch davon abhängig gemacht worden, dass ein Vorschuss eingezahlt wird, so dass sich die Fristsetzung durch das Schreiben des Landessozialgerichts vom 17.12.2014 nicht nur auf die fristgerechte Benennung des Arztes, sondern auch auf die fristgerechte Einzahlung des angeforderten Kostenvorschusses bezog. Die Fristsetzung war wirksam. Das Schreiben des Landessozialgerichts vom 17.12.2014 wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers gemäß § 63 Abs. 1 SGG mittels Empfangsbekenntnisses am 18.12.2014 zugestellt. Die vom Landessozialgericht gesetzte Frist war angemessen. Angemessen ist eine Frist, wenn innerhalb der Zeitspanne vom Zugang der Verfügung bis zum Fristablauf üblicherweise erwartet werden kann, dass die verfügte Auflage erfüllt wird. Das LSG Nordrhein-Westfalen geht in seiner Entscheidung vom 28.01.20101 davon aus, dass grundsätzlich eine Frist von 6 Wochen noch als angemessen angesehen werden kann. Dies gelte insbesondere dann, wenn sich der Kläger für die Zahlung des Kostenvorschusses eines Dritten (hier: Rechtsschutzversicherung) bedient. Das Landessozialgericht hat dem Klägervertreter mit Schreiben vom 17.12.2014 eine Frist bis 31.01.2015, also mehr als 6 Wochen und mithin angemessen gesetzt.

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Die verspätete Einzahlung des Kostenvorschusses beruht nach Auffassung des Landessozialgerichts auch auf grober Nachlässigkeit. Eine grobe Nachlässigkeit ist anzunehmen, wenn die für eine ordnungsgemäße Prozessführung erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen wurde und nicht getan wird, was jedem einleuchten muss2. Dem Prozessbevollmächtigten des Klägers war bewusst, dass der angeforderte Kostenvorschuss bis spätestens 31.01.2015 einzuzahlen war. Der Klägervertreter hat jedoch erst mit Schreiben vom 13.01.2015 die Rechtsschutzversicherung des Klägers um Einzahlung des Kostenvorschusses gebeten, obwohl er das Schreiben des Landessozialgerichts mit der Aufforderung zur Einzahlung des Kostenvorschusses bereits am 18.12.2014 erhalten hat. In der Zeit vom 18.12.2014 bis zum 13.01.2015 hat der Klägerbevollmächtigte hingegen nichts veranlasst. Der Klägervertreter hat mit Schreiben vom 12.03.2015 geltend gemacht, dass die Rechtsschutzversicherung über 14 Tage Zeit gehabt habe, um den Vorschuss fristgerecht bei der Landesoberkasse einzubezahlen und dass nach seiner Erfahrung diese Fristen „in der Regel“ ausreichend seien. Dieses Verhalten stellt nach Auffassung des Landessozialgerichts keine ordnungsgemäße Kontrolle von Fristen dar. Die Kontrolle, ob Fristen eingehalten worden sind, gehört zu den wichtigsten Pflichten von rechtskundigen Prozessbevollmächtigten3. Zur Fristenkontrolle gehört auch, dass ein Rechtsanwalt in eigener Verantwortung kontrollieren muss, ob die zur Fristwahrung erforderlichen Maßnahmen ergriffen wurden4. Dem genügt das Verhalten des Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht. Er durfte es nach Auffassung des Landessozialgerichts nicht damit bewenden lassen, darauf zu vertrauen, dass die Rechtsschutzversicherung des Klägers den angeforderten Kostenvorschuss fristgerecht bei Gericht einzahlen würde. Vielmehr hätte er aufgrund des bevorstehenden Fristablaufes selbständig prüfen müssen, ob dies tatsächlich auch geschehen war. Wenn dies nicht in Erfahrung zu bringen gewesen wäre, so hätte eine ordnungsgemäße Prozessführung es zumindest erfordert, eine Fristverlängerung zu beantragen, was indes unterblieben ist. Das Verhalten seines Prozessbevollmächtigten muss sich der Kläger zurechnen lassen (§§ 73 Abs. 4 SGG, 85 Abs. 2 ZPO).

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Entgegen der Auffassung des Klägervertreters verletzt die Zurückweisung des Hilfsantrags schließlich nicht das Recht des Klägers auf ein faires Verfahren5. Danach ist es unzulässig, durch übermäßig strenge Handhabung verfahrensrechtlicher Schranken den Anspruch auf gerichtliche Durchsetzung des materiellen Rechts unzumutbar zu verkürzen. Formale Strenge darf im Prozess nicht ohne erkennbar schutzwürdigen Zweck praktiziert werden6. Die hier vorliegende Fallgestaltung ist nicht mit derjenigen vergleichbar, die der vom Klägervertreter zitierten Entscheidung des LSG Nordrhein-Westfalen vom 28.01.2010 zugrunde gelegen hat. Dort hatte das SG zunächst eine unangemessene Frist von weniger als einem Monat für die Einzahlung des Kostenvorschusses gesetzt. Weiter hat das SG dort ohne wesentliche Fristversäumnis seitens des Klägervertreters die weitere Sachverhaltsaufklärung abgelehnt und zugleich angenommen, das Verfahren würde sich verzögern, obwohl das SG selbst die mündliche Verhandlung erst circa ein halbes Jahr später terminiert hat. Vorliegend hingegen hat das Landessozialgericht bereits mit Schreiben vom 23.02.2015 zum Ausdruck gebracht, eine Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG treffen zu wollen und den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme bis 27.03.2015 eingeräumt. In der Folge hat das Landessozialgericht jeweils auf den weiteren Sachvortrag des Klägervertreters reagiert und und zur Gehörsgewährung vor der angekündigten Entscheidung mit richterlichen Aufklärungsschreiben rechtliche Ausführungen zum klägerischen Vorbringen gemacht sowie schließlich mit Schreiben vom 20.04.2015 die Absicht wiederholt, über die Berufung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG zu entscheiden. Eine Verletzung des Rechts des Klägers auf ein faires Verfahren vermag das Landessozialgericht hierin nicht erkennen. Die Verzögerung der ursprünglich für die nach Fristablauf am 27.03.2015 angekündigten Entscheidung, weshalb nach klägerischen Vorbringen genauso gut das Gutachten nach § 109 SGG hätte eingeholt werden können, war gerade der Gehörsgewährung geschuldet.

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Nach alledem macht das Landessozialgericht von seinem Ermessen dahingehend Gebrauch, den Antrag auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 Abs. 2 SGG wegen Verzögerung zurückzuweisen.

Landessozialgericht Baden -Württemberg, Beschluss vom 28. Mai 2015 – L 8 U 2996/14

  1. LSG NRW 28.01.2010 – L 2 KN 212/09 U[]
  2. vgl. Keller, in Meyer-Ladewig/ders./Leitherer, SGG, 11. Aufl.2014, § 109 Rdnr. 11[]
  3. vgl. hierzu auch Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 28.11.2005 – L 1 U 719/05; juris[]
  4. vgl. BGH, NJW 1997, 3245 zur Fristüberwachungspflicht des Verkehrsanwalts bei Beauftragung eines Korrespondenzanwalts[]
  5. vgl. dazu Keller: in Meyer-Ladewig/ders./Leitherer, a.a.O. vor § 60 Rdnr.1b m.w.N.[]
  6. BSG Urteil vom 28.11.1996, 7 RAr 118/95, SozR 3-1500 § 158 Nr 2[]