Anteilige Tilgung – und die Geschäftsführerhaftung in der GmbH & Co. KG

Mit der Anwendung des haftungsrechtlichen Grundsatzes der anteiligen Tilgung auf die GmbH einer GmbH & Co. KG hatte sich aktuell der Bundesfinanzhof zu befassen:

Anteilige Tilgung – und die Geschäftsführerhaftung in der GmbH & Co. KG

Nach § 69 Abs. 1 AO haften die in den §§ 34 und 35 AO bezeichneten Personen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten u.a. nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt werden. Bei der Haftung für Umsatzsteuer ist der von der BFH-Rechtsprechung entwickelte Grundsatz der anteiligen Tilgung zu beachten, der dem Umstand Rechnung trägt, dass die haftungsrechtliche Inanspruchnahme eines gesetzlichen Vertreters (§ 34 Abs. 1 AO) einen auf dessen schuldhafte Pflichtverletzung zurückzuführenden Vermögensschaden voraussetzt. Ein Vertreter handelt deshalb nicht pflichtwidrig, wenn er die Entrichtung fälliger Steuern unterlässt, weil hierzu keine finanziellen Mittel vorhanden sind. Jedoch darf er in Kenntnis der Unzulänglichkeit der evtl. noch vorhandenen Zahlungsmittel keinen Gläubiger einseitig bevorzugen, vielmehr ist von ihm zu verlangen, dass er eine möglichst gleichmäßige Befriedigung sämtlicher Gläubiger sicherstellt1. Zur Berechnung der Tilgungsquote sind die im Haftungszeitraum bestehenden Gesamtverbindlichkeiten den auf diese Verbindlichkeiten geleisteten Zahlungen gegenüberzustellen2. Grundsätzlich unbeachtlich ist dabei, aus welchen Quellen die der Gesellschaft zur Begleichung der Rückstände zur Verfügung stehenden Mittel stammen. Es kann sich auch um Mittel handeln, die von den Gesellschaftern oder selbst vom Vertreter zur Verfügung gestellt worden sind3. Es ist somit keine Haftungsvoraussetzung, dass der Steuerschuldner ein eigenes Konto unterhält, auf das der Vertreter Zugriff hat. Vielmehr ist es als ausreichend zu erachten, wenn der Primärschuldner bzw. dessen Vertreter die Möglichkeit hat, die Steuern wie im Streitfall durch Rückgriff auf anderes Vermögen bzw. durch Anweisung eines Dritten zu entrichten.

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Nach den dargelegten Grundsätzen ist auf den jeweiligen Steuerschuldner abzustellen, für den der gesetzliche Vertreter tätig wird. Dies gilt grundsätzlich auch für verbundene Gesellschaften. Bei einer GmbH & Co. KG ist der für die Komplementär-GmbH bestellte Geschäftsführer u.a. für die Entrichtung der von der GmbH geschuldeten Steuern verpflichtet. Wie bereits ausgeführt, ist dabei unbeachtlich, ob er sich hierzu eines eigenen Kontos bedienen kann. Entscheidend ist allein, ob Mittel zur Begleichung der Steuerschulden verfügbar sind bzw. beschafft werden können.

Im Streitfall stand der GmbH aufgrund der Übernahme der Geschäftsführung der KG ein vertraglich vereinbarter Anspruch gegen die KG auf Zahlung einer Vergütung zzgl. Umsatzsteuer zu, den die GmbH -ungeachtet der finanziellen Situation der KG- hinsichtlich der Vergütung auch durchgesetzt hat. Dass im Haftungszeitraum Ansprüche anderer Gläubiger gegenüber der GmbH bestanden haben, macht die Beschwerde nicht geltend, so dass sich die Frage einer Aufteilung vorhandener Mittel auf mehrere Gläubiger nicht stellt. Zu befriedigen waren lediglich die Forderungen des Finanzamt. Auch macht die Beschwerde nicht geltend, dass von der KG Mittel lediglich in Höhe von 100 % der den Geschäftsführern zustehenden Vergütungen zu erlangen gewesen sind. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die KG sowohl die Vergütungen als auch die Umsatzsteuer über entsprechende Verrechnungskonten gebucht hat. Bei diesem Befund kann sich der Kläger nicht auf eine Haftungsbeschränkung nach dem Grundsatz der anteiligen Tilgung berufen. Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage ist so zu beantworten, wie es das Finanzgericht getan hat, weshalb eine Zulassung der Revision nicht in Betracht kommt.

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Bundesfinanzhof, Beschluss vom 11. November 2015 – VII B 57/15

  1. vgl. zur Haftung für Umsatzsteuern BFH, Entscheidungen vom 31.03.2000 – VII B 187/99, BFH/NV 2000, 1322; vom 26.08.1992 – VII R 50/91, BFHE 169, 13, BStBl II 1993, 8; vom 05.03.1991 – VII R 93/88, BFHE 164, 203, BStBl II 1991, 678; und vom 26.03.1985 – VII R 139/81, BFHE 143, 488, BStBl II 1985, 539[]
  2. BFH, Urteil vom 27.02.2007 – VII R 60/05, BFHE 216, 487, BStBl II 2008, 508[]
  3. BFH, Beschluss vom 28.06.2006 – VII B 267/05, BFH/NV 2006, 1792[]