Der Dienstwagen eines familienangehörigen Arbeitnehmers – und die 1%-Regelung

Überlässt der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer unentgeltlich oder verbilligt einen Dienstwagen auch zur privaten Nutzung, führt das nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu einem als Lohnzufluss nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu erfassenden steuerbaren Nutzungsvorteil des Arbeitnehmers1, und zwar unabhängig davon, ob und in welchem Umfang der Arbeitnehmer den betrieblichen PKW privat nutzt2. Der Vorteil ist nach § 8 Abs. 2 Sätze 2 bis 5 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG entweder mit der Fahrtenbuchmethode oder, wenn -wie im Streitfall mittlerweile unstreitig- kein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch geführt wird, mit der 1 %-Regelung zu bewerten.

Der Dienstwagen eines familienangehörigen Arbeitnehmers – und die 1%-Regelung

Über die Frage, ob und welches betriebliche Fahrzeug dem Arbeitnehmer auch zur privaten Nutzung überlassen ist, entscheidet das Finanzgericht unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Dabei hat das Finanzgericht im Einzelnen darzulegen, wie und dass es seine Überzeugung in rechtlich zulässiger und einwandfreier Weise gewonnen hat3. Die subjektive Gewissheit des Tatrichters vom Vorliegen eines entscheidungserheblichen Sachverhalts ist nur dann ausreichend und für das Revisionsgericht bindend, wenn sie auf einer logischen, verstandesmäßig einsichtigen Würdigung beruht, deren nachvollziehbare Folgerungen den Denkgesetzen entsprechen und von den festgestellten Tatsachen getragen werden. Fehlt es an einer tragfähigen Tatsachengrundlage für die Folgerungen in der tatrichterlichen Entscheidung oder fehlt die nachvollziehbare Ableitung dieser Folgerungen aus den festgestellten Tatsachen und Umständen, so liegt ein Verstoß gegen die Denkgesetze vor4.

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Ein solcher Rechtsanwendungsfehler ist vorliegend zu beklagen. Der Schluss des Finanzgericht, dass dem Kläger von seinem Arbeitgeber der streitige Firmenwagen in den Streitjahren auch zur privaten (befugten) Nutzung überlassen worden ist, hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.

Denn diese Erkenntnis beruht nicht auf belastbaren Feststellungen des Finanzgericht. Danach ist dem Kläger die private Nutzung des Audi A6 verboten. Das Finanzgericht hat seine Überzeugung allein aus dem Umstand, dass der Kläger aufgrund seiner herausgehobenen Position im Unternehmen (faktischer Geschäftsführer) die Möglichkeit hatte, wie ein Unternehmer frei über das streitige Firmenfahrzeug zu bestimmen, geschöpft und hieraus auf die private Nutzungsbefugnis des Klägers geschlossen. Dieser Schluss ist jedoch für den Bundesfinanzhof nicht nachvollziehbar. Denn von der Nutzungsmöglichkeit aufgrund tatsächlicher Sachherrschaft lässt sich nicht auf eine rechtsgeschäftlich (ausdrücklich oder konkludent) vermittelte Nutzungsbefugnis schließen.

Im Übrigen rechtfertigt allein die Möglichkeit, das Fahrzeug (gegen den Willen des Arbeitgebers) privat zu nutzen, den Ansatz eines lohnsteuerbaren Nutzungswerts nicht. Arbeitslohn liegt nur insoweit vor, als der Arbeitnehmer zur Privatnutzung des Firmenfahrzeugs befugt ist5. Folglich kann auch entgegen der Auffassung des Finanzgericht die Tatsache, dass der Arbeitgeber vorliegend diese private Nutzungsmöglichkeit geduldet habe und diese Möglichkeit nicht durch das arbeitsvertragliche Nutzungsverbot oder dessen unzureichende Überwachung ausgeschlossen worden sei, einen geldwerten nach der 1 %-Regelung zu bewertenden Vorteil des Arbeitnehmers nicht begründen.

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Das Finanzgericht wird daher im zweiten Rechtsgang nach Maßgabe der vorgenannten Rechtsgrundsätze den hier streitigen Sachverhalt insbesondere dahingehend weiter aufzuklären und zu würdigen haben, ob der Kläger gegebenenfalls aufgrund einer möglicherweise konkludent geschlossenen Vereinbarung zur privaten Nutzung des geleasten Audi A6 befugt war. Diese Feststellungen kann auch der Beweis des ersten Anscheins nicht ersetzen. Das Finanzgericht hat sich von der privaten Nutzungsbefugnis und nicht lediglich von der Möglichkeit zur unbefugten Privatnutzung mit der erforderlichen Gewissheit zu überzeugen. Dabei hat es auch zu berücksichtigen, dass die fehlende Überwachung eines arbeitsvertraglich vereinbarten Verbots der privaten Nutzung des dienstlich überlassenen Fahrzeugs nicht auf dessen Steuerunerheblichkeit schließen lässt6. Zwar mag es sein, dass in Fällen wie dem vorliegenden der Arbeitnehmer -in Ermangelung einer „Kontrollinstanz“- bei einer Zuwiderhandlung keine arbeitsrechtlichen oder gar strafrechtlichen Konsequenzen zu gewärtigen hat. Gleichwohl rechtfertigt dies einen entsprechenden steuerstrafrechtlich erheblichen Generalverdacht nicht. Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitgeber ein arbeitsvertraglich vereinbartes Privatnutzungsverbot nicht überwacht oder es wie bei einem angestellten (Allein-)Geschäftsführer, einem (familienangehörigen) Geschäftsführer eines Familienunternehmens oder dem Gesellschafter-Geschäftsführer an einer „Kontrollinstanz“ fehlt7. Allerdings kann bei einer nachhaltigen „vertragswidrigen“ privaten Nutzung eines betrieblichen PKW durch den Arbeitnehmer -sofern eine solche festgestellt ist- der Schluss naheliegen, dass Nutzungsbeschränkung oder -verbot nicht ernstlich gemeint sind, sondern lediglich „auf dem Papier stehen“, da üblicherweise der Arbeitgeber eine unbefugte Nutzung durch den Arbeitnehmer nicht duldet. Unterbindet der Arbeitgeber die unbefugte Nutzung durch den Arbeitnehmer nicht, kann die „vertragswidrige“ Privatnutzung auf einer vom schriftlich Vereinbarten abweichenden, mündlich oder konkludent getroffenen Nutzungs- oder Überlassungsvereinbarung beruhen und damit den Ansatz eines nach der 1 %-Regelung zu bewertenden, lohnsteuerbaren Nutzungsvorteil rechtfertigen8.

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Bundesfinanzhof, Urteil vom 14. November 2013 – VI R 25/13

  1. BFH, Urteile vom 18.04.2013 – VI R 23/12, BFHE 241, 276, BFH/NV 2013, 1316; und vom 21.03.2013 – VI R 42/12, BFHE 241, 180, BFH/NV 2013, 1305; – VI R 46/11, BFHE 241, 175, BFH/NV 2013, 1302, und – VI R 31/10, BFHE 241, 167, BStBl II 2013, 700; jeweils m.w.N.[]
  2. BFH, Urteil in BFHE 241, 167, BStBl II 2013, 700[]
  3. BFH, Beschluss vom 13.03.1997 – I B 78/96, BFH/NV 1997, 772[]
  4. BFH, Urteil vom 11.11.2010 – VI R 16/09, BFHE 232, 34, BStBl II 2011, 966, m.w.N.[]
  5. BFH, Urteil vom 21.04.2010 – VI R 46/08, BFHE 229, 228, BStBl II 2010, 848[]
  6. vgl. BFH, Urteile in BFHE 241, 180, BFH/NV 2013, 1305; in BFHE 241, 175, BFH/NV 2013, 1302[]
  7. BFH, Urteile in BFHE 241, 276, BFH/NV 2013, 1316; in BFHE 241, 180, BFH/NV 2013, 1305; in BFHE 241, 175, BFH/NV 2013, 1302, m.w.N.[]
  8. BFH, Urteil vom 23.04.2009 – VI R 81/06, BFHE 225, 33, BStBl II 2012, 262[]