Negative Hinzurechnung der Verlustübernahme eines stillen Gesellschafters

Bei der Ermittlung der Summe der nach § 8 Nr. 1 GewStG 2002 (i.d.F. des UntStRefG 2008) hinzuzurechnenden Finanzierungsanteile ist auch ein Verlustanteil des stillen Gesellschafters zu berücksichtigen, soweit dieser Verlustanteil den Verlust aus Gewerbebetrieb gemindert hat1. Wird durch die Berücksichtigung des Verlustanteils die Summe der hinzuzurechnenden Finanzierungsanteile negativ, dann ist diese Summe – entgegen R 8.1 Abs. 3 Satz 3 GewStR 2009 – grundsätzlich negativ hinzuzurechnen.

Negative Hinzurechnung der Verlustübernahme eines stillen Gesellschafters

Im Fall der Verlusttragung durch einen stillen Gesellschafter sind grundsätzlich auch negative Hinzurechnungsbeträge bei der Ermittlung des Gewerbeertrags sowie des Gewerbeverlustes anzusetzen.

Soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind, werden dem Gewinn aus Gewerbebetrieb (§ 7 GewStG 2002 n.F.) unter anderem die Gewinnanteile des stillen Gesellschafters hinzugerechnet (§ 8 Nr. 1 Buchst. c GewStG 2002 n.F.). Sind daneben weitere gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. a, b und d bis f GewStG 2002 n.F. hinzuzurechnende Beträge zu berücksichtigen, dann ist aus den Einzelbeträgen eine Summe zu bilden und ein Viertel dieser Summe wird dem Gewinn aus Gewerbebetrieb wieder hinzugerechnet, soweit die Summe den Betrag von 100.000 € übersteigt.

Erzielt der Inhaber des Handelsgewerbes einen Verlust und hat sich der stille Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag -entsprechend der dispositiven gesetzlichen Regelung in § 231 HGB- zur anteiligen Verlusttragung verpflichtet, dann ist der nach einkommensteuer- oder körperschaftsteuerrechtlichen Vorschriften zu ermittelnde Gewinn aus Gewerbebetrieb zu erhöhen2. Denn solange die Einlage des Stillen nicht aufgezehrt ist (vgl. § 232 Abs. 2 HGB), führt die vereinbarte Verlustbeteiligung auf Seiten des Inhabers des Handelsgewerbes zu einem Erstattungsanspruch, also zu einem Ertrag im einkommensteuerrechtlichen Sinne3. In der Konsequenz ist der derart wirksam gewordene Verlustanteil bei der Ermittlung des Gewerbeertrages dem Gewinn als negativer Betrag hinzuzurechnen.

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Dass der Verlustanteil des stillen Gesellschafters grundsätzlich als negative Hinzurechnung die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer zu beeinflussen vermag, entsprach bereits unter der Geltung der Vorgängerfassung des Gesetzes (§ 8 Nr. 3 GewStG 2002 vor Inkrafttreten des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008) allgemeiner Auffassung. Daran hat sich nach Inkrafttreten des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008, das dem § 8 GewStG 2002 seine heutige Gestalt gab, nichts geändert4. Auch das Finanzamt im Besonderen und die Finanzverwaltung im Allgemeinen teilen diese Auffassung prinzipiell (Abschn. 50 Abs. 2 GewStR 1998; R 8.1 Abs. 3 Satz 2 GewStR 2009).

Wortlaut und Zweck der maßgeblichen Vorschriften gebieten die Berücksichtigung negativer Hinzurechnungen. Wie der Bundesfinanzhof zur vergleichbaren Problematik der Kürzung entschieden hat, führen Kürzungsbeträge nicht zwangsläufig zu einer Verminderung des Gewinns, sie können vielmehr -mit negativen Vorzeichen versehen- den Gewinn auch erhöhen5. Dies gründet darin, dass die §§ 7 bis 9 GewStG 2002 n.F. vom Rechtsanwender neben Subsumtionen und Rechtsfolgenbestimmungen auch die Durchführung zahlreicher mathematischer Rechenoperationen verlangen, weshalb im Rahmen der Wortlautinterpretation nur ein mathematisches Begriffsverständnis zu zutreffenden Erkenntnissen führen kann6. Nach den Gesetzen der Mathematik sind aber negative Zahlen (sog. nicht natürliche Zahlen) ohne Weiteres addier- und subtrahierbar, können also hinzugerechnet oder gekürzt werden und der Gewinn bzw. der gleichfalls von § 7 Satz 1 GewStG 2002 n.F. erfasste Verlust aus Gewerbebetrieb kann in diesem Sinne auch durch negative Hinzurechnungs- oder Kürzungsbeträge vermehrt oder vermindert werden7. Die Begriffe „Betrag“ und „Summe“ sind ohnehin neutral und erfassen Zahlen aus dem gesamten Zahlenraum.

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Der Zweck der Hinzurechnungstatbestände, den objektivierten Ertrag des Gewerbebetriebs unabhängig von der Art und Weise des für die Kapitalausstattung zu entrichtenden Entgelts zu ermitteln8, gebietet es ebenfalls, die Verlustanteile des Stillen zu berücksichtigen (Abschn. 50 Abs. 2 GewStR 1998)9.

Wird die in § 8 Nr. 1 GewStG 2002 n.F. in einer Zwischenrechnung auszuwerfende Summe der Einzelhinzurechnungsbeträge -insbesondere wegen eines hohen Verlustanteils des stillen Gesellschafters- insgesamt negativ, dann ist grundsätzlich eine negative Hinzurechnung geboten (a.A. R 8.1 Abs. 3 Satz 3 GewStR 2009)10. Das ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

Es ist nicht ersichtlich, warum die negative Hinzurechnung des Verlustanteils des stillen Gesellschafters nach § 8 Nr. 1 Buchst. c GewStG 2002 n.F. nur dann steuerliche Folgen auslösen sollte, wenn sich nach Verrechnung mit ausreichend hohen positiven Hinzurechnungsbeträgen nach § 8 Nr. 1 Buchst. a, b, d, e und f GewStG 2002 n.F. noch ein positiver Saldo ergibt (so R 8.1 Abs. 3 Satz 3 GewStR 2009). Die vom Gesetzeszweck zwingend gebotene negative Hinzurechnung des Verlustanteils hängt nicht von der Existenz positiver Hinzurechnungsbeträge ab, sondern muss auch dann Platz greifen, wenn -in einem eher theoretischen Fall- ausschließlich eine Hinzurechnung gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. c GewStG 2002 n.F. zu beurteilen ist. Der Wortlaut des Gesetzes verlangt die Existenz weiterer positiver Hinzurechnungsbeträge ebenfalls nicht. Bei einem mathematischen Begriffsverständnis kann eine „Summe“ auch auf einen Betrag kleiner als Null lauten. Diese negative Summe ist auch ohne Weiteres mit der Bruchzahl 1/4 multiplizierbar (vgl. Einleitungssatz zur Nr. 1 des § 8 GewStG 2002 n.F.).

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Auch die gesetzliche Formulierung „den Betrag von 100.000 € übersteigt“ ist nicht zwingend dahin zu verstehen, dass damit ausschließlich ein mit einem positiven Vorzeichen versehener Betrag gemeint wäre. Zwar könnte das ausdrückliche Abstellen (nur) auf einen positiven Wert für die Aufgriffsgrenze von 100.000 € indizieren, dass der Gesetzgeber tatsächlich beabsichtigte, negative Beträge von vornherein unberücksichtigt zu belassen. Doch ergibt die Zusammenschau mit den anderen Begriffen, die die gesetzlich gebotene Rechenoperation beschreiben, dass wahlweise negative oder positive Vorzeichen nach Maßgabe der mathematischen Gesetze vor die entsprechenden Zahlen und Summen zu setzen sind. Im mathematischen Sprachgebrauch kann ein Betrag aber auch die Zahl ./. 100.000 € unterschreiten oder übersteigen. Von daher ist es näherliegend anzunehmen, dass der Gesetzgeber an den eher seltenen Fall der negativen Hinzurechnung nicht gedacht und er seine Formulierungen mit Blick auf den typischen Fall einer belastenden Anwendung des § 8 GewStG gewählt hat.

Ob die Betragsgrenze von 100.000 € im Falle einer negativen Summe der -positiven und negativen- Einzelhinzurechnungsbeträge spiegelbildlich mit der Folge anzuwenden ist, dass bei einer Summe der Einzelhinzurechnungsbeträge in der Spanne von ./. 1 € und ./. 100.000 € eine Hinzurechnung gemäß § 8 Nr. 1 GewStG 2002 n.F. ganz unterbleibt und bei höheren negativen Summen nur 1/4 des ./. 100.000 € übersteigenden Betrags negativ hinzuzurechnen ist, muss im Streitfall nicht entschieden werden. Denn eine solche spiegelbildliche Anwendung der 100.000 €-Grenze geht zu Lasten des Steuerpflichtigen und die Klägerin hat bei ihrem Klageantrag diese für sie ungünstige Konsequenz bereits rechnerisch berücksichtigt, wie nachfolgend unter 3. zu zeigen sein wird. Deshalb und weil die Klägerin das vorinstanzliche Urteil nicht mit einer Revision angefochten hat, könnte ihr selbst im Falle der Unanwendbarkeit der 100.000 €-Grenze ohne Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 3 FGO kein zusätzlicher negativer Hinzurechnungsbetrag zugesprochen werden.

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Bundesfinanzhof, Urteil vom 1. Oktober 2015 – I R 4/14

  1. Bestätigung von R 8.1 Abs. 3 Satz 2 GewStR 2009[]
  2. vgl. Blümich/Hofmeister, § 8 GewStG Rz 192 mit einem Beispiel für eine solche Konstellation[]
  3. Deloitte/Clemens, GewStG, § 8 Nr. 1c Rz 41[]
  4. vgl. Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, 8. Aufl., § 8 Nr. 1c Rz 19; Schuster in Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 8 Nr. 3 Rz 35; Köster, ebenda, § 8 Nr. 1 Buchst. a Rz 9; Schnitter in Frotscher/Maas, § 8 GewStG Rz 170 und 172; Deloitte/Clemens, a.a.O., § 8 Nr. 1c Rz 41; Ettinger/Sailer Khuepach in Bergemann/Wingler, GewStG, § 8 Rz 195 und 202; im Grundsatz gl.A. auch Blümich/Hofmeister, § 8 GewStG Rz 191[]
  5. BFH, Urteile vom 21.04.1971 – I R 200/67, BFHE 102, 524, BStBl II 1971, 743; vom 10.07.1974 – I R 248/71, BFHE 113, 242, BStBl II 1974, 752[]
  6. vgl. BFH, Urteil in BFHE 102, 524, BStBl II 1971, 743[]
  7. vgl. den Wortlaut des § 7 Satz 1 GewStG 2002 n.F.[]
  8. vgl. BT-Drs. 16/4841, 78; vgl. auch BFH, Urteil vom 04.06.2014 – I R 70/12, BFHE 246, 67, BStBl II 2015, 289; Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 13.05.1969 1 BvR 25/65, BVerfGE 26, 1[]
  9. z.B. Schuster, a.a.O.; Schnitter, a.a.O.; Blümich/Hofmeister, a.a.O.[]
  10. Blümich/Hofmeister, § 8 GewStG Rz 192[]