Solidaritätszuschlag – und der Steuerermäßigungsbetrag für gewerbliche Einkünfte

Der Grundsatz der steuerlichen Lastengleichheit des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet es nach Ansicht des Finanzgerichts Baden-Württemberg nicht, dass der Steuerermäßigungsbetrag des § 35 EStG für Zwecke der Festsetzung des Solidaritätszuschlags nach der Summe aller positiven Einkünfte ermittelt wird.

Solidaritätszuschlag – und der Steuerermäßigungsbetrag für gewerbliche Einkünfte

§ 35 EStG in der Fassung ab 2008 ist nach Ansicht des Finanzgerichts Baden-Württemberg verfassungsgemäß.

Die Nichtberücksichtigung der Steuerermäßigung nach § 35 EStG bei anderen als den in der Vorschrift genannten Steuerpflichtigen ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

So hat der BFH bereits entschieden, dass die Beschränkung der Steuerermäßigung des § 35 EStG 2007 auf gewerbliche Einkünfte von Einzelunternehmern und Mitunternehmern Art. 3 Abs. 1 GG nicht verletze und die damit verbundene Ungleichbehandlung dieser Einkünfte durch das mit der Einführung der Steuerermäßigung verfolgte Ziel der Entlastung von Personengesellschaften und Einzelunternehmen gerechtfertigt sei1.

Für die Zeit ab dem Veranlagungszeitraum 2008 sei die Möglichkeit einer Überkompensation zudem vollständig beseitigt worden2. Der Abzug des Steuerermäßigungsbetrags wurde auf die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer beschränkt (§ 35 Abs. 1 Satz 5 EStG in der für 2008 geltenden Fassung), die Gewerbesteuer ist nicht mehr als Betriebsausgabe abziehbar (§ 4 Abs. 5b, § 52 Abs. 12 Satz 7 EStG 2008).

Auch an der Verfassungsmäßigkeit der Berechnung des Solidaritätszuschlags bestehen im Streitfall für das Finanzgericht Baden-Württemberg keine Bedenken.

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Der Solidaritätszuschlag wird von allen einkommensteuerpflichtigen natürlichen Personen und körperschaftsteuerpflichtigen Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen (vgl. § 2 SolZG) gleichermaßen erhoben. Eine Ungleichbehandlung von Personengruppen liegt insoweit nicht vor. Da der Zuschlag mit 5, 5 % der Bemessungsgrundlage festgesetzt wird (vgl. § 4 Satz 1 SolZG), ergeben sich zwar für die Steuerpflichtigen abhängig von ihrem Einkommen und damit von ihrer Leistungsfähigkeit unterschiedliche Belastungen. Die stärkere Belastung höherer Einkommen ist aber verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, soweit beim betroffenen Steuerpflichtigen -wie im Streitfall bei den Klägern – nach Abzug der Steuerbelastung ein hohes frei verfügbares Einkommen bleibt, das die Privatnützigkeit des Einkommens sichtbar macht3.

Nach § 1 Abs. 5 Satz 1 SolZG kann mit einem Rechtsbehelf gegen den Solidaritätszuschlag auch weder die Bemessungsgrundlage noch die Höhe des zu versteuernden Einkommens angegriffen werden. Der Bescheid über die Einkommensteuer ist insoweit Grundlagenbescheid für die Festsetzung des Solidaritätszuschlags4.

Nichts anderes gilt für die mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2008 geltende Neufassung des § 35 EStG.

Das Finanzgericht Baden-Württemberg folgt den geäußerten Bedenken im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlags nicht.

Für die Rechtslage vor dem Streitjahr 2008 hat der BFH bereits ausgeführt, dass die Beschränkung der Steuerermäßigung des § 35 EStG 2005 auf gewerbliche Einkünfte Art. 3 Abs. 1 GG nicht verletze. Die damit verbundene Ungleichbehandlung von Einkünften aus Gewerbebetrieb gegenüber anderen Einkunftsarten sei durch die Kompensation der Zusatzbelastung aufgrund der Gewerbesteuer und das mit der Einführung der Steuerermäßigung verfolgte Ziel der Entlastung von Personengesellschaften und Einzelunternehmen gerechtfertigt. Dies gelte nicht nur in Bezug auf die Minderung der Einkommensteuer, sondern auch hinsichtlich der daran anknüpfenden Minderung der Bemessungsgrundlage für den Solidaritätszuschlag1.

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Soweit insoweit zur Stützung der gegenteiligen Rechtsauffassung auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21.06.20065 verwiesen wird, vermag das Finanzgericht dem nicht zu folgen. Zum einen ist dieser Beschluss zu § 32c EStG ergangen. Jedenfalls aber wird dort auch ausgeführt, der Steuergesetzgeber sei grundsätzlich nicht gehindert, nichtfiskalische Förderungs- und Lenkungsziele aus Gründen des Gemeinwohls zu verfolgen.Die Ungleichbehandlung der durch § 32c EStG entlasteten Steuerpflichtigen im Verhältnis zu den Beziehern nicht gewerblicher Einkünfte finde ihre Rechtfertigung in dem Anliegen, Zusatzbelastungen durch die Gewerbesteuer zu kompensieren, sowie in dem dem Standortsicherungsgesetz zugrunde liegenden Konzept wirtschaftspolitischer Förderungs- und Lenkungszwecke. Auch sei diese Ungleichbehandlung vor dem Hintergrund der geringen Zahl der Gewerbetreibenden, bei denen durch die Anwendung des § 32c EStG ein Gesamtbelastungsvorteil (Einkommen- und Gewerbesteuer) gegenüber der Einkommensteuerbelastung der übrigen Einkünfte allenfalls eingetreten sein könnte, aufgrund der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers hinzunehmen und die weiteren, auf die Standortsicherung bezogenen gesetzgeberischen Ziele geeignet, den Typisierungsspielraum des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung einer Regelung, die die Zusatzbelastung bei der Gewerbesteuer hoher gewerblicher Einkünfte berücksichtigen soll, zu erweitern.

Im Übrigen schließt die derzeitige Erhebung des Solidaritätszuschlags Gewerbetreibende auch nicht von der Erhebung der Abgabe aus. Für diese gilt vielmehr der gleiche Berechnungsmodus wie für alle anderen Steuerpflichtigen auch.

Auch die vor dem Hintergrund der früheren Rechtslage in einigen Fällen mögliche Überkompensation war eine Folge der gesetzlichen Typisierung, die aber wegen ihrer Größenordnung und der Intention des Gesetzgebers verfassungsrechtlich zulässig war. Eine Überentlastung konnte nur bei einer überschaubaren Anzahl von Gewerbetreibenden eintreten1.

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Nichts anderes gilt – erst recht – für die Erhebung des Solidaritätszuschlags in der Gesetzesfassung ab 2008.

Nachdem der Gesetzgeber die im Rahmen des § 35 EStG a.F. denkbare Überkompensationsmöglichkeit abgeschafft hat, mag sich zwar im Rahmen einer Kontrollrechnung unter Berücksichtigung eines fiktiven Anrechnungsbetrages eine höhere Solidaritätszuschlagsbelastung der Kläger als anderer Steuerpflichtiger erheben. Dies ist aber nicht Folge einer verfassungsrechtlich zu beanstanden Ungleichbehandlung aufgrund der Vorschriften des Solidaritätszuschlagsgesetzes, sondern folgt zwingend aus der – verfassungsgemäßen, s.o. – Höhe der festgesetzten Einkommensteuer als Bemessungsgrundlage des Solidaritätszuschlags und hält sich nach Überzeugung des Finanzgerichts jedenfalls im Rahmen des dem Gesetzgeber zustehenden Gestaltungs- und Pauschalierungsermessens.

Soweit das Niedersächsische Finanzgericht6 dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt hat, ob das Solidaritätszuschlaggesetz 1995 im Veranlagungszeitraum 2007 verfassungswidrig sei, vermag dieser Beschluss nicht auf die Behandlung des vorliegenden Verfahrens „durchzuschlagen“ Dieser Beschluss ist zur Rechtslage bis 2007 ergangen. Er kann somit nicht auf die hier vorliegende geänderte Rechtslage übertragen werden. Das Finanzgericht teilt zudem – wie ausgeführt – die verfassungsrechtliche Einschätzung des vorlegenden Gerichts nicht.

Das Finanzgericht Baden-Württemberg weist abschließend darauf hin, dass – selbst wenn unterstellt würde, die derzeitige Anrechnung der Gewerbesteuer gem. § 35 EStG und als Folge dessen die Höhe des Solidaritätszuschlags seien verfassungswidrig – die betroffenen Steuerpflichtigen vor dem Hintergrund des Rechtsstaats- und Gewaltenteilungsprinzips des Art.20 Abs. 3 GG gleichwohl nicht eine Erweiterung der – dann verfassungswidrigen – Rechtslage auf sich selbst verlangen könnten, sondern allenfalls die Beseitigung des aus ihrer Sicht verfassungswidrigen Zustands im Hinblick auf andere – begünstigte – Steuerpflichtige. Hierfür ist aber weder ein Rechtsschutzbedürfnis erkennbar noch würde ein solcher Antrag den Steuerpflichtigen im vorliegenden Fall zu dem begehrten Ziel – der Minderung des festgesetzten Solidaritätszuschlags – verhelfen können.

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Finanzgericht Baden -Württemberg, Urteil vom 26. Juni 2014 – 12 K 1045/13

  1. BFH, Urteil vom 21.07.2011 – II R 52/10, BStBl II 2012, 43[][][]
  2. BFH, Urteil vom 21.07.2011 – II R 50/09, BFH/NV 2011, 1685 m. w. Nachw.[]
  3. vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.01.2006 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97[]
  4. vgl. BFH, Urteil vom 27.01.2011 – III R 90/07, BStBl II 2011, 543[]
  5. BVerfG, Beschluss vom 21.06.2006 – 2 BvL 2/99, BGBl I 2006, 1857[]
  6. Nds. FG, Vorlagebeschluss vom 21.08.2013 – 7 K 143/08, Az. des BVerfG: 2 BvL 6/14[]