Opfergrenze für Unterhaltszahlungen – und das vorhandene Vermögen

Einsatzfähiges, nicht nur geringes Vermögen des Unterhaltsverpflichteten ist bei der Berechnung der Opfergrenze für Unterhaltszahlungen an die Kinder mit einzubeziehen.

Opfergrenze für Unterhaltszahlungen – und das vorhandene Vermögen

Erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen für den Unterhalt einer dem Steuerpflichtigen oder seinem Ehegatten gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Person, so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass die Aufwendungen bis zu 8.004 € im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden.

Die von § 33 a Abs. 1 EStG vorausgesetzte gesetzliche Unterhaltsberechtigung richtet sich nach dem Zivilrecht. Gesetzlich unterhaltsberechtigt sind damit diejenigen Personen, denen gegenüber der Steuerpflichtige unterhaltsverpflichtet ist. Hierunter fallen nach § 1601 BGB auch Kinder (hier: die beiden Söhne) als Verwandte in gerade Linie. Nach der sogenannten konkreten Betrachtungsweise setzt die Abziehbarkeit von Leistungen des Steuerpflichtigen an dem Grunde nach unterhaltsberechtigte Personen zudem voraus, dass die unterhaltene Person bedürftig ist (§ 1602 BGB; BFH, Urteil vom 05.05.2010 – VI R 29/09, BStBl II 2011, 116). Darüber hinaus ist § 1603 BGB zu beachten. Nach dieser Vorschrift ist nicht unterhaltspflichtig, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, den Unterhalt zu gewähren. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH können daher Unterhaltsleistungen im Allgemeinen nur dann als zwangsläufig und folglich als außergewöhnliche Belastungen anerkannt werden, wenn sie in einem angemessenen Verhältnis zum Nettoeinkommen des Leistenden stehen und diesem nach Abzug der Unterhaltsleistungen noch die angemessenen Mittel zur Bestreitung des Lebensbedarfs verbleiben1. Die Opfergrenze ist lediglich auf Ehegatten und minderjährige Kinder, mit denen der Steuerpflichtige alle ihm verfügbaren Mittel teilen muss, sowie bei einer bestehenden Haushaltsgemeinschaft mit der unterhaltenen Person nicht anzuwenden2.

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Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die beiden Kinder des Klägers gemäß § 1601 BGB im Streitjahr 2012 dem Grunde nach zum Unterhalt berechtigt waren. Über eigene Einkünfte und Bezüge oder eigenes Vermögen verfügten die beiden Kinder nicht, waren daher auch nach § 1602 BGB bzw. § 33 a Abs. 1 Satz 4 EStG bedürftig. Zwar hat der Beklagte bei der Berechnung der sogenannten Opfergrenze die verschiedenen Einkünfte der Eheleute und auch die in Abzug zu bringenden Aufwendungen insbesondere für die im Streitjahr 2012 erfolgten Zahlungen der verschiedenen Steuerschulden nach den Vorgaben aus dem Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 07.06.20103 korrekt berücksichtigt. Im Streitfall ergeben sich allerdings gegen die Berechnungen des Beklagten insoweit Bedenken, als die Ehefrau gegenüber ihren beiden Stiefsöhnen nicht gesetzlich zum Unterhalt verpflichtet war. Deshalb sind zumindest ihre Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 23.105 €, ihre Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von 2.934 €, das von ihr bezogene Kindergeld von 1.104 € aus der Berechnung auszuklammern. Selbst wenn man die Aufwendungen, die der Beklagte bei der Ermittlung der Opfergrenze von den Einkünften abgezogen hat, ausschließlich dem Kläger zurechnet, war der Kläger leistungsfähig gewesen, weil er zur Abdeckung der gemeinsamen Steuerschulden nach dem glaubhaften und nicht widersprochenen Vortrag des Klägers von ihm angesparte Mittel in Höhe von etwa 410.000 € eingesetzt hat.

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Gemäß § 1603 Abs. 1 BGB ist mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. Dabei kommt es auf das Vermögen und die Einkünfte des Unterhaltsverpflichteten an4. Ein Unterhaltsverpflichteter hat zum Unterhalt vornehmlich die Erträge seines Vermögens heranzuziehen, muss aber u. U. nach der Rechtsprechung der Zivilgerichte auch den Vermögensstamm angreifen. So muss z. B. eventuell auch Kapitalvermögen durch die Veräußerung einer Immobilie zur Befriedigung des Unterhaltsanspruchs verwendet werden. Entsprechend der Anerkennung von Schonvermögen im Sozialhilferecht wird auch im Unterhaltsrecht bis zu einem gewissen Grad vorhandenes Vermögen nicht herangezogen, dass zur Bildung von Rücklagen für unvorhergesehene Ausgaben bestimmt ist bzw. das aus Gründen der Unzumutbarkeit unberücksichtigt bleibt5.

In der finanzgerichtlichen Rechtsprechung wurde die Problematik des Einsatzes von eigenem Vermögen zur Befriedigung eines Unterhaltsanspruchs noch nicht abschließend geklärt. Der Bundeesfinanzhof hat in seinem Urteil vom 04.04.19866 diese Frage hinsichtlich einer Einbeziehung von Abhebungen von einem Sparbuch eines Unterhaltsverpflichteten nur dahingehend beantwortet, dass eine derartige Einbeziehung jedenfalls dann nicht geboten ist, wenn der Unterhaltsverpflichtete nur über ein geringes Vermögen verfügt. Begründet wurde dieses Ergebnis mit einer systematischen Auslegung des § 33 a Abs. 1 Satz 1 EStG im Vergleich zu § 33 a Abs. 1 Satz 4 EStG, aus dem sich ergebe, dass der Unterhaltsberechtigte auch nicht verpflichtet werden könne, eigenes geringes Vermögen zur Bestreitung seines Lebensunterhalts einzusetzen. Stellt man dagegen insgesamt auf eine Gleichstellung von Unterhaltsberechtigtem und Unterhaltsverpflichtetem ab und berücksichtigt man, dass nach § 33 a Abs. 1 Satz 4 EStG der Unterhaltsberechtigte auch sein eigenes nicht nur geringfügiges Vermögen einzusetzen hat mit der Folge der fehlenden Unterhaltsbedürftigkeit, so ergibt sich für den Unterhaltsverpflichteten eine gleichlautende Verpflichtung mit der Folge, dass sich sein Nettoeinkommen entsprechend erhöhen muss. Im Streitfall erscheint dem Finanzgericht die Einbeziehung der „Steuerrücklage“ des Klägers in Höhe von 410.000 € gerade wegen ihrer Funktion und ihrer bestimmungsgemäßen Auflösung im Streitjahr, die der Kläger glaubhaft dargelegt hat, geboten.

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Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 19. Februar 2015 – 16 K 10187/147

  1. BFH, Urteil vom 17.11.2009 – VI R 64/08, BStBl II 2010, 343[]
  2. BFH, Urteil vom 28.03.2012 – VI R 31/11, BStBl II 2012, 769[]
  3. BStBl I S. 582[]
  4. BFH, Urteil vom 06.02.2014 – VI R 34/12, BFH/NV 2014, 1251 = Juris Rdnr. 16[]
  5. vgl. zusammenfassend Brudermüller, in: Palandt, BGB, 73. Aufl.2014, § 1603 Rdnr. 3[]
  6. BFH, Urteil vom 04.04.1986 – III R 19/85, BStBl II 1987, 127[]
  7. nicht rechtskräftig – Revision zum BFH – VI R 21/15[]