Latente Schäden als Nachlassverbindlichkeit

Aufwendungen zur Beseitigung eines Ölschadens sind nicht steuermindernd als Nachlassverbindlichkeiten zu berücksichtigen.

Latente Schäden als Nachlassverbindlichkeit

In dem hier vom Finanzgericht Münster entschiedenen Fall beerbte der Kläger neben weiteren Erben zu 1/3 seinen Onkel. Zum Nachlass gehörte ein Grundstück, das mit einem Zweifamilienhaus bebaut war, in dem der Onkel eine Wohnung selbst bewohnt und die andere vermietet hatte. Das Haus wurde mit einer Ölheizung betankt. Noch zu Lebzeiten hatte der Onkel des Klägers Heizöl bezogen, das aufgrund einer veränderten Ölqualität zu einer Verschmutzung der Heizölanlage führte, wodurch das Öl nicht mehr richtig angesaugt werden konnte. Dies hatte zur Folge, dass sich das Öl zuerst in einem Tank sammelte und dann austrat und zentimeterhoch im Ölauffangraum stand. Erst nach dem Tod des Onkels wurde der Ölaustritt bemerkt und eine Fachfirma von den Erben mit der Schadensbeseitigung beauftragt. Die Kosten hierfür machte der Kläger zu 1/3 in seiner Erbschaftsteuererklärung als Nachlassverbindlichkeit geltend. Das Finanzamt lehnte die steuerliche Berücksichtigung ab. Das Finanzgericht Münster teilte diese Auffassung des Finanzamts und wies die Klage ab:

Als Nachlassverbindlichkeiten seien, so das Finanzgericht in seinen Urteilsgründen, nur solche Schulden abzugsfähig, die im Zeitpunkt des Erbfalls schon in der Person des Erblassers durch gesetzliche, vertragliche und außervertragliche Verpflichtungen begründet seien. Außerdem sei erforderlich, dass die Verbindlichkeiten den Erblasser im Zeitpunkt des Todes wirtschaftlich belastet haben, er also davon ausgehen musste, die Verpflichtungen unter normalen Umständen selbst erfüllen zu müssen. Der Umstand, dass der Onkel des Klägers im Streitfall durch den Einkauf von ungeeignetem Öl nur die Ursache für die zur Schadensbeseitigung erforderlichen Aufwendungen gesetzt habe, reiche dementsprechend für den Abzug der Aufwendungen als Nachlassverbindlichkeiten nicht aus. Der Onkel des Klägers sei nicht behördlich zur Beseitigung des Ölschadens aufgefordert worden. Da der Ölschaden erst nach dem Tod des Onkels bemerkt worden sei, habe dieser auch nicht zu Lebzeiten mit einer vertraglichen Inanspruchnahme durch seine Mieter rechnen müssen.

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Nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbSt sind die vom Erblasser herrührenden Schulden (§ 1967 Abs. 2 BGB) als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig. Es handelt sich um die sog. Erblasserschulden, also im Zeitpunkt des Erbfalls schon in der Person des Erblassers begründete gesetzliche, vertragliche und außervertragliche Verpflichtungen, auch wenn die Folgen erst nach dem Erbfall eintreten1. Für den Abzug als Nachlassverbindlichkeit gem. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG ist weiter erforderlich, dass die Verbindlichkeiten neben ihrem rechtlichen Bestand den Erblasser im Zeitpunkt des Todes wirtschaftlich belastet haben, er also davon ausgehen musste, die Verpflichtungen unter normalen Umständen selbst erfüllen zu müssen2. Aufwendungen zur Beseitigung von Mängeln oder zum Abbruch eines Gebäudes können nur dann als Erblasserschulden berücksichtigt werden, wenn der Erblasser dazu bereits zu Lebzeiten aufgrund einer bestehenden öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Verpflichtung tätig werden musste3.

Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechungsgrundsätze kommt ein Abzug der vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen als Nachlassverbindlichkeiten nicht in Betracht. Denn allein die Tatsache, dass der Erblasser durch den Einkauf von für seine Heizungsanlage nicht geeignetem Öl die Ursache für den späteren Austritt des Öls und damit für die zur Schadensbeseitigung erforderlichen Aufwendungen gesetzt hat, reicht danach für den Abzug der Aufwendungen als Nachlassverbindlichkeiten nicht aus. Das Finanzgericht kann nämlich eine Verpflichtung bereits des Erblassers zur Beseitigung des Öls nicht feststellen.

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So ist unstreitig keine öffentlich-rechtliche Aufforderung zur Entfernung des Öls ergangen.

Ebenso wenig kann das Finanzgericht eine privatrechtliche Verpflichtung des Erblassers gegenüber der im Objekt A-Straße wohnenden Mieterin feststellen. Grundsätzlich war der Erblasser gegenüber der Mieterin verpflichtet, ihr die Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten und mängelfreien Zustand zu überlassen (§§ 535, 536 BGB). Mangel ist dabei eine für den Mieter nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustands der Mietsache vom vertraglich vorausgesetzten. Die Abweichung muss den vertragsgemäß vorausgesetzten, konkreten Gebrauch der Mietsache aufheben oder mindern4. Mit dem Austritt des Öls liegt danach ein Mangel vor. Insoweit ist der vertragsgemäß vorausgesetzte, konkrete Gebrauch der Mietsache gemindert. Denn der Austritt des Öls hatte sowohl eine erhebliche Geruchsbelästigung zur Folge, darüber hinaus war die Funktionsfähigkeit der Heizungsanlage beeinträchtigt. Jedoch ist der Austritt des Öls erst im Oktober 0000 und damit ein halbes Jahr nach dem Todestag des Erblassers bemerkt worden, so dass erhebliche Zweifel bestehen, ob der Mangel am Todestag selbst bereits vorlag und so Verpflichtungen des Erblassers als Vermieter zur Beseitigung entstanden waren. Jedenfalls kann nicht festgestellt werden, dass der Erblasser bereits am Todestag mit einer Inanspruchnahme rechnen musste. Es fehlt mithin an der für den Abzug als Nachlassverbindlichkeit erforderlichen wirtschaftlichen Belastung.

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Bei dieser Sachlage braucht das Finanzgericht nicht zu entscheiden, ob er in Bezug auf die Berücksichtigung latenter bzw. ungewisser Schäden und Verbindlichkeiten als Nachlassverbindlichkeiten gem. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG der für ertragsteuerliche Zwecke entwickelten Rechtsprechung zur Bildung von Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten auch im Bereich der Erbschafsteuer folgen würde, nach der der Gläubiger seine Ansprüche kennen muss oder diese Kenntnis unmittelbar bevorsteht5.

Finanzgericht Münster, Urteil vom 30. April 2015 – 3 K 900/13 Erb6

  1. vgl. Palandt/Edenhofer, Rz. 2 zu § 1967 BGB[]
  2. vgl. BFH, Beschluss vom 15.05.2009 – II B 155/08, BFH/NV 2009, 1441 m. w. N.[]
  3. vgl. BFH, Urteil vom 11.07.1990 – II R 153/87, BFH/NV 1991, 97, und Beschluss vom 19.02.2009 – II B 132/08, BFH/NV 2009, 966[]
  4. vgl. Palandt/Weidenkaff Rz. 16 zu § 536 BGB[]
  5. vgl. BFH, Urteil vom 11.12.2001 – VIII R 34/99, BFH/NV 2002, 486[]
  6. nicht rechtskräftig – Revision anhängig beim BFH – II R 333/15[]