Klagebefugnis einer Personengesellschaft – und ihre Vollbeendigung

Mit der Vollbeendigung einer Personengesellschaft entfällt auch ihre Klagebefugnis.

Klagebefugnis einer Personengesellschaft – und ihre Vollbeendigung

Im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall ist mit mit dem Ausscheiden eines der beiden Gesellschafter einer GbR dessen Anteil am Gesamthandvermögen auf den verbliebenen Gesellschafter im Wege der Anwachsung gemäß § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB ohne Liquidation übergegangen. Die nur aus diesen beiden Gesellschaftern bestehende GbR wurde damit sofort vollbeendet1.

Erlischt eine Personengesellschaft durch Vollbeendigung ohne Abwicklung, kann nach ständiger Rechtsprechung des BFH ein Gewinnfeststellungsbescheid nur noch von den früheren Gesellschaftern angefochten werden, deren Mitgliedschaft die Zeit berührt, die der anzufechtende Gewinnfeststellungsbescheid betrifft. Die Befugnis der Personengesellschaft, in Prozessstandschaft für ihre Gesellschafter Rechtsbehelfe gegen die Gewinnfeststellungsbescheide einzulegen (§ 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO), ist mit deren Vollbeendigung erloschen2. Insoweit lebt die bis zum Zeitpunkt der Vollbeendigung überlagerte Klagebefugnis der einzelnen Gesellschafter wieder auf. Die Klagebefugnis geht deshalb auch nicht auf den Gesamtrechtsnachfolger der Personengesellschaft über3.

Mit dem Erlöschen der Personengesellschaft im Wege der Anwachsung geht deren Befugnis zur Klageerhebung gegen einen Gewerbesteuermessbescheid ausschließlich auf den Gesamtrechtsnachfolger der Personengesellschaft über4. In diesem Fall gilt die Personengesellschaft auch nicht für die Dauer des Rechtsstreits über den Gewerbesteuermessbescheid weiter als steuerrechtlich existent. Zwar ist eine Personengesellschaft nach der Rechtsprechung des BFH steuerrechtlich so lange als materiell-rechtlich existent anzusehen, wie noch Steueransprüche gegen sie oder von ihr geltend gemacht werden und das Rechtsverhältnis zu den Finanzbehörden nicht endgültig abgewickelt ist5. Diese Rechtsprechung bezieht sich aber nur auf die Vollbeendigung einer Personengesellschaft durch Liquidation ohne den Eintritt einer Rechtsnachfolge. Denn nur in diesen Fällen erlischt die Steuerschuldnerschaft der Personengesellschaft -und damit deren gewerbesteuerrechtliche Rechtsfähigkeit- grundsätzlich nicht durch die zivilrechtliche Vollbeendigung der Personengesellschaft. Der Gewerbesteuermessbescheid ist in diesen Fällen weiterhin an die vollbeendete Personengesellschaft als Schuldnerin der Gewerbesteuer zu richten. Demgemäß steht auch die Klagebefugnis gegen den Gewerbesteuermessbescheid weiter dieser Personengesellschaft zu. Wächst das Vermögen der vollbeendeten Personengesellschaft hingegen beim Gesamtrechtsnachfolger an, so geht auch die Steuerschuldnerschaft betreffend die Gewerbesteuer auf den Rechtsnachfolger über. Ein Bedürfnis für eine weitere (fiktive) steuerliche Existenz der Personengesellschaft besteht in diesen Fällen daher nicht6.

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Ausgehend von diesen Grundsätzen war die Klagebefugnis der GbR im Zeitpunkt der Klageerhebung entfallen.

Der weichende Gesellschafter ist vorliegend am 31.12 2006 aus der GbR ausgeschieden, der Betrieb der GbR wurde vom verbleibenden Gesellschafter unverändert am gleichen Standort und mit dem gleichen Personal fortgeführt. Damit ist der verbleibende Gesellschafter durch Anwachsung (§ 738 Abs. 1 Satz 1 BGB) Gesamtrechtsnachfolger der GbR geworden. Ab dem 1.01.2007 stand daher beiden ehemaligen Gesellschaftern der GbR die Klagebefugnis gegen den Gewinnfeststellungsbescheid für das Streitjahr zu. Des Weiteren ist ab diesem Zeitpunkt die Steuerschuldnerschaft betreffend die Gewerbesteuer und ihr folgend die Klagebefugnis gegen den Gewerbesteuermessbescheid des Streitjahres auf den verbleibenden Gesellschafter übergegangen.

Die vorliegende Klage gegen den Gewinnfeststellungsbescheid 2004 und den Gewerbesteuermessbescheid 2004, die von der Prozessbevollmächtigten ausdrücklich namens der GbR erhoben worden ist, ist am 19.01.2007 beim Finanzgericht eingegangen. Zu diesem Zeitpunkt war die GbR aber bezüglich beider Bescheide nicht mehr klagebefugt.

Angesichts des eindeutigen Wortlauts der Klageschrift und auch der Vollmacht sieht sich der Bundesfinanzhof daran gehindert, die Klage rechtsschutzgewährend dahin auszulegen, dass sie von den beiden ehemaligen Gesellschaftern der GbR betreffend den Gewinnfeststellungsbescheid; und vom verbleibenden ehemaligen Gesellchafter als Gesamtrechtsnachfolger der GbR betreffend den Gewerbesteuermessbescheid erhoben worden ist. So wird im Rubrum des Klageschriftsatzes vom 19.01.2007 nur die GbR aufgeführt. Auch der nachfolgende Einleitungssatz lautet, dass die Klage namens der GbR erhoben wird. Ebenfalls wird in der zu den Finanzgericht-Akten gereichten Prozessvollmacht als Vollmachtgeberin nur die GbR genannt. Schließlich ist selbst in der nachfolgenden Klagebegründung vom 26.02.2007 und dem weiteren Begründungsschriftsatz vom 28.06.2007 nur von der GbR die Rede. Dies ist umso verwunderlicher, als die GbR in dem letztgenannten Schriftsatz erstmals darlegt, dass der weichende Gesellschafter zum 31.12 2006 aus der GbR ausgeschieden ist, ohne jedoch daraus die gebotenen rechtlichen Konsequenzen zu ziehen.

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Zwar hat der Bundesfinanzhof eine namens einer vollbeendeten Personengesellschaft erhobene Klage im Wege der Auslegung als eine solche der ehemaligen Gesellschafter angesehen7. Die Besonderheit des Falles lag seinerzeit aber darin, dass das Rubrum der Klage spiegelbildlich dem unzutreffenden Rubrum der Einspruchsentscheidung entsprach. Im Rubrum der Einspruchsentscheidung war die vollbeendete Personengesellschaft fehlerhaft als Inhaltsadressatin aufgeführt, obwohl dem Finanzamt bereits im Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung die Vollbeendigung der Personengesellschaft bekannt gewesen sein musste. Im Streitfall war die Einspruchsentscheidung vom 19.12 2006 aber an den richtigen Inhaltsadressaten gerichtet worden, da die GbR zum Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung noch existierte.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 22. Januar 2015 – IV R 62/11

  1. vgl. BFH, Beschluss vom 17.10.2013 – IV R 25/10, BFH/NV 2014, 170[]
  2. BFH, Urteil vom 23.04.2009 – IV R 87/05, BFH/NV 2009, 1650, und BFH, Beschluss in BFH/NV 2014, 170[]
  3. BFH, Beschluss in BFH/NV 2014, 170, m.w.N. zur Rechtsprechung[]
  4. vgl. BFH, Urteil vom 15.04.2010 – IV R 67/07, BFH/NV 2010, 1606[]
  5. BFH, Urteil vom 24.03.1987 – X R 28/80, BFHE 150, 293, BStBl II 1988, 316, und BFH, Beschluss vom 12.04.2007 – IV B 69/05, BFH/NV 2007, 1923[]
  6. vgl. BFH, Urteil in BFH/NV 2010, 1606[]
  7. BFH, Urteil vom 01.07.2004 – IV R 4/03, BFH/NV 2005, 162[]
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