Klagebegehren, Klageantrag – und der feine Unterschied

Nach § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO darf das Gericht über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. Wie sich der Vorschrift entnehmen lässt, ist zwischen Klagebegehren und Klageantrag zu unterscheiden.

Klagebegehren, Klageantrag – und der feine Unterschied

Das Gericht hat das wirkliche Klagebegehren anhand des gesamten Beteiligtenvorbringens einschließlich des Klageantrags zu ermitteln1, denn maßgebend ist das materielle Ziel der Klage und nicht dessen Formalisierung durch einen Antrag2.

Das Gericht verstößt gegen § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO, wenn es die wörtliche Fassung des Klageantrags als maßgeblich ansieht, obwohl diese dem erkennbaren Klageziel nicht entspricht3.

Im vorliegenden Fall bedeutete dies: Das Klagebegehren war auf eine betragsmäßige Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung für 2007 gerichtet. Zwar trifft es zu, dass der Kläger -ausdrücklich- die Aufhebung des Umsatzsteuerbescheids für 2007 beantragt hat. Darauf kommt es jedoch dann nicht an, wenn die Klagebegründung -wie im Streitfall- dazu im Widerspruch steht und der erkennbare Wille des Klägers -hier: ausschließlich Einwand gegen die Vorsteuerberichtigung- aus dieser Begründung hervorgeht. Das Finanzgericht konnte und musste daher die gewollte Prozesserklärung und das wahre Klagebegehren durch Auslegung unter Berücksichtigung des Inhalts der Schriftsätze ermitteln. Die Ausführungen des Klägers im Einspruchs- und Klageverfahren richteten sich ausschließlich gegen die Vorsteuerberichtigung. Unter Berücksichtigung des klägerischen Vortrags im Streitjahr steuerpflichtige Umsätze getätigt zu haben, können seine Ausführungen nur dahingehend verstanden werden, dass er eine Änderung -nicht aber die Aufhebung- der Umsatzsteuerfestsetzung begehrt hat. Andernfalls hätte das Finanzgericht die Klage kostenpflichtig „im Übrigen abweisen“ müssen.

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Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass das Finanzamt Aussetzung der Vollziehung für die gesamte Umsatzsteuerfestsetzung für 2007 gewährt haben soll. Zur Bestimmung des Klagebegehrens sind insbesondere der angefochtene Verwaltungsakt, der Antrag sowie der gesamte Inhalt der Klageschriftsätze heranzuziehen4, nicht hingegen Handlungen des Finanzamt in anderen Verfahren.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 19. August 2015 – V B 26/15

  1. BFH, Urteil vom 04.09.2008 – IV R 1/07, BFHE 222, 220, BStBl II 2009, 335, unter II. 3.a[]
  2. BFH, Beschluss vom 07.11.2007 – I B 104/07, BFH/NV 2008, 799, unter II. 1.a[]
  3. BFH, Beschluss vom 08.06.2006 – IX B 30/06, BFH/NV 2006, 1689[]
  4. Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 96 Rz 5[]