Schwimmende Anlagen

Eine auf dem Wasser schwimmende Anlage ist mangels fester Verbindung mit dem Grund und Boden und wegen fehlender Standfestigkeit bewertungsrechtlich kein Gebäude.

Schwimmende Anlagen

Der jetzt vom Bundesfinanzhof entschiedene Streitfall betraf ein Event- und Konferenzzentrum, das auf einem Kanal im Gebiet des Hamburger Hafens liegt und aus drei Schwimmkörpern und einem Pfahlbau besteht. Nach Auffassung des Finanzamts waren neben dem Pfahlbau auch die Schwimmkörper als Gebäude zu behandeln und hierfür ein Einheitswert festzustellen.

Der Bundesfinanzhof hat – ebenso wie zuvor schon das Finanzgericht Hamburg – die Gebäudeeigenschaft der Schwimmkörper verneint. Bewertungsrechtlich liegt ein Gebäude nur vor, wenn es mit dem Boden fest verbunden und standfest ist. Schwimmkörpern fehlen diese Eigenschaften. Als Folge dieser Rechtsprechung unterliegen schwimmende Anlagen nicht der Grundsteuer.

Die Schwimmkörper mit den auf ihnen ruhenden Aufbauten sind, so der Bundesfinanzhof, keine der Einheitsbewertung unterliegende Gebäude und demgemäß auch nicht in die wirtschaftliche Einheit des als Gebäude auf fremdem Grund und Boden zu behandelnden Pfahlbaus einzubeziehen.

Nach § 68 Abs. 1 Nr. 1 BewG gehören zum Grundvermögen außer dem Grund und Boden auch die Gebäude, die sonstigen Bestandteile und das Zubehör. Gemäß § 70 Abs. 3 BewG gilt als Grundstück im Sinne des Bewertungsgesetzes auch ein Gebäude, das auf fremdem Grund und Boden errichtet oder in sonstigen Fällen einem anderen als dem Eigentümer des Grund und Bodens zuzurechnen ist, selbst wenn es wesentlicher Bestandteil des Grund und Bodens geworden ist.

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Bewertungsrechtlich ist ein Gebäude ein Bauwerk, das durch räumliche Umschließung Schutz gegen äußere Einflüsse gewährt, den nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen gestattet, fest mit dem Grund und Boden verbunden sowie von einiger Beständigkeit und standfest ist1.

Die feste Verbindung mit dem Boden ist zunächst dann gegeben, wenn einzelne oder durchgehende Fundamente vorhanden sind, das Bauwerk auf diese gegründet und dadurch mit dem Boden verankert ist2. Befindet sich das Bauwerk auf einem Fundament, so ist es unerheblich, ob es mit diesem fest verbunden ist3. Für die Annahme eines Fundaments genügt jede gesonderte (eigene) Einrichtung, die eine feste Verbindung des aufstehenden „Bauwerks“ mit dem Grund und Boden bewirkt4. Es reicht aus, wenn die feste Verbindung mit dem Grund und Boden durch eingerammte Holzpfähle hergestellt wird5.

Ausnahmsweise liegt eine „feste Verbindung“ auch vor, wenn das Bauwerk lediglich durch sein Eigengewicht auf dem Grundstück festgehalten wird, sofern nur dieses Eigengewicht einer Verankerung gleichwertig ist6. Soweit die Rechtsprechung für die Gebäudeeigenschaft derartiger Bauwerke ergänzend auf deren individuelle Zweckbestimmung abstellt7, setzt die Gebäudeeigenschaft jedoch unabdingbar voraus, dass das Gebäude kraft seiner Eigenschwere auf dem Grund und Boden ruht.

Nach diesen Grundsätzen erfüllt der ausschließlich auf Schwimmkörpern ruhende Teil der Anlage nicht die Merkmale eines Gebäudes.

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Einer auf dem Wasser schwimmenden Anlage fehlt die feste Verbindung mit dem Grund und Boden. Eine solche Anlage ist mit dem Boden weder durch ein Fundament oder Träger fest verbunden noch ruht sie kraft ihres Eigengewichts auf dem Grundstück und erfüllt daher nicht die Merkmale des Gebäudebegriffs8.

Entgegen der Auffassung des Finanzamt reicht es für die Gebäudeeigenschaft nicht aus, dass eine solche schwimmende Anlage aufgrund kraftschlüssiger Verbindungen durch Dalbenschlösser „mittelbar“ fest mit dem Grund und Boden verbunden ist. Derartige Verbindungen vermitteln lediglich- eine positionsgenaue horizontale „Ortsfestigkeit“ der Anlage, weil die Bewegung des Wassers keine Veränderung des Standorts herbeiführen kann. Sie bewirken jedoch nicht, dass die Anlage kraft ihrer Eigenschwere auf dem Boden ruht. Hierbei sind die für das Fehlen einer unmittelbaren Verbindung mit dem Boden maßgebenden (technischen) Gründe unerheblich. Es kommt insbesondere nicht darauf an, dass wie das Finanzamt vorträgt- eine noch festere Verbindung mit dem Grund und Boden mit der zur Bauzeit zur Verfügung stehenden Technik nicht möglich ist. Hiernach können weder die „gewisse Ortsfestigkeit“ der Anlage noch ihr äußeres Erscheinungsbild und ihre äußere und innere Beschaffenheit und auch nicht ihre Nutzungsdauer, das Vorhandensein ortsfester Versorgungseinrichtungen (Strom, Wasser, Sielanschluss) sowie ihre bauordnungsrechtliche Behandlung je für sich allein oder in ihrer Zusammenschau eine bewertungsrechtliche Beurteilung als Gebäude begründen9. Für den Gebäudebegriff ist es schließlich auch ohne Bedeutung, dass die Anlage gemäß § 2 Nr. 12 HfVerkO HA als sog. Lieger mit Ausnahme des Falls der Überführung- nicht als Fahrzeug behandelt wird.

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Auch dem Vorbringen des Finanzamt, die Gebäudeeigenschaft sei unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung zu bejahen, kann nicht gefolgt werden. Aus Gründen der Rechtssicherheit und der für den Gebäudebegriff allein maßgebenden objektiven Merkmale kann ein Bauwerk, das nicht sämtliche Merkmale eines Gebäudes aufweist, nicht auf der Grundlage einer Verkehrsanschauung als Gebäude erfasst werden10.

Eine auf dem Wasser schwimmende Anlage erfüllt überdies nicht die Anforderungen der für ein Gebäude erforderlichen Standfestigkeit. Fehlt einem Bauwerk wie hier- schon die feste Verbindung mit dem Grund und Boden, erfüllt es auch von vornherein nicht die Anforderungen der Standfestigkeit. Bei einem schwimmenden Bauwerk kann die Standfestigkeit bei einer fehlenden festen Verbindung mit dem Boden auch nicht durch eine Konstruktion bewirkt werden, die die Kippstabilität sowie einen hinreichenden Schutz gegen Tidenhub, Eis und Treibgut gewährleistet.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 26. Oktober 2011 – II R 27/10

  1. BFH, Urteile vom 27.11.1991 – II R 12/89, BFHE 166, 387, BStBl II 1992, 298; vom 25.04.1996 – III R 47/93, BFHE 180, 506, BStBl II 1996, 613; vom 15.06.2005 – II R 67/04, BFHE 210, 52, BStBl II 2005, 688; vom 09.07.2009 – II R 7/08, BFH/NV 2009, 1609, ständige Rechtsprechung[]
  2. BFH, Urteil vom 10.06.1988 – III R 65/84, BFHE 154, 143, BStBl II 1988, 847, m.w.N.[]
  3. vgl. BFH, Urteile vom 03.03.1954 – II 44/53 U, BFHE 58, 575, BStBl III 1954, 130; vom 18.06.1986 – II R 222/83, BFHE 147, 262, BStBl II 1986, 787, und in BFHE 154, 143, BStBl II 1988, 847[]
  4. BFH, Urteil in BFHE 154, 143, BStBl II 1988, 847[]
  5. BFH, Urteil vom 21.02.1973 – II R 140/67, BFHE 109, 156, BStBl II 1973, 507[]
  6. BFH, Urteil vom 23.09.1988 – III R 67/85, BFHE 155, 228, BStBl II 1989, 113 für einen auf lose verlegten Kanthölzern aufgestellten Container; BFH, Urteil vom 04.10.1978 – II R 15/77, BFHE 126, 481, BStBl II 1979, 190 für eine Fertiggarage aus Beton[]
  7. z.B. BFH, Urteil in BFHE 180, 506, BStBl II 1996, 613 m.w.N.[]
  8. vgl. – auch zum grunderwerbsteuerrechtlichen Grundstücksbegriff – Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 9. Aufl., § 2 Rz 28[]
  9. a.A. Gürsching/Stenger, Bewertungsrecht, § 68 BewG Rz 66[]
  10. BFH, Urteil vom 13.06.1969 – III R 132/67, BFHE 96, 365, BStBl II 1969, 612; ebenso Gürsching/Stenger, a.a.O., § 68 Rz 27[]
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