Auslieferung nach Russland

Im Auslieferungsverfahren haben deutsche Gerichte zu prüfen, ob die Auslieferung und die ihr zugrundeliegenden Akte des ersuchenden Staates mit dem nach Art. 25 GG in der Bundesrepublik Deutschland verbindlichen völkerrechtlichen Mindeststandard und den unabdingbaren verfassungsrechtlichen Grundsätzen vereinbar sind1.

Auslieferung nach Russland

Zu den unabdingbaren Grundsätzen der deutschen verfassungsrechtlichen Ordnung zählt wegen Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG, dass eine angedrohte oder verhängte Strafe nicht grausam, unmenschlich oder erniedrigend sein darf. Die zuständigen Organe der Bundesrepublik Deutschland sind deshalb gehindert, an der Auslieferung eines Verfolgten mitzuwirken, wenn dieser eine solche Strafe zu gewärtigen oder zu verbüßen hat2.

Der Umstand, dass dem Beschwerdeführer in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (hier: Österreich), der auf Grundlage der auch für die Bundesrepublik Deutschland verbindlichen unions- und völkerrechtlichen Rahmenbedingungen Fremden Schutz gewährt, in der Vergangenheit Schutz vor einer Auslieferung in die Russische Föderation bewilligt worden ist und nach seinem nicht überprüften Vortrag auch gegenwärtig noch bewilligt wird, ist allerdings grundsätzlich ein deutlicher Anhaltspunkt dafür, dass dem Beschwerdeführer eine Behandlung drohen könnte, die seine Auslieferung unzulässig machen würde3.

Im hier entschiedenen Fall lies sich den vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen jedoch entnehmen, dass der Asylgerichtshof der Republik Österreich bei der von ihm ausgesprochenen Zuerkennung subsidiären Schutzes an den Beschwerdeführer die Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung aus politischen oder sonstigen konventionsrelevanten Motiven ausdrücklich ausgeschlossen hat. Vielmehr hat er die Gewährung subsidiären Schutzes ausschließlich mit der Befürchtung begründet, die dem Beschwerdeführer in der Russischen Föderation drohende strafrechtliche Verfolgung wegen Mordes berge die Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Diese Befürchtung hält das Oberlandesgericht München4 durch die gegenüber dem Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz nach Erlass der Entscheidung des Asylgerichtshofs erteilte Zusicherung der Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation für ausgeräumt, ohne dass dies im Ergebnis verfassungsrechtlich zu beanstanden wäre. Der Begründung der Verfassungsbeschwerde lässt sich auch nicht entnehmen, dass es im vorliegenden Fall erforderlich wäre, die noch ausstehende Entscheidung über den Asylantrag des Beschwerdeführers abzuwarten.

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Im Auslieferungsverkehr zwischen Deutschland und anderen Staaten ist dem ersuchenden Staat im Hinblick auf die Einhaltung der Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit und des Menschenrechtsschutzes grundsätzlich Vertrauen entgegenzubringen5. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind daher vom ersuchenden Staat im Auslieferungsverkehr gegebene völkerrechtlich verbindliche Zusicherungen geeignet, etwaige Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Auslieferung auszuräumen, sofern nicht im Einzelfall zu erwarten ist, dass die Zusicherung nicht eingehalten wird6; auch ist die Zusicherung der Spezialität der Strafverfolgung in der Regel als ausreichende Garantie gegen eine drohende politische Verfolgung des Auszuliefernden anzusehen7.

Vorliegend hat die Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation zugesichert, der Beschwerdeführer werde in Übereinstimmung mit Art. 3 EMRK nicht gefoltert, grausam, unmenschlich oder erniedrigend behandelt oder bestraft. Ferner hat die Generalstaatsanwaltschaft eine Garantie abgegeben, dass den Mitarbeitern der Deutschen Botschaft jederzeit die Möglichkeit gegeben werde, den Beschwerdeführer in der Vollzugsanstalt zum Zweck der Kontrolle der Einhaltung der abgegebenen Garantien zu besuchen. Diese Zusicherung ermöglicht die gebotene effektive Kontrolle der konventionskonformen Behandlung des Beschwerdeführers durch deutsche Stellen und ist daher in der Lage, etwaige Zweifel an der Einhaltung der Zusicherung zu zerstreuen.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 2. Februar 2016 – 2 BvR 2486/15

  1. vgl. BVerfGE 63, 332, 337 f.; 75, 1, 19; 108, 129, 136; 113, 154, 162; BVerfG, Beschluss vom 20.11.2014 – 2 BvR 1820/14 24[]
  2. BVerfGE 75, 1, 16 f.; 108, 129, 136 f.; 113, 154, 162; zu den daraus folgenden Aufklärungspflichten der Gerichte vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.04.2015 – 2 BvR 221/15 12 ff.; Beschluss vom 15.12 2015 – 2 BvR 2735/14 62 ff.[]
  3. vgl. BVerfGE 52, 391, 405 f.[]
  4. OLG München, Beschluss vom 26.011.2015 – 1 AR 294/15[]
  5. BVerfGE 109, 13, 35 f.; 109, 38, 61; BVerfG, Beschluss vom 15.12 2015 – 2 BvR 2735/14 68[]
  6. vgl. BVerfGE 63, 215, 224; 109, 38, 62; BVerfGK 2, 165, 172 f.; 3, 159, 165; 6, 13, 19; 6, 334, 343; 13, 128, 136; 13, 557, 561; 14, 372, 377 f.; BVerfG, Beschluss vom 20.12 2007 – 2 BvQ 51/07 27 f.; Beschluss vom 09.04.2015 – 2 BvR 221/15 17[]
  7. vgl. BVerfGE 15, 249, 251 f.; 38, 398, 402; 60, 348, 358; BVerfG, Beschluss vom 09.11.2000 – 2 BvR 1560/00, NJW 2001, S. 3111, 3112; Beschluss vom 09.04.2015 – 2 BvR 221/15 17[]
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