Besorgnis der Befangenheit aufgrund früherer Äußerungen als Ermittlungsrichter

Äußert ein beisitzender Richter, der als Ermittlungsrichter den Haftbefehl gegen die Angeklagten erlassen sowie dabei deren Untersuchungshaft angeordnet hatte, in einem Telefonat mit dem Verteidiger eines Angeklagten, in dem über die Einlegung und die Aussichten einer Haftbeschwerde in der vorliegenden Sache gesprochen worden war, u.a. „Unter uns gesagt, machen Sie sich doch nichts vor, die Drei gehören dahin, wo sie sind, und zwar ganz lange und ganz tief. Solche Leute haben in Freiheit nichts zu suchen“, so begründet dies die Besorgnis der Befangenheit.

Besorgnis der Befangenheit aufgrund früherer Äußerungen als Ermittlungsrichter

Aus Sicht der Angeklagten liegt in diesem Fall bei objektiver Beurteilung ein Grund vor, der geeignet war, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des abgelehnten Richters zu rechtfertigen (§ 24 Abs. 2 StPO). Für die Angeklagten bestand bei verständiger Würdigung des ihnen bekannten Sachverhaltes Grund zu der Annahme, der abgelehnte Richter nehme ihnen gegenüber eine innere Haltung ein, die seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann1.

Eine den Verfahrensgegenstand betreffende Vortätigkeit eines Richters ist allerdings, soweit sie nicht die Tatbestände eines Ausschlussgrundes gemäß § 22 Nr. 4 und 5, § 23 oder § 148a Abs. 2 Satz 1 StPO erfüllt, nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit des Richters im Sinne von § 24 Abs. 2 StPO zu begründen; denn eine solche Beteiligung an Vorentscheidungen im nämlichen und in damit zusammenhängenden Verfahren ist von der Strafprozessordnung und dem Gerichtsverfassungsgesetz ausdrücklich vorgesehen. Dies gilt nicht nur für die Vorbefassung mit Zwischenentscheidungen im selben Verfahren, insbesondere etwa die Mitwirkung am Eröffnungsbeschluss oder an Haftentscheidungen, sondern etwa auch die Befassung eines Richters in Verfahren gegen andere Beteiligte derselben Tat2. Anders verhält es sich lediglich bei Hinzutreten besonderer Umstände, die über die Tatsache bloßer Vorbefassung als solcher und die damit notwendig verbundenen inhaltlichen Äußerungen hinausgehen. Dies ist etwa der Fall, wenn frühere Entscheidungen unnötige und sachlich unbegründete Werturteile über einen der jetzigen Angeklagten enthalten oder wenn ein Richter sich bei oder in Verbindung mit einer Vorentscheidung in sonst unsachlicher Weise zum Nachteil des Angeklagten geäußert hat3.

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So war es hier. Die vorliegend geltend gemachten Äußerungen des im Ermittlungsverfahren gegen die Angeklagten als Haftrichter tätigen beisitzenden Richters gegenüber dem Verteidiger des Angeklagten C. sind besondere Umstände im Sinne dieser Rechtsprechung. Schon nach ihrem Inhalt bestand aus Sicht der Beschwerdeführer mit Recht die Besorgnis, der beisitzende Richter stehe ihnen (auch) im Hauptverfahren nicht unbefangen gegenüber, sondern habe sich in der Sache bereits eine endgültige, zu ihren Lasten gehende Meinung gebildet. Daran vermag im Ergebnis nichts zu ändern, dass sich die Äußerungen des Richters nach dem Anlass des Telefonats und seinem weiteren Inhalt (allein) auf die Erfolgsaussicht einer Haftbeschwerde des Angeklagten C. bezogen hatten, und zum Zeitpunkt der Ablehnung bereits geraume Zeit zurücklagen.

Das Ablehnungsgesuch durfte nach alledem nicht zurückgewiesen werden, weil die früheren Äußerungen des beisitzenden Richters den Eindruck der Voreingenommenheit hervorrufen mussten. Deshalb liegt der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO vor, der den Bundesgerichtshof dazu zwingt, das angefochtene Urteil mit den Feststellungen aufzuheben.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19. August 2014 – 3 StR 283/14

  1. vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 24 Rn. 8 mwN[]
  2. st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 09.09.1966 – 4 StR 261/66, BGHSt 21, 142; vom 10.11.1967 – 4 StR 512/66, BGHSt 21, 334, 341; und vom 27.04.1972 – 4 StR 149/72, BGHSt 24, 336, 337 sowie Beschluss vom 07.08.2012 – 1 StR 212/12, NStZ-RR 2012, 350; vgl. auch Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 24 Rn. 12 ff. mwN[]
  3. vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, Rn. 15 f.[]
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