Die Bestechlichkeit eines Schulsekretärs

Ein in einem öffentlichrechtlichen Anstellungsverhältnis stehender Schulsekretär, der nach der internen Aufgabenverteilung allein für das Bestell- und Zahlwesen einer Schule zuständig ist, ist auch dann Amtsträger im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB, wenn er nicht nach außen als Entscheidungsträger auftritt, sondern nur faktisch die Entscheidung darüber trifft, welche Bestellungen realisiert, welche Zulieferer beauftragt und dass Zahlungen angewiesen werden.

Die Bestechlichkeit eines Schulsekretärs

Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB ist, wer ohne Beamter oder Richter zu sein oder in einem sonstigen öffentlichrechtlichen Amtsverhältnis zu stehen, vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und Buchst. b StGB – dazu bestellt ist, bei einer Behörde oder sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen. Diese Voraussetzungen trafen hier auf den Schulsekretär zu.

Im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall war der Schulsekretär als Angestellter des Stadtschulamts in Frankfurt zur Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung bei einer Behörde bestellt.

Die Amtsträgereigenschaft im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB setzt zunächst eine Bestellung durch eine zuständige Stelle voraus, d.h. die bloß faktische Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben ist nicht ausreichend. Dahinter steht der Gedanke, dass dem Bestellungsakt eine Warnfunktion für den Betroffenen zukommt, die ihm die gesteigerte Verantwortung in seiner Position vor Augen führt. Eines förmlichen, öffentlichrechtlichen Bestellungsaktes bedarf es jedoch nicht; ausreichend ist insoweit entweder die Eingliederung in die Organisationsstruktur einer Behörde bzw. einer sonstigen Stelle oder aber eine über den Einzelauftrag hinausgehende längerfristige Tätigkeit bei oder für eine Behörde bzw. sonstige Stelle1.

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Beim Stadtschulamt der Stadt F. handelt es sich um eine „Behörde“, die im Bereich der Daseinsvorsorge Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt2. Liegt im Bereich der Daseinsvorsorge die Erfüllung von „Aufgaben der öffentlichen Verwaltung” vor, so sind auch die sie ermöglichenden Tätigkeiten selbst öffentliche Verwaltung; d.h. auch das staatliche Auftreten auf der Nachfragerseite zum Zwecke der Erfüllung von Aufgaben der Daseinsvorsorge stellt eine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung dar3. Entsprechend ist nicht nur der Betrieb der in Trägerschaft der Stadt F. stehenden Schule eine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung, sondern auch die den Betrieb der Schule ermöglichenden Tätigkeiten.

Der Schulsekretär war auch zur Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung bestellt. Dazu genügt es, dass er beim Stadtschulamt als Angestellter in einem öffentlichrechtlichen Anstellungsverhältnis beschäftigt war. Eines weitergehenden Bestellungsaktes bedurfte es nicht, denn schon durch seine Anstellung war der Schulsekretär längerfristig und organisatorisch in die Behördenstruktur eingegliedert. Zugleich war ihm bewusst, bei einer Behörde tätig zu sein, die ihrer gesetzlichen Zweckbestimmung gemäß Aufgaben der öffentlichen Verwaltung erfüllt4. Damit war für den Schulsekretär hinreichend deutlich erkennbar, dass mit seiner Anstellung strafbewehrte Verhaltenspflichten verbunden waren, wie sie den in einem öffentlichrechtlichen Anstellungsverhältnis bei einer Behörde beschäftigten Personen obliegen5.

Der Schulsekretär nahm im Rahmen seiner Bestellung auch selbst materiell Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahr. Dazu genügte es, dass er in Wahrnehmung seiner ihm als Schulsekretär zugewiesenen Aufgaben erheblichen Einfluss auf das Verbrauchsmittelbestellwesen der Schule hatte.

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Die Amtsträgereigenschaft setzt weiter voraus, dass der zur Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung Bestellte solche Aufgaben auch selbst wahrnehmen muss6. Mit diesem Merkmal sind Begrenzungen der Reichweite des Amtsträgerbegriffs in zwei Richtungen verbunden: Zum einen kommt es auf die tatsächliche Ausübung der Verwaltungstätigkeit an, zu deren Ausführung die Person bestellt worden ist. Diese Begrenzung ergibt sich aus der für Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c relevanten funktionalen, auf die konkrete Tätigkeit abstellenden Betrachtungsweise statt der institutionellen Anknüpfung in den Fällen des Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und Nr. 2 Buchst. b. Zum anderen führt – in Abgrenzung zu dem für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 StGB – nicht jede Tätigkeit bei einer Behörde, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung erfüllt, eine Amtsträgereigenschaft der agierenden Person herbei7. Erforderlich ist jedenfalls eine gewisse selbständige und eigenverantwortliche, wenngleich nicht unbedingt eine gehobene oder schwierige Tätigkeit8.

Rein mechanische oder nur untergeordnete Hilfstätigkeiten, wie zum Beispiel Reinigungs- oder Schreibarbeiten9 innerhalb der öffentlichen Verwaltung begründen daher keine Amtsträgereigenschaft10. Auch Dienste als Kraftfahrer genügen für die Amtsträgereigenschaft nicht11. Solche Beschäftigte können nur dann, wenn sie für den öffentlichen Dienst gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 4 StGB besonders verpflichtet wurden, Täter der §§ 331 ff. StGB sein.

Erforderlich ist vielmehr, dass der Betroffene mit der selbstständigen Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung betraut ist12 und er diese Aufgaben – wenn auch auf niedriger Ranghöhe – unmittelbar wahrnimmt13. Anhalt für eine solche eigene unmittelbare Aufgabenwahrnehmung sind das Vorhandensein eines „gewissen Entscheidungsspielraums” und die Vornahme von Verwaltungshandeln mit unmittelbarer Außenwirkung14. Die Anforderungen an den „Entscheidungsspielraum” dürfen indes nicht hoch angesetzt werden, wenn und soweit es sich um Tätigkeiten handelt, die innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmenden Behörde liegen15. Danach nimmt zwar der tatsächliche Entscheidungsträger stets Aufgaben der öffentlichen Verwaltung auch „selbst“ wahr. Doch auch derjenige, der in sonstiger Weise unmittelbar an Verwaltungsentscheidungen mitwirkt, weil er gewisse Machtbefugnisse und Einflussmöglichkeiten besitzt und im Rahmen dessen zumindest vorbereitend oder unterstützend an der Entscheidung eines anderen mitwirkt, kann diese Voraussetzung erfüllen. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn seine Tätigkeit ein „unentbehrliches Glied“ in der Kette von Verrichtungen darstellt, die letztlich zu einer bestimmten Verwaltungsentscheidung führt16. Dabei reicht es aus, dass der Betroffene im Rahmen des ihm zugewiesenen Zuständigkeitsbereichs über eine jedenfalls praktische Einflussnahmemöglichkeit verfügt; er also durch eine inhaltliche Befassung mit der jeweiligen Aufgabe allein oder zusammen mit anderen das Ergebnis der Aufgabenerfüllung mitbestimmen oder zumindest beeinflussen kann17. Ob die Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung nach außen als Verwaltungshandeln in Erscheinung tritt oder in der Öffentlichkeit als solche bemerkbar ist, ist dagegen unerheblich18; auch eine bloß beratende Tätigkeit bei der Beschaffung und Verwaltung der für eine Universitätsklinik benötigten Lebensmittel kann genügen19.

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Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs nahm der Schulsekretär selbst Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahr. Auch wenn er formal nach außen nicht als Entscheidungsträger auftrat, stand er im Rahmen der ihm zugewiesenen Aufgaben in Kontakt mit potentiellen Zulieferern von Verbrauchmaterialien, traf faktisch die Entscheidung darüber, dass Bestellungen realisiert und welche Zulieferer beauftragt wurden, wie auch darüber, dass Zahlungen angewiesen wurden. Dabei prüfte der Schulsekretär fortlaufend den Bedarf der Schule wie auch die späteren Rechnungen und bereitete die Bestellungen sowie die von ihm als rechnerisch richtig gezeichneten Zahlungsanordnungen vor.

Da der Schulsekretär demnach als Amtsträger gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB anzusehen ist, kommt es hier auf die von der Revision erörterte Frage nicht an, ob er gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 4 StGB für den öffentlichen Dienst besonders verpflichtet war. Die Frage, ob jemand besonders Verpflichteter ist, stellt sich erst, wenn feststeht, dass er nicht Amtsträger nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist20.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 13. Januar 2016 – 2 StR 148/15

  1. BGH, Urteil vom 15.05.1997 – 1 StR 233/96, BGHSt 43, 96, 105[]
  2. vgl. insoweit BGH, Urteil vom 16.07.2004 – 2 StR 486/03, NJW 2004, 3129, 3130 f.; BGH, Urteil vom 29.01.1992 – 5 StR 338/91, BGHSt 38, 199, 201; vgl. auch MünchKomm-BGB/Radtke, StGB, 2. Aufl., § 11 Rn. 51, 52[]
  3. vgl. Ransiek, NStZ 1997, 519, 522; Müko/Radtke, aaO § 11 Rn. 52[]
  4. vgl. auch BGH, Urteil vom 19.12 1997 – 2 StR 521/97, BGHSt 43, 370, 380; BGH, Urteil vom 19.06.2008 – 3 StR 490/07, BGHSt 52, 290, 299[]
  5. vgl. auch BGH, Beschluss vom 09.12 2010 – 3 StR 312/10, BGHSt 56, 97, 108[]
  6. vgl. BGH, Urteil vom 28.11.1979 – 3 StR 405/79, NJW 1980, 846, 847; Lackner/Kühl/Heger, StGB, 28. Aufl., § 11 Rn. 9a[]
  7. vgl. Heinrich, Der Amtsträgerbegriff im Strafrecht, S. 515; MünchKomm-BGB/Radtke, aaO § 11 Rn. 77[]
  8. vgl. LK/Hilgendorf, StGB, 12. Aufl., 2007, § 11 Rn. 52; vgl. auch Ransiek, NStZ 1997, 519, 523[]
  9. vgl. zum strafrechtlichen Beamtenbegriff des § 359 StGB aF: BGH, Urteil vom 25.04.1953 – 2 StR 780/51, NJW 1953, 1153; RG, Urteil vom 29.10.1898 – 3409/98, RGSt 31, 293[]
  10. vgl. Fischer, StGB, 63. Aufl., § 11 Rn. 23c[]
  11. vgl. NK/Saliger, StGB, 4. Aufl., § 11 Rn. 38[]
  12. vgl. LK/Hilgendorf, StGB, aaO § 11 Rn. 36; Lackner/Kühl/Heger, aaO § 11 Rn. 9a; vgl. auch KG, Beschluss vom 24.01.2008 – 3 Ws 66/07, NStZ-RR 08, 198[]
  13. vgl. MünchKomm-BGB/Radtke aaO § 11 Rn. 77[]
  14. vgl. Heinrich, aaO, S. 518; vgl. auch Ransiek, NStZ 1997, 519, 524[]
  15. MünchKomm-BGB/Radtke, aaO § 11 Rn. 77[]
  16. Heinrich, aaO, S. 518 f.[]
  17. vgl. SK-StGB/Rudolphi/Stein, StGB, 7. Aufl., § 11 Rn. 29 ff. mwN; BeckOK StGB/von Heintschel-Heinegg, StGB, Stand 1.12.2015 § 11 Rn. 29; aA Ransiek, NStZ 1997, 519, 525[]
  18. NK/Saliger, aaO § 11 Rn. 38[]
  19. vgl. zu § 359 StGB aF: RG, Urteil vom 31.08.1940 – 3 D 202/40, RGSt 74, 251, 253; zustimmend LK/Hilgendorf, StGB, aaO § 11 Rn. 52[]
  20. vgl. BGH, Beschluss vom 10.02.1994 – 1 StR 792/93, NStZ 1994, 277[]
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