Jugendhaft – Vollstreckungshaftbefehl – und die Anordnung der Telekommunikationsüberwachung

Zur Entscheidung über Maßnahmen zur Festnahme eines Verurteilten nach § 457 Abs. 3 StPO ist auch bei der Vollstreckung von Jugendstrafe das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig. Das Jugendgerichtsgesetz begründet keine Zuständigkeit des Vollstreckungsleiters für solche Entscheidungen.

Jugendhaft – Vollstreckungshaftbefehl – und die Anordnung der Telekommunikationsüberwachung

Nach § 457 Abs. 3 Satz 3 StPO trifft das Gericht des ersten Rechtszuges die notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen für Maßnahmen, die bestimmt und geeignet sind, den Verurteilten festzunehmen. Die Anordnung der Telekommunikationsüberwachung nach § 100a StPO ist bestimmt und geeignet, den Verurteilten festzunehmen. Sie bedarf einer richterlichen Anordnung (§ 100b StPO). Das Jugendschöffengericht des Amtsgerichts Nienburg/Weser ist das Gericht des ersten Rechtszuges.

§ 457 Abs. 3 Satz 3 StPO findet auch bei der Vollstreckung von Jugendstrafe Anwendung, weil das Jugendgerichtsgesetz keine andere Regelung enthält (§ 2 Abs. 2 JGG).

§ 83 Abs. 2 JGG findet weder unmittelbar noch entsprechend Anwendung. Nach § 83 Abs. 2 JGG ist für die bei der Vollstreckung notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen gegen eine vom Vollstreckungsleiter getroffene Anordnung die Jugendkammer des Landgerichts in den Fällen zuständig, in denen der Vollstreckungsleiter selbst oder unter seinem Vorsitz das Jugendschöffengericht im ersten Rechtszug erkannt hat oder der Vollstreckungsleiter in Wahrnehmung der Aufgaben der Strafvollstreckungskammer über seine eigene Anordnung zu entscheiden hätte. Eine eigene Anordnung des Vollstreckungsleiters, gegen die eine gerichtliche Entscheidung notwendig wird, liegt nicht vor.

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Das Jugendgerichtsgesetz begründet auch keine Zuständigkeit des Vollstreckungsleiters beim Amtsgericht Hameln. Das Jugendgerichtsgesetz regelt die Zuständigkeit des Vollstreckungsleiters. Dieser übt eine Doppelfunktion als weisungsgebundene Vollstreckungsbehörde einerseits und als unabhängiges Gericht andererseits aus. Grundsätzlich wird der Vollstreckungsleiter als Organ der Justizverwaltung tätig; er ist dann weisungsgebunden und unterliegt der Dienstaufsicht des Generalstaatsanwalts1. Als Organ der Justizverwaltung nimmt er die Aufgaben wahr, die bei der Vollstreckung von Freiheitsstrafen gegen Erwachsene der Staatsanwaltschaft obliegen. Nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen des § 83 Abs. 1 JGG trifft der Vollstreckungsleiter eine richterliche Entscheidung. Die Anordnung der Telekommunikationsüberwachung zur Ergreifung des Verurteilten stellt keinen der gesetzlich vorgesehenen Fälle im Sinne von § 83 Abs. 1 JGG dar. Eine Zuständigkeit des Vollstreckungsleiters der Jugendanstalt Hameln beim Amtsgericht Hameln für die Anordnung besteht mithin nicht.

Eine Erweiterung der richterlichen Zuständigkeit des Vollstreckungsleiters über den Wortlaut von § 83 Abs. 1 JGG hinaus auch für die Anordnung der Telekommunikationsüberwachung zur Festnahme des Verurteilten liefe dem Grundsatz der Gewaltenteilung zuwider. Der Vollstreckungsleiter der Jugendanstalt Hameln beim Amtsgericht Hameln hat als Vollstreckungsbehörde mit Zustimmung des Gerichts des ersten Rechtszuges die Zurückstellung der Strafvollstreckung beschlossen, die Zurückstellung der Strafvollstreckung widerrufen und einen Vollstreckungshaftbefehl gegen den Verurteilten erlassen. Er ist nunmehr in seiner Funktion als Vollstreckungsbehörde – wie die Staatsanwaltschaft bei Vollstreckung einer Freiheitsstrafe2 – berechtigt, einen Antrag auf Anordnung der Telekommunikationsüberwachung beim Gericht des ersten Rechtszuges zu stellen (§ 457 Abs. 3 Satz 1 StPO i. V. m. § 100b StPO). Gericht des ersten Rechtszuges ist vorliegend das Jugendschöffengericht. Dieses ist auch für eine Entscheidung über eine Maßnahme nach § 100a StPO zuständig.

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Oberlandesgericht Celle, Beschluss vom 06. Januar 2014 – 2 Ws 366/13

  1. OLG Karlsruhe, NStZ 1993, 104; LG Koblenz, NStZ-RR 1997, 53[]
  2. dazu Löwe/Rosenberg-Graulmann-Scheerer, StPO, § 457 RN 31[]