Mord – zur Ermöglichung eines Schwangerschaftsabbruchs

Zur Ermöglichung einer anderen Straftat im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB tötet, wer einen Menschen zur Erreichung eines weiteren kriminellen Ziels tötet.

Mord – zur Ermöglichung eines Schwangerschaftsabbruchs

Der Tod des Opfers muss nicht notwendiges Mittel zur Ermöglichung der Tat sein1; es genügt, wenn der Täter sich deshalb zur Tötung entschließt, weil er annimmt, auf diese Weise die andere Straftat rascher oder leichter begehen zu können2 und ihm zwar nicht der Tod des Opfers, wohl aber die Tötungshandlung als Tatmittel geeignet erscheint3.

Die „andere Tat“ muss dabei nicht prozessual selbstständig im Sinne des § 264 StPO sein; es genügt vielmehr die tateinheitliche Verwirklichung eines gegen ein anderes Rechtsgut desselben oder eines anderen Tatopfers gerichteten weiteren Straftatbestandes4.

Ermöglichungsabsicht im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB setzt jedoch voraus, dass der Täter in der Absicht tötet, zusätzliches kriminelles Unrecht verwirklichen zu können; die besondere Verwerflichkeit der Tötung eines anderen zu diesem Zweck liegt darin, dass der Täter bereit ist, das Leben eines anderen als Mittel zur Begehung einer weiteren Tat einzusetzen, zur Verwirklichung seiner kriminellen Ziele also notfalls über „Leichen zu gehen“5. Die Ermöglichung einer anderen Straftat muss dabei das handlungsleitende Motiv des Täters sein.

Dies lag in dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall fern: Zwar tötete der Angeklagte das Tatopfer, seine Freundin, damit diese das von ihm gezeugte Kind nicht zur Welt bringen konnte, ein Handlungsziel, das er – wie er wusste – auf andere Weise nicht erreichen konnte. Jenseits der Lebensvernichtung seines Tatopfers verfolgte der Angeklagte jedoch keinen darüber hinausreichenden, eigenständigen und weiteren kriminellen Zweck. Das vom Angeklagten durch die Beendigung der Schwangerschaft verwirklichte weitere Unrecht – die Tötung des noch ungeborenen Lebens – wird bei dieser Sachlage vollständig vom tateinheitlich verwirklichten Vergehen des Schwangerschaftsabbruchs erfasst.

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Bei dieser Sachlage musste sich das Landgericht zur Erörterung des Mordmerkmals der Ermöglichungsabsicht nicht gedrängt sehen. Es bleibt freilich noch der aus niedrigen Beweggründen begangenen Heimtückemord in Tateinheit mit Schwangerschaftsabbruch.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 3. Juni 2015 – 2 StR 422/14

  1. BGH, Urteil vom 09.03.1993 – 1 StR 870/92, BGHSt 39, 159, 161[]
  2. vgl. BGH, Urteil vom 23.09.1999 – 4 StR 700/98 , BGHSt 45, 211, 217 zu § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB[]
  3. vgl. BGH, Urteil vom 09.03.1993 – 1 StR 870/92, BGHSt 39, 159, 161[]
  4. vgl. Fischer, StGB, 62. Aufl. § 211 Rdn. 65; MünchKomm-BGB/Schneider, StGB 2. Aufl. § 211 Rn. 253[]
  5. BGH, Urteil vom 09.03.1993 – 1 StR 870/92, BGHSt 39, 159, 161; Safferling, in: Matt/Renzikowski, StGB, § 211 Rn. 63[]