Aufhebung einer dienstlichen Beurteilung – außerhalb des Vorgesetztenstrangs

Die Aufhebung einer dienstlichen Beurteilung durch ein außerhalb des Vorgesetztenstrangs stehendes Referat der Behörde ist, an § 48 VwVfG analog gemessen, formell rechtswidrig.

Aufhebung einer dienstlichen Beurteilung – außerhalb des Vorgesetztenstrangs

Die Aufhebung der dienstlichen Beurteilung ist in einem solchen Fall formell-rechtlich fehlerhaft von einer unzuständigen Stelle in der zuständigen Behörde getroffen worden.

Mangels spezieller normativer Regelung kann der Dienstherr im Rahmen seiner organisatorischen Gestaltungsfreiheit bestimmen, durch wen er die Aufgabe der dienstlichen Beurteilung der Beamten und ggf. deren Aufhebung wahrnimmt1. Der Dienstherr hat für den Bundesnachrichtendienst mit seinen Beurteilungsbestimmungen vom 01.07.2009 in der derzeit geltenden Fassung vom 27.12 2011 im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit zwar Richtlinien für die Erstellung dienstlicher Beurteilungen erlassen, an die die Beurteiler aufgrund des Gleichheitssatzes hinsichtlich des anzuwendenden Verfahrens und der anzulegenden Maßstäbe gebunden sind. Das Gericht kontrolliert, ob die Richtlinien eingehalten sind, ob sie der gesetzlichen Ermächtigung entsprechen und auch sonstigen gesetzlichen Vorgaben gerecht werden2. Für die Aufhebung von rechtswidrigen dienstlichen Beurteilungen von Amts wegen ist in den Beurteilungsbestimmungen aber keine generelle Zuständigkeitsregelung getroffen.

Wäre die dienstliche Beurteilung ein Verwaltungsakt, könnte sie nur durch einen anderen Verwaltungsakt als dessen Gegenteil (actus contrarius) aufgehoben werden3. Für diesen actus contrarius gelten dieselben Anforderungen an die Form wie für den Verwaltungsakt selbst oder für die Rücknahme eines Antrags4. Danach müsste der actus contrarius grundsätzlich in derselben Form durch dieselbe öffentliche Stelle verfügt werden, die den Verwaltungsakt erlassen hat.

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Entsprechendes gilt für die Aufhebung der dienstlichen Beurteilung eines Beamten. Zuständig für die Erstellung einer dienstlichen Beurteilung – und damit auch für die Aufhebung einer solchen – ist grundsätzlich der Behördenleiter, der die Kompetenz auf andere Vorgesetzte des zu beurteilenden Beamten delegieren kann.

Zwar liegt es grundsätzlich im Rahmen der organisatorischen Gestaltungsfreiheit des Dienstherrn zu bestimmen, durch wen er die Aufgabe der dienstlichen Beurteilung der Beamten wahrnimmt (dasselbe gilt für deren Aufhebung, wie sie hier im Streit steht); das braucht nicht der Dienstvorgesetzte zu sein. Weder das Bundesbeamtengesetz noch die Bundeslaufbahnverordnung enthalten hierzu ausdrückliche Bestimmungen. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist insoweit sowohl auf den beurteilenden Dienstvorgesetzten Bezug genommen worden (weil dies die Regel bildet); gelegentlich wird aber auch in allgemeiner Form auf den (oder die) beurteilenden Vorgesetzten oder für die Beurteilung zuständigen Beamten abgehoben. In jedem Fall muss der Dienstherr bei der Bestimmung, durch wen er die Aufgabe der dienstlichen Beurteilung (oder hier ggf. deren Aufhebung) wahrnimmt, den sachlichen Zusammenhang dieser Aufgabe mit der Wahrnehmung der Dienst- und Fachaufsicht beachten. Dem ist regelmäßig dann Genüge getan, wenn der Beamte von seinem Dienst- oder anderen Vorgesetzten persönlich beurteilt wird, nach deren dienstlichen Anordnungen (Weisungen) zu der von ihm geforderten Amtsführung er sich zu richten hat (vgl. § 62 BBG, § 55 BBG a.F.)5.

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Die angegriffene Aufhebung ist hier weder von dem Behördenleiter noch von einem anderen Vorgesetzten verfügt worden. Sie ist vielmehr von dem bei der Behörde bestehenden Referat Personaldienst Arbeitnehmer und Beamte erlassen worden. Dieses Referat ist weder nach allgemeiner Verwaltungspraxis der Behörde noch aufgrund einer Delegation des Behördenleiters für die Aufhebung dienstlicher Beurteilungen zuständig. Es steht auch außerhalb des für die Beamtin maßgeblichen Anordnungs- und Weisungsstrangs von ihr vorgesetzten Beamten.

Etwas anderes ergibt sich im vorliegenden Fall auch nicht aus Nr. 25 der BND-Beurteilungsbestimmungen. Eine Zuständigkeit des Referats Personaldienst Arbeitnehmer und Beamte des BND für die Aufhebung dienstlicher Beurteilungen von Amts wegen besteht danach allein bei der Aufnahme einer dienstlichen Beurteilung in die Personalakte und dies auch nur in Fällen „offensichtlicher formaler oder inhaltlicher Unrichtigkeit“. Diese tatbestandlichen Voraussetzungen liegen hier nicht vor, sie werden von der Beklagten auch gar nicht geltend gemacht. Damit erweist sich die durch eine unzuständige Stelle in der zuständigen Behörde ergangene Aufhebungsentscheidung bereits infolge formeller Fehlerhaftigkeit als rechtswidrig.

Der weitere verfahrensrechtliche Aspekt, dass die Beamtin vor Ergehen der Aufhebung vom 05.03.2015 nicht analog § 28 VwVfG angehört worden ist, ist – entsprechend dem Verfahren beim Erlass eines Verwaltungsakts – jedenfalls durch die ordnungsgemäße Durchführung des Widerspruchsverfahrens nach § 45 VwVfG geheilt worden.

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Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 17. März 2016 – 2 A 4.15

  1. BVerwG, Urteile vom 17.04.1986 – 2 C 8.83, Buchholz 232.1 § 40 BLV Nr. 7 S. 10; und vom 27.11.2014 – 2 A 10.13, BVerwGE 150, 359 Rn. 17[]
  2. stRspr, BVerwG, Urteile vom 24.11.2005 – 2 C 34.04, BVerwGE 124, 356, 358 m.w.N.; und vom 27.11.2014 – 2 A 10.13, BVerwGE 150, 359 Rn. 14 m.w.N.[]
  3. BVerwG, Beschluss vom 15.12 1992 – 1 DB 30.92 11 für die Aufhebung einer Abordnung als actus contrarius zur Abordnung[]
  4. vgl. BVerwG, Beschluss vom 06.03.1992 – 4 CB 2.91, NVwZ-RR 1993, 275, 276; Engel/Pfau, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, Großkommentar, 2014, § 22 Rn. 57[]
  5. zum Ganzen: BVerwG, Urteile vom 17.04.1986 – 2 C 8.83, Buchholz 232.1 § 40 BLV Nr. 7 S. 10 f. und – 2 C 28.83, Buchholz 232.1 § 40 BLV Nr. 8 S. 13 f.; Beschlüsse vom 11.02.1986 – 2 B 7.86, Buchholz 232.1 § 40 BLV Nr. 6 S. 8 f.; und vom 20.08.2004 – 2 B 64.04, Buchholz 232.1 § 40 BLV Nr. 25 S. 8[]