Die von der Behörde unterlaufene einstweilige Anordnung

Eine einstweilige Anordnung, die die Behörde zum Einschreiten verpflichtet, wird nicht vollständig umgesetzt, wenn ihr die Behörde lediglich formal Folge leistet, den von der Behörde ergriffenen Maßnahmen aber von vorneherein jede Eignung im Hinblick auf den mit der einstweiligen Anordnung verfolgten Sinn und Zweck fehlt oder die Behörde erkennbar nicht auf ihre Vollziehung hinwirkt.

Die von der Behörde unterlaufene einstweilige Anordnung

Der Antrag der Vollstreckungsgläubigerin nach § 172 VwGO ist – innerhalb der Monatsfrist des § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 929 Abs. 2 ZPO – statthaft und auch sonst zulässig. Kommt eine Behörde in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 und des § 123 VwGO der ihr im Urteil oder der einstweiligen Anordnung auferlegten Verpflichtung nicht nach, so kann das Gericht des ersten Rechtszugs auf Antrag unter Fristsetzung gegen sie ein Zwangsgeld bis zehntausend Euro durch Beschluss androhen. Die Vollstreckung richtet sich nach dieser Vorschrift, wenn die erlassene einstweilige Anordnung im Schwerpunkt auf das Ergehen von Verwaltungsakten gerichtet ist und damit im Zusammenhang mit einer Verpflichtungsklage steht1. Die einstweilige Anordnung ist ein Vollstreckungstitel (§ 168 Abs. 1 Nr. 2 VwGO); eine Vollstreckungsklausel war vorliegend entbehrlich2. Voraussetzung für die Androhung eines Zwangsgeldes ist desweiteren die grundlose Säumnis des Vollstreckungsschuldners; denn die Androhung ist nur gerechtfertigt, wenn es dem Vollstreckungsschuldner billigerweise zugemutet werden konnte, in der seit der Zustellung des Titels verstrichenen Zeit die Verpflichtung zu erfüllen.

Weiterlesen:
Der Streit um die nicht dienstpostengerechte Verwendung - und seine Erledigung durch Versetzung

Der Vollstreckungsschuldner – die Behörde – muss der einstweiligen Anordnung zwar effektiv nachkommen, schuldet aber nicht den sofortigen Erfolg3.

Die erlassene einstweilige Anordnung wäre allerdings dann nicht vollständig umgesetzt, wenn ihr lediglich formal Folge geleistet worden wäre, den von der Behörde ergriffenen Maßnahmen aber von vorneherein jede Eignung im Hinblick auf den mit der einstweiligen Anordnung verfolgten Sinn und Zweck fehlte oder die Behörde erkennbar nicht auf ihre Vollziehung hinwirken würde.

So lag es im hier vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg entschiedenen Fall aber nicht: Die aufgrund der einstweiligen Anordnung erlassenen Verfügungen der Behörde sind für sofort vollziehbar erklärt und mit Zwangsgeldandrohungen verbunden worden. Die Behörde führt nach Aktenlage auch regelmäßig Ortstermine durch, die allerdings naturgemäß nur eine Momentaufnahme darstellen. Die von der Behörde ergriffenen Maßnahmen sind aber auch in der Sache effektiv. Wie ausgeführt, werden die erforderlichen Informationen und die Lärmprognosen wöchentlich fristgerecht vorgelegt. Auch die angeordneten Schallmessungen werden in Absprache mit dem Landratsamt fristgerecht durchgeführt und der Behörde unverzüglich übermittelt, sobald sie den Beigeladenen vorliegen. Das Verwaltungsgerichtshof verkennt nicht die von der Vollstreckungsgläubigerin aufgezeigte Schwierigkeit, dass sich ihre Rügen oft durch Zeitablauf erledigen, weil auf einer Baustelle häufig wechselnde Betriebszustände herrschen; dies liegt aber in der Natur der Sache begründet und ist nicht Folge eines unzureichenden Vollzugs der einstweiligen Anordnung. Die Klärung der Frage, ob die Vorgaben der AVV Baulärm, etwa die Anwendung der Zeitkorrekturen nach Nr. 6.7 AVV Baulärm, in den vorgelegten Lärmprognosen und bei den durchgeführten Schallmessungen fehlerfrei umgesetzt werden, geht mithin über den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, das auf die Vollstreckung der einstweiligen Anordnung beschränkt ist, hinaus.

Weiterlesen:
Sachverständigengutachten - oder: der übergangene Beweisantrag des Asylbewerbers

Verwaltungsgerichtshof Baden -Württemberg, Beschluss vom 29. Mai 2015 – 10 S 835/15

  1. vgl. VGH, Beschluss vom 28.02.2013 – 10 S 81/13 – VBlBW 2013, 310[]
  2. vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 28.04.2014 – 9 S 358/14 – VBlBW 2015, 210 m.w.N.[]
  3. vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 28.02.2013 a.a.O.[]