Insolvenzanfechtung beim Cash-Pooling

Cash-Pooling ist innerhalb eines Konzerns eine oft gehandhabte Möglichkeit zur konzerninternen Finanzierung. Problematisch – und oftmals ein Fall für die Gerichte – wird dies jedoch dann, wenn eine dieser in das Cash-Pooling einbezogenen Gesellschaften insolvent wird. So auch in dem vorliegend vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall, in dem es um die Insolvenzanfechtung gegenüber der kontoführenden Bank ging hinsichtlich der Umbuchung von Gutschriften vom Konto einer an einem Cash-Pool teilnehmenden Gesellschaft auf das Zielkonto des Cash-Pools und hinsichtlich der dort vorgenommenen Verrechnung, wenn alle am Cash-Pool teilnehmenden Gesellschaften Kreditnehmer des auf dem Zielkonto ausgereichten Kontokorrentkredits sind.

Insolvenzanfechtung beim  Cash-Pooling

Keine Insolvenzanfechtung gegenüber der Bank

Der Insolvenzverwalter kann wegen der Übertragung der auf dem Konto der Schuldnerin eingegangenen Guthabenbeträge auf das Zielkonto keine Anfechtungsansprüche gegen die Bank geltend machen, weil diese insoweit lediglich als Leistungsmittlerin tätig geworden ist.

Durch die auf dem Konto der Schuldnerin erfolgten Gutschriften war die Bank zur Schuldnerin der späteren Insolvenzschuldnerin geworden. Eine Deckungsanfechtung scheidet insoweit schon deshalb aus, weil die Bank keine Insolvenzgläubigerin der Schuldnerin war. Sie hat durch die Gutschriften und die Weiterleitung der Zahlungseingänge auf das Zielkonto weder eine Sicherung noch eine Befriedigung einer Insolvenzforderung erlangt.

Sollte an einem Tag durch Belastungsbuchungen auf dem am Tagesanfang auf null stehenden Konto ein Debet angewachsen sein, hatte die Bank einen Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen gemäß § 670 BGB, der durch Abbuchung vom Zielkonto ausgeglichen wurde. Diese Deckung war kongruent, weil sie der CashPoolVereinbarung entsprach, und als Bargeschäft gemäß § 142 InsO nicht anfechtbar. Ein Kontokorrentkredit war der Schuldnerin auf ihrem Konto nicht eingeräumt. Deshalb kann die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Anfechtbarkeit von Gutschriften im ungekündigten Kontokorrentkredit hier keine Anwendung finden1.

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Für die Übertragung der Gutschriften auf ihrem Konto im Rahmen der CashpoolVereinbarung auf das Zielkonto der M. GmbH hat sich die Schuldnerin der Bank als Leistungsmittlerin bedient. Hat der Schuldner eine solche Zwischenperson eingeschaltet, die für ihn im Wege einer einheitlichen Handlung eine Zuwendung an einen Dritten bewirkt und damit zugleich unmittelbar das den Insolvenzgläubigern haftende Vermögen vermindert, richtet sich die Deckungsanfechtung allein gegen den Dritten als Empfänger, wenn es sich für diesen erkennbar um eine Leistung des Schuldners handelte2. Da mittelbare Zuwendungen so zu behandeln sind, als habe der befriedigte Gläubiger unmittelbar von dem Schuldner erworben, findet die Deckungsanfechtung nicht gegenüber dem Leistungsmittler, sondern allein gegen den Leistungsempfänger, hier die M. GmbH, statt3.

Für die M. GmbH war erkennbar, dass die Schuldnerin durch die Übertragung der Gutschriften mittels der Bank ihrer Verpflichtung aus der CashpoolVereinbarung nachkam. Eine Anfechtung nach §§ 130, 131 InsO scheidet deshalb auch aus diesem Grund aus.

Eine Anfechtung gegenüber der Bank als Leistungsmittlerin wäre lediglich nach § 133 Abs. 1 InsO unter engen Voraussetzungen möglich. Diese Voraussetzungen hat der Insolvenzverwalter nicht dargetan.

Der Insolvenzverwalter hat behauptet, die Bank habe spätestens seit 15.10.2007 Kenntnis von Umständen gehabt, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin schließen ließen (§ 133 Abs. 1 Satz 2 InsO). Für die Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners spricht in diesem Fall im Allgemeinen ein gewichtiges Beweisanzeichen4. Ein Kreditinstitut berechtigt die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners im Vorfeld eines Insolvenzverfahrens aber nicht, die Ausführung von Zahlungsaufträgen eines weiterhin verpflichtungs- und verfügungsbefugten Schuldners zu verweigern. Vielmehr darf ein Zahlungsdienstleister gemäß § 675o Abs. 2 BGB die Ausführungen von Zahlungsaufträgen nicht ablehnen, wenn die vertraglich vereinbarten Bedingungen erfüllt sind und die Ausführung nicht gegen sonstige Rechtsvorschriften verstößt. Mithin muss die Bank, sofern ein Guthaben oder eine offene Kreditlinie vorhanden ist, grundsätzlich eine Überweisung vornehmen, selbst wenn sie von der Zahlungsunfähigkeit des Kontoinhabers Kenntnis erlangt hat5. Dies gilt auch im Rahmen eines insolvenzbeständig vereinbarten CashPoolVerfahrens.

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Setzt die Schuldnerbank als Zahlstelle die Erledigung von Aufträgen des Schuldners lediglich zahlungstechnisch um, kommt deshalb eine Vorsatzanfechtung ihr gegenüber auch bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners regelmäßig nicht in Betracht, weil es sich bei der Abwicklung des Zahlungsverkehrs durch ein Kreditinstitut um alltägliche Geschäftsvorgänge handelt, denen ein Wille des Überweisenden, seine Gläubiger zu benachteiligen, für die Bank regelmäßig nicht zu entnehmen ist6. Denn für das Kreditinstitut sind verschiedene Konstellationen denkbar, bei denen trotz Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners dessen Zahlungsaufträge keinen anfechtungsrechtlichen Bedenken begegnen. Das Kreditinstitut kennt den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners nur dann, wenn es nicht nur über dessen Zahlungsunfähigkeit unterrichtet, sondern im Zuge der Verfolgung eigener Interessen in eine vom Schuldner angestrebte Gläubigerbenachteiligung eingebunden ist7.

Derartiges wird vom Insolvenzverwalter nicht geltend gemacht. Die Bank hat lediglich die von ihr übernommene Ausführung der Verpflichtung der Schuldnerin gegenüber der Poolführerin aus der CashPoolVereinbarung banktechnisch umgesetzt, auf die Ausführung der einzelnen Gut- und Lastschriften aber keinen Einfluss genommen. Das Berufungsgericht hat demgemäß die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO zutreffend verneint. Das wird von der Revision auch nicht beanstandet.

Herstellung einer Aufrechnungslage

Der Insolvenzverwalter kann den von ihm geltend gemachten Anspruch auch nicht auf die Herstellung der Aufrechnungslage durch die Gutschriften auf dem Zielkonto der M. GmbH als Poolführerin stützen.

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Die Erteilung von Gutschriften auf einem Kontokorrentkonto stellt ein abstraktes Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis der Bank dar, aus welchem der Begünstigte unmittelbar einen Anspruch auf Auszahlung der gutgeschriebenen Beträge erwirbt. In der Insolvenz des Bankkunden kann der Insolvenzverwalter diesen Anspruch gegen die Bank geltend machen, soweit nicht die Bank die Verrechnung mit Gegenforderungen im Rahmen des Kontokorrentverhältnisses oder andere Gegenrechte einwenden kann. Soweit die Verrechnung mit Gegenforderungen der Bank im Kontokorrentverhältnis der Insolvenzanfechtung unterliegt, kann sich der Verwalter unmittelbar auf die Unwirksamkeit der Verrechnung gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO berufen und den Anspruch auf die Gutschrift uneingeschränkt geltend machen. Liegen die Voraussetzungen der Anfechtung von Verrechnungen im Kontokorrentverhältnis vor, kann auch die Verrechnung von Gutschriften mit dem Aufwendungsersatzanspruch der Bank aus solchen Belastungsbuchungen, die im Anfechtungszeitraum vorgenommen worden sind, gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO unwirksam sein8.

Durch die Umbuchungen auf das Zielkonto erfüllte die Schuldnerin allein ihre Verpflichtungen aus der CashPoolVereinbarung gegenüber der Poolführerin.

Die Schuldnerin erbrachte damit nicht auch eine Leistung an die Bank. Die Verrechnung auf dem Zielkonto beruhte ausschließlich auf der Kontokorrentabrede zwischen der Poolführerin als Kontoinhaberin und der Bank. Auf diesem Konto wurde nur von der Poolführerin Kredit in Anspruch genommen. Hinsichtlich dieses Kontos hatte die Schuldnerin keine unmittelbaren Befugnisse; weder konnte sie das Konto betreffende Verpflichtungen eingehen noch Verfügungen treffen. Den Kredit hatte die Bank zwar allen Gesellschaften der Textilgruppe mit Darlehensvertrag vom 13.05.2005 eingeräumt. Auch die Schuldnerin haftete hierfür in vollem Umfang als Gesamtschuldnerin. Durch die vereinbarungsgemäße Verrechnung der Gutschriften auf dem Zielkonto wurde deshalb der Verfügungsrahmen der Textilgruppe aus dem Darlehensvertrag erweitert. Die Zahlungen der Schuldnerin an die Poolführerin stellten gleichwohl keine mittelbaren Zuwendungen an die Bank dar. Dafür ist zwar ausreichend, dass der Gegenwert für das, was über die Mittelsperson an den Leistungsempfänger gelangt, aus dem Vermögen des Leistenden stammt9. Die Poolführerin war jedoch nicht Leistungsmittlerin der Schuldnerin. Als Leistungsmittlerin kann nur eine Person angesehen werden, die der Schuldner einschaltet, damit sie für ihn eine Zuwendung an einen Dritten bewirkt. Für den Dritten muss es sich erkennbar um eine Leistung des Schuldners handeln10. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, weil sich die Schuldnerin nicht der Poolführerin bedient hat, um eine Leistung an die Bank zu erbringen.

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Vielmehr war die Bank als bloße Leistungsmittlerin der Poolführerin tätig, das heißt als deren Zahlstelle11. Es ging der Schuldnerin allein darum, ihre Pflichten aus dem Poolvertrag gegenüber der Poolführerin zu erbringen. Das war auch für die Bank erkennbar. Der Stand des Kontos der Poolführerin war für die Schuldnerin, abgesehen von den Auswirkungen ihrer eigenen Buchungen, nicht zu beeinflussen. Es war ersichtlich nicht in ihrem Interesse, eine Leistung an die Bank zu erbringen. Überweisungen auf ein im Soll geführtes Konto eines Gläubigers haben regelmäßig die Befriedigung der Forderung dieses Gläubigers zum Ziel und nicht den Zweck, den Kredit des Gläubigers bei der Bank zurückzuführen. Nur in dem Fall, dass der Schuldner einen Betrag gerade deshalb auf ein debitorisch geführtes Konto des Gläubigers überweist, damit Zinsen gespart werden, hat der Bundesgerichtshof darin eine mittelbare Zuwendung an die Bank gesehen12. Mag die CashPoolVereinbarung letztlich der Ersparnis von Zinsen in der Textilgruppe gedient haben, war Zweck der einzelnen Überweisungen nicht die Befriedigung der Forderungen der Bank gerade gegen die Poolführerin.

Zudem fehlte es hinsichtlich der Verrechnungen auf dem Zielkonto an der für jede Insolvenzanfechtung gemäß § 129 Abs. 1 InsO erforderlichen objektiven Gläubigerbenachteiligung. Die Gläubiger der Schuldnerin hätten auf das Guthaben der Poolführerin nicht zugreifen können, weil hieraus allein dieser Rechte zustanden.

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Die Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung hinsichtlich der Verrechnungen auf dem Konto der Poolführerin hat das Berufungsgericht verneint. Einwendungen hiergegen hat die Revision nicht erhoben.

Vermögensverschiebungen durch Kreditinanspruchnahme

Wer von den Teilnehmern des CashPools den Kredit letztlich in Anspruch nahm, war von der Bank nicht mitzubestimmen. Letztlich konnte dies zu Vermögensverschiebungen innerhalb der Konzerngesellschaften führen. Dies muss jedoch durch Anfechtung zwischen diesen Gesellschaften ausgeglichen werden. Anderenfalls würde sich für die Bank das eingegangene Kreditrisiko unkalkulierbar erhöhen, wenn die Verwalter derjenigen insolventen Gesellschaften, zu deren Gunsten sich bei den von ihnen veranlassten Buchungen auf dem Zielkonto ein positiver Saldo ergäbe, die Zahlungen auf das Zielkonto gegenüber der Bank anfechten könnten. Damit würde das wirtschaftlich sinnvolle und vom Gesetzgeber gestützte CashPoolVerfahren13 wesentlich erschwert oder gar unmöglich gemacht.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 13. Juni 2013 – IX ZR 259/12

  1. vgl. dazu z.B. BGH, Urteil vom 07.03.2002 – IX ZR 223/01, BGHZ 150, 122; vom 07.05.2009 – IX ZR 140/08, ZIP 2009, 1124; vom 07.07.2011 IX ZR 100/10, ZIP 2011, 1576[]
  2. BGH, Urteil vom 16.09.1999 – IX ZR 204/98, BGHZ 142, 284, 287; vom 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 Rn. 35; vom 26.04.2012 – IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129 Rn. 9; vom 25.04.2013 – IX ZR 235/12, WM 2013, 1044 Rn. 11[]
  3. BGH, Urteil vom 29.11.2007 – IX ZR 121/06, BGHZ 174, 314 Rn. 14; vom 26.04.2012, aaO; vom 25.04.2013, aaO[]
  4. vgl. BGH, Urteil vom 24.01.2013 – IX ZR 11/12, ZIP 2013, 371 Rn. 27 ff. mwN[]
  5. BGH, Urteil vom 26.04.2012, aaO Rn. 23; vom 24.01.2013, aaO Rn. 30[]
  6. BGH, Urteil vom 26.04.2012, aaO Rn. 24; vom 24.01.2013, aaO Rn. 31[]
  7. BGH, Urteil vom 24.01.2013, aaO Rn. 32[]
  8. BGH, Urteil vom 26.04.2012 – IX ZR 67/09, WM 2012, 1200 Rn. 11 mwN[]
  9. BGH, Urteil vom 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 Rn. 25; vom 20.12.2012 – IX ZR 21/12, ZIP 2013, 223 Rn. 17[]
  10. BGH, Urteil vom 16.11.2007, aaO; vom 26.04.2012, aaO; vom 25.04.2013, aaO[]
  11. vgl. BGH, Urteil vom 05.12.2006 – XI ZR 21/06, BGHZ 170, 121 Rn. 9 ff[]
  12. BGH, Urteil vom 19.03.1998 – IX ZR 22/97, ZIP 1998, 793 Leitsatz 5 und S. 801 unter VI 1; insoweit in BGHZ 138, 291 nicht abgedruckt[]
  13. vgl. BT-Drucks. 16/6140 S. 25, 34, 40, 41[]
Weiterlesen:
Durchführungsrichtlinie zur Transparanzrichtlinie

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