Zahlungen nach Insolvenzreife – und die Haftung trotz erfolgreicher Insolvenzanfechtung

Die erfolgreiche Anfechtung der von einem debitorischen Konto geleisteten Zahlungen an Gläubiger der Schuldnerin durch den Insolvenzverwalter ist bei einer Haftung des organschaftlichen Vertreters für Zahlungen auf das debitorische Konto nicht anspruchsmindernd zu berücksichtigen.

Zahlungen nach Insolvenzreife – und die Haftung trotz erfolgreicher Insolvenzanfechtung

Die erfolgreiche Anfechtung der von dem debitorischen Konto geleisteten Zahlungen an Gläubiger der Schuldnerin ist bei einer Haftung für Zahlungen auf das debitorische Konto nicht anspruchsmindernd zu berücksichtigen. Zwar kommt die erfolgreiche Ausübung des Anfechtungsrechts dem nach § 130a Abs. 3 Satz 1 HGB aF haftenden organschaftlichen Vertreter zugute, wenn die haftungsbegründende masseschmälernde Leistung, etwa eine Zahlung an einen Gläubiger der Schuldnerin, dadurch ausgeglichen wird1. Es würde zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Insolvenzmasse führen, wenn sie neben der Rückgewähr der anfechtbar weggegebenen Vermögenswerte zusätzlich Ersatz für deren Weggabe von dem dafür verantwortlichen Geschäftsführer erhielte. Die in der Zahlung liegende Schmälerung der Masse ist rückgängig gemacht, wenn die Masse durch die erfolgreiche Anfechtung wieder aufgefüllt ist. Der Zweck der in § 130a Abs. 3 Satz 1 HGB aF angeordneten Haftung des organschaftlichen Vertreters für Zahlungen nach Insolvenzreife, eine Masseschmälerung im Interesse einer gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger im Insolvenzverfahren zu verhindern und nicht einzelne Gläubiger zu bevorzugen, ist auch erreicht, wenn die Leistung an den zunächst bevorzugten Gläubiger erfolgreich angefochten ist.

Die erfolgreiche Anfechtung der Zahlungen an Gläubiger von dem debitorischen Konto betrifft hier aber keine masseschmälernden Zahlungen, für die der Geschäftsführer nach § 130a Abs. 3 Satz 1 HGB aF haftet. Der Geschäftsführer haftet nach den im Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Feststellungen des Berufungsgerichts nicht wegen der Zahlungen von dem debitorischen Konto, sondern wegen der Zahlungseingänge auf dem debitorischen Konto. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt bei Zahlungen von einem debitorischen Konto keine masseschmälernde Leistung vor, wenn die Bank über keine freien Gesellschaftssicherheiten verfügt2. Wenn aus einem debitorisch geführten Bankkonto eine Gesellschaftsschuld beglichen wird, wird lediglich der befriedigte Gläubiger durch die Bank als Gläubigerin ersetzt, ohne dass die Insolvenzmasse geschmälert würde und die gleichmäßige Verteilung der Masse unter den übrigen Gläubigern beeinträchtigt wäre3 . Wenn die Masse bei der Zahlung aus dem debitorischen Konto nicht geschmälert wird, wird durch die erfolgreiche Anfechtung einer solchen Zahlung gegenüber dem Gläubiger auch keine, die Haftung des organschaftlichen Vertreters begründende Masseschmälerung rückgängig gemacht. Die erfolgreiche Anfechtung der Zahlungen aus dem debitorischen Konto durch den Insolvenzverwalter hat aus diesem Grund keinen unmittelbaren Zusammenhang mit den Zahlungen, für die der Geschäftsführer haftet.

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Der Geschäftsführer haftet vielmehr für die Zahlungen auf das debitorische Konto. Mit der Zahlung auf ein debitorisches Konto liegt eine masseschmälernde Leistung an die kontoführende Bank vor, weil der Debet vermindert wird4. Der organschaftliche Vertreter muss, wenn er schon seiner Insolvenzantragspflicht nicht rechtzeitig nachkommt, aufgrund seiner Masseerhaltungspflicht dafür sorgen, dass entsprechende Zahlungen als Äquivalent für dadurch erfüllte Gesellschaftsforderungen der Masse zugute kommen und nicht nur zu einer Verringerung der Verbindlichkeiten der Gesellschaft gegenüber der Bank sowie entgegen § 130 a Abs. 2 HGB aF zur bevorzugten Befriedigung der Bank führen. Dem organschaftlichen Vertreter kommt es in diesem Fall zugute, wenn die Gutschrift bzw. die Verrechnung mit dem Debet gegenüber der kontoführenden Bank später erfolgreich angefochten wird, weil damit die masseschmälernde Leistung an die Bank rückgängig gemacht wird. Eine solche Anfechtung ist hier aber nicht vorgetragen, nur eine Anfechtung der später von dem Konto geleisteten Zahlungen gegenüber den damit befriedigten Gläubigern.

Der Insolvenzverwalter erhält damit die masseschmälernde Leistung entgegen der Auffassung der Revision auch nicht doppelt, einmal vom organschaftlichen Vertreter und ein zweites Mal vom Gläubiger, dem gegenüber erfolgreich angefochten wurde. Wenn mit der Zahlung auf das debitorische Konto zugleich ermöglicht wird, andere Gläubiger mit den Mitteln dieses debitorischen Kontos zu befriedigen, ändert das nichts daran, dass die auf das debitorische Konto gelangte Zahlung am Ende in der Masse fehlt5. Wenn die Befriedigung anderer Gläubiger erfolgreich angefochten wird, wird daher nur der spätere Mittelabfluss an diese Gläubiger zugunsten einer Gleichbehandlung aller Gläubiger wettgemacht, nicht aber die bereits durch die Zahlung auf das debitorische Konto und Verrechnung mit dem Debet erfolgte masseschmälernde Leistung ausgeglichen.

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Soweit der Geschäftsführer die auf das debitorische Konto der Schuldnerin geflossenen Zahlungen auch zu erstatten hat, weil die von ihm übernommene Bürgschaft für den Kontokorrentkredit der Schuldnerin eigenkapitalersetzenden Charakter i.S. von § 172 a HGB i.V.m. § 32 a, b GmbHG aF hatte und er durch die von der Bank verrechneten Kontozuflüsse von seiner Bürgenhaftung in entsprechender Höhe auf Kosten des Gesellschaftsvermögens entlastet wurde6, gilt nichts anderes. Der Rückzahlungsanspruch gegen den Geschäftsführer ist mit der Verrechnung mit dem Debet entstanden und wird durch nachfolgende Zahlungen an Gläubiger aus dem debitorischen Konto nicht berührt, so dass deren Rückführung durch eine erfolgreiche Ausübung des Anfechtungsrechts keine Auswirkung auf den Anspruch gegen ihn hat.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 3. Juni 2014 – II ZR 100/13

  1. vgl. BGH, Urteil vom 18.12 1995 – II ZR 277/94, BGHZ 131, 325, 327[]
  2. vgl. BGH, Urteil vom 25.01.2011 – II ZR 196/09, ZIP 2011, 422 Rn. 26; Urteil vom 16.03.2009 – II ZR 32/08, ZIP 2009, 956 Rn. 12; Urteil vom 26.03.2007 – II ZR 310/05, ZIP 2007, 1006 Rn. 8; Urteil vom 29.11.1999 – II ZR 273/98, BGHZ 143, 184, 187 f.[]
  3. zum Anspruch der Bank auf Ersatz ihres dadurch bewirkten Individualschadens bei schuldhafter Insolvenzverschleppung BGH, Urteil vom 05.02.2007 – II ZR 234/05, BGHZ 171, 46 Rn. 13 f.[]
  4. BGH, Urteil vom 26.03.2007 – II ZR 310/05, ZIP 2007, 1006 Rn. 12; Urteil vom 29.11.1999 – II ZR 273/98, BGHZ 143, 184, 187 f.[]
  5. vgl. BGH, Urteil vom 29.11.1999 – II ZR 273/98, BGHZ 143, 184, 187 f.[]
  6. vgl. BGH, Urteil vom 26.03.2007 – II ZR 310/05, ZIP 2007, 1006 Rn. 13 m.w.N.; Urteil vom 14.03.2005 – II ZR 129/03, ZIP 2005, 659, 660[]
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