Sprunghaftung und Provisionsanspruch des Handelsvertreters

Eine vertragliche Regelung in einem Handelsvertretervertrag über eine sog. Sprunghaftung, wonach dem Handelsvertreter ein Provisionsanspruch für von ihm vermittelte Zeitschriftenabonnementverträge nur dann zustehen soll, wenn der Kunde das Abonnement während der festgelegten Sprunghaftungsfrist voll bezahlt hat, ist wegen Verstoßes gegen § 87a Abs. 1 Satz 3 HGB i.V.m. § 139 BGB nichtig. Der Handelsvertreter kann als Provision den üblichen Satz gemäß § 87b Abs. 1 HGB verlangen.

Sprunghaftung und Provisionsanspruch des Handelsvertreters

Eine solche Sprunghaftung des Handelsvertreters verstößt die zwingende Vorschrift in § 87a Abs. 1 Satz 3 HGB, mit der die Vorgaben gemäß Art. 10 Abs. 2 und Abs. 4 der Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18.12 1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter in deutsches Recht umgesetzt werden1. Eine solche vertragliche Vereinbarung ist unwirksam, soweit hierdurch Provisionsansprüche der Handelsvertreterin auch dann vollständig ausgeschlossen sein sollen, wenn der Kunde den Abonnementvertrag teilweise erfüllt hat.

§ 87a Abs. 1 Satz 3 HGB bestimmt, dass der Handelsvertreter unabhängig von einer Vereinbarung Anspruch auf Provision hat, sobald und soweit der Dritte das Geschäft ausgeführt hat. Die Vertragsbestimmung in § 9 Nr. 3 der Rahmenvereinbarung in Verbindung mit der in Anlage 3 festgelegten Sprunghaftungsfrist schließt ihrem Inhalt nach dagegen einen Provisionsanspruch der Schuldnerin auch dann vollständig aus, wenn der Kunde das von dieser vermittelte Abonnement über einen Zeitraum hinweg bezahlt, der den als Sprunghaftungsfrist festgelegten Zeitraum von 27 Wochen unterschreitet. Da der Kunde den Abonnementvertrag in diesem Fall teilweise erfüllt hat, verstößt der vollständige Ausschluss eines Provisionsanspruchs gegen die zwingende Vorschrift des § 87a Abs. 1 Satz 3 HGB.

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Soweit vertreten wird, die vertragliche Vereinbarung einer Sprunghaftung falle nicht unter den Anwendungsbereich von § 87a Abs. 1 Satz 3 HGB, teilt der Bundesgerichtshof diese Auffassung nicht. Die Parteien können aufgrund vertraglicher Vereinbarungen das Entstehen eines (Teil) Provisionsanspruchs nicht davon abhängig machen, dass der Dritte seinen Pflichten aus dem vermittelten Vertrag über einen gewissen Zeitraum hinweg nachkommt2. Denn durch eine solche Vertragsregelung würde die zwingende Vorschrift des § 87a Abs. 1 Satz 3 HGB umgangen.

Allerdings erteilt der Bundesgerichtshof auch der Auffassung eine Absage, der Handelsvertreterin stehe nach § 87a Abs. 1 Satz 3 HGB eine Teilprovision zu, die entsprechend dem Verhältnis des Zeitraums, in dem der Kunde für das Abonnement Zahlungen an die Geschäftsherrin geleistet hat, zu der vereinbarten Sprunghaftungsfrist (hier: von 27 Wochen) anteilig zu berechnen sei. Die vertragliche Regelung über die Sprunghaftung ist wegen Verstoßes gegen § 87a Abs. 1 Satz 3 HGB in Verbindung mit § 139 BGB nichtig. Die Handelsvertreterin kann als Provision den üblichen Satz gemäß § 87b Abs. 1 HGB verlangen.

Die vertragliche Regelung über die Sprunghaftung kann nicht in einen unwirksamen und einen wirksamen Teil aufgespalten werden. Der Verstoß gegen § 87a Abs. 1 Satz 3 HGB erfasst vielmehr die gesamte Vertragsbestimmung. Eine Teilnichtigkeit einer Vertragsbestimmung kann nach § 139 BGB nur angenommen werden, wenn ein verbleibender Teil als selbständige Regelung Bestand haben kann3. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Vereinbarung einer von der Haltbarkeit des vermittelten Abonnementvertrags abhängigen Netto-Vergütung verliert vielmehr insgesamt den von den Vertragsparteien mit ihr verfolgten Sinn, wenn die für den Provisionsanspruch maßgebliche Bedingung, dass der vom Handelsvertreter vermittelte Vertrag von dem Kunden über einen gewissen Mindestzeitraum hinweg erfüllt wird, wegen Verstoßes gegen die zwingende gesetzliche Vorschrift in § 87a Abs. 1 Satz 3 HGB nicht wirksam vereinbart werden kann. Denn mit der Vereinbarung einer Netto-Vergütung in Form einer Sprunghaftungsregelung wird dem Handelsvertreter das Risiko dafür auferlegt, dass der von ihm vermittelte Abonnementvertrag mit dem Kunden dauerhaft und damit für den Unternehmer gewinnbringend ist. Die vereinbarte Sprunghaftungsfrist dient dabei dazu, den Zeitraum festzulegen, der statistisch gesehen die Erwartung rechtfertigt, dass der Vertrag mit dem Kunden über einen Zeitraum hinweg fortgeführt wird, der ihn für den Unternehmer wirtschaftlich rentabel macht. Im Gegenzug verpflichtet sich der Unternehmer, eine höhere Provision an den Handelsvertreter zu zahlen. Ein von der statistischen Haltbarkeit des vom Handelsvertreter vermittelten Vertrags abhängiges Provisionsmodell kann jedoch dann nicht mehr entsprechend dem von den Parteien vereinbarten Inhalt und der damit einhergehenden Risikoverteilung teilweise aufrechterhalten werden, wenn im Hinblick auf die zwingende Vorschrift des § 87a Abs. 1 Satz 3 HGB die hierfür zentrale Sprunghaftungsregelung nicht wirksam vereinbart werden kann.

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Der zuerkannte Teilprovisionsanspruch ergibt sich auch nicht bei Anwendung der Verhandlungsklauseln in den vertraglichen Vereinbarungen. Die Vertragsparteien haben in dem Dienstleistungsvertrag und der Rahmenvereinbarung für den Fall, dass eine oder mehrere Bestimmungen des Vertrags unwirksam sind, vereinbart, eine der unwirksamen Regelung wirtschaftlich möglichst nahekommende rechtswirksame Regelung zu treffen. Nach dem vorstehend Gesagten kann eine der vertraglichen Sprunghaftungsregelung wirtschaftlich vergleichbare Provisionsvereinbarung, die es ermöglicht, die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer Provision von einer gewissen Mindesthaltbarkeit des Abonnements abhängig zu machen, im Hinblick auf die zwingende Vorschrift des § 87a Abs. 1 Satz 3 HGB nicht wirksam vereinbart werden. Die von den Parteien für den Fall der Unwirksamkeit einer Vertragsbestimmung vereinbarte Verhandlungsklausel läuft damit ins Leere.

Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt nicht in Betracht, wenn die durch die Unwirksamkeit einer Vertragsbestimmung hervorgerufene Vertragslücke durch Heranziehung des dispositiven Rechts sachgerecht geschlossen werden kann4. So liegt der Fall hier. Gemäß § 87b Abs. 1 HGB ist, wenn die Höhe der Provision nicht bestimmt ist, der übliche Satz als vereinbart anzusehen. Hiermit wird den Vertragsparteien für den Fall, dass die Provisionsvereinbarung unwirksam ist, eine sachgerechte Regelung zur Ermittlung der dem Handelsvertreter zustehenden Provision zur Verfügung gestellt.

Ein der Handelsvertreterin zustehender Provisionsanspruch ist vorliegend auch nicht gemäß § 87a Abs. 3 Satz 2 HGB entfallen. Nicht tragfähig ist insoweit allerdings die Auffassung, die Geschäftsherrin habe bereits deshalb keine Nachbearbeitung geschuldet, weil diese wirtschaftlich allein der Handelsvertreterin zugutegekommen wäre. Diese Annahme ist von Denkfehlern beeinflusst. Denn die Nachbearbeitung des Abonnements fördert in jedem Fall auch die Chance der Geschäftsherrin, dass das Abonnement über einen Zeitraum hinweg bestehen bleibt, der es ihr ermöglicht, hieraus Gewinn zu erzielen. Die Annahme, die Geschäftsherrin sei zur Nachbearbeitung der Abonnementverträge nicht verpflichtet, erweist sich jedoch deswegen im Ergebnis als zutreffend, weil angesichts der geringfügigen Forderungsbeträge eine Nachbearbeitung der nicht oder nicht vollständig ausgeführten Verträge nicht gefordert werden kann. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der Instanzgerichte ist anerkannt, dass ein Nachweis von Nachbearbeitungsbemühungen vom Unternehmer nicht verlangt werden kann, wenn die ausstehenden Zahlungsbeträge verhältnismäßig geringfügig sind5.

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Bundesgerichtshof, Urteil vom 12. März 2015 – VII ZR 336/13

  1. vgl. BT-Drs. 11/3077, S. 8[]
  2. a.A. Emde, Vertriebsrecht, 3. Aufl., § 87 Rn. 14[]
  3. st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 17.10.2008 – V ZR 14/08, NJW 2009, 1135 Rn. 10; vom 14.11.2000 – XI ZR 248/99, BGHZ 146, 37, 47; vom 04.02.1994 – V ZR 277/92, NJW 1994, 1470, 1471[]
  4. vgl. BGH, Urteile vom 13.11.1997 – IX ZR 289/96, BGHZ 137, 153, 157; vom 24.06.1982 – VII ZR 244/81, NJW 1982, 2190, 2191; vom 10.07.1963 – VIII ZR 204/61, BGHZ 40, 91, 103 m.w.N.[]
  5. vgl. BGH, Urteil vom 21.10.1971 – VII ZR 54/70, MDR 1972, 135 f.; OLG Celle, OLGR 2001, 267, 268[]