Die nicht sofort erkannte Schweinegrippe

Ist beim ersten Arztbesuch eines Patienten nicht diagnostiziert worden, dass er eine Schweinegrippe mit einer Lungenentzündung hat, kann der Patient dennoch keinen Schadensersatz vom Arzt verlangen, wenn eine ausreichende Untersuchung stattgefunden hat und keine fehlerhafte Behandlung festzustellen war.

Die nicht sofort erkannte Schweinegrippe

Mit dieser Begründung hat das Oberlandesgericht Hamm in dem hier vorliegenden Fall dem Schmerzensgeldbegehren eines Klägers gegen seinen Arzt keinen Erfolg beschieden und die erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts Hagen bestätigt. Der seinerzeit 39jährige Kläger aus Schwerte suchte im November 2009 den beklagten Facharzt für Allgemeinmedizin aus Schwerte auf, um sich wegen hohen Fiebers, Hustens und eines allgemeinen Krank-heitsgefühls behandeln zu lassen. Der Beklagte diagnostizierte eine grippale Atemwegsinfektion und eine akute Bronchitis und verordnete Medikamente. In der sich anschließenden Woche stellte sich der Kläger dem Beklagten zwei weitere Male mit zu zunehmenden Beschwerden vor und erhielt zuletzt ein Antibiotikum und ein Beruhigungsmittel verordnet. Am Abend vor der letzten Behandlung durch den Beklagten hatte der Kläger ein Krankenhaus aufgesucht, in dem eine Lungenentzündung diagnostiziert wurde und das er gegen den ärztlichen Rat wieder verlassen hatte. Am Abend nach der letzten Behandlung durch den Beklagten begab sich der Kläger erneut in ein Krankenhaus, wo er notfallmäßig wegen einer Lungenentzündung aufgenommen wurde und wenige Stunden später für die Dauer von dann insgesamt ca. 5 Wochen künstlich beatmet werden musste. In dem Krankenhaus wurde seine Infektion mit dem Schweinegrippevirus H1N1 diagnostiziert. Unter Hinweis auf die mehrmonatige Krankenhaus- und Rehabilitationsbehandlung (bis Ende März 2010) und erlittene neurologische Ausfälle hat der Kläger vom Beklagten Schadensersatz verlangt, insbesondere ein Schmerzensgeld von mindestens 100.000 €. Er hat gemeint, der Beklagte habe ihn unzureichend untersucht, fehlerhaft medikamentiert und eine rechtzeitige Krankenhauseinweisung versäumt.

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Beweiskraft tatbestandlicher Feststellungen

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm habe der Beklagte beim ersten Besuch den Kläger ausreichend untersucht und richtig behandelt. Aufgrund der erhobenen Befunde habe er keine Schweinegrippe oder Lungenentzündung diagnostizieren können. Auch bei der zweiten Behandlung habe der Beklagte keine diagnostischen oder therapeutischen Maßnahmen versäumt. Dass beim Kläger zum Zeitpunkt der dritten Behandlung ein Zustand vorgelegen habe, der seine sofortige Einweisung in ein Krankenhaus erforderlich gemacht hätte, sei ebenfalls nicht feststellbar.

Lungenentzündungen, bei denen keine zunehmende Atem- oder Luftnot bestehe, würden in der Regel zu Hause behandelt.

Der im Prozess gehörte medizinische Sachverständige habe den Behandlungsunterlagen entnommen, dass die maßgebliche, eine stationäre Behandlung notwendig machende Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers erst am Abend dieses Tages eingetreten sei. So sei auch die künstliche Beatmung des Klägers erst nach mehreren Stunden seines Krankenhausaufenthaltes für erforderlich gehalten worden. Schließlich sei der Kläger vom Beklagten auch nicht falsch medikamentiert worden. Durch die Einnahme der verordneten Medikamente sei dem Kläger jedenfalls kein Schaden entstanden.

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 29. Juli 2013 – 3 U 26/13