Drittschadensliquidation bei der Inanspruchnahme eines Architekten

Aktuell hatte sich der Bundesgerichtshof mit der Drittschadensliquidation bei der Inanspruchnahme eines Architekten für Kosten der Sanierung von Mängeln eines Industriehallenfußbodens zu befassen, die auf von dem Architekten schuldhaft verursachte Mängel des Architektenwerks zurückzuführen sind, wenn die Sanierungskosten nicht von dem Auftraggeber des Architekten und Halleneigentümer, sondern von einem mit dem Auftraggeber vertraglich verbundenen Pächter entsprechend den Regelungen des Pachtvertrags getragen worden sind:

Drittschadensliquidation bei der Inanspruchnahme eines Architekten

Kein eigener Schadensersatzanspruch der Grundstückseigentümerin[↑]

Der Bundesgerichtshof verneint zunächst einen eigenen Schaden der Grundstückseigentümerin bezüglich der entstandenen Sanierungskosten:

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann ein Schadensersatzanspruch des Bestellers aufgrund einer normativen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) geprägten schadensrechtlichen Wertung zu verneinen sein, wenn dem Besteller durch dessen Erfüllung ungerechtfertigte, ihn bereichernde Vorteile zufließen würden1.

Aufgrund einer entsprechenden normativen von Treu und Glauben geprägten schadensrechtlichen Wertung ist im Streitfall ein eigener Schaden der Grundstückseigentümerin, soweit es um die entstandenen Kosten der Sanierung des Hallenfußbodens geht, zu verneinen, weil sich bei der Grundstückseigentümerin unter Berücksichtigung der Vereinbarung in dem Pachtvertrag hinsichtlich dieser Kosten von vornherein keine Vermögenseinbuße verwirklicht hat.

Derartige Kosten sind gemäß der genannten Vertragsbestimmung von der Pächterin, nicht von der Grundstückseigentümerin zu tragen. Diese Bestimmung wurde und wird, wie bereits erörtert, von der Grundstückseigentümerin und der Pächterin übereinstimmend so verstanden, dass sämtliche Arbeiten an der verpachteten Halle in den Verantwortungsbereich der Pächterin fallen und von dieser auch bezahlt werden müssen. Dementsprechend wurden sämtliche mit der Sanierung zusammenhängenden Arbeiten von der Pächterin in Auftrag gegeben; die als Beleg für die Sanierungskosten vorgelegten Rechnungen wurden von dieser, nicht von der Grundstückseigentümerin beglichen. Bei dieser Lage würden der Grundstückseigentümerin ungerechtfertigte, sie bereichernde Vorteile zufließen, wenn sie Ersatz eines eigenen Schadens in Form der genannten Sanierungskosten erhalten könnte.

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An der vorstehenden normativen von Treu und Glauben geprägten schadensrechtlichen Wertung ändert im Streitfall die Erwägung nichts, dass dem Ersatzpflichtigen solche Vorteile grundsätzlich nicht zugute kommen sollen, die sich der Ersatzberechtigte durch Abschluss eines – den Ersatzpflichtigen nichts angehenden – Vertrags mit einem Dritten erarbeitet hat2. Im Streitfall geht es nicht um eine nachträgliche Beseitigung oder verminderung eines bereits eingetretenen Schadens aufgrund eines derartigen vom Ersatzberechtigten geschlossenen Vertrags. Vielmehr hat sich bei der Grundstückseigentümerin unter Berücksichtigung der bereits zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses bestehenden Vereinbarung im Pachtvertrag hinsichtlich der Sanierungskosten von vornherein keine Vermögenseinbuße verwirklicht.

Drittschadensliquidation des Folgeschadens[↑]

Aufgrund einer Vertragspflichtverletzung kann der Vertragspartner den daraus entstehenden Schaden grundsätzlich nur insoweit geltend machen, als er bei ihm selbst eingetreten ist3. In besonders gelagerten Fällen lässt die Rechtsprechung allerdings eine Drittschadensliquidation zu, bei der der Vertragspartner den Schaden geltend machen kann, der bei dem Dritten eingetreten ist, der selbst keinen Anspruch gegen den Schädiger hat. Für die Zulassung einer Drittschadensliquidation ist der Gesichtspunkt maßgebend, dass der Schädiger keinen Vorteil daraus ziehen soll, wenn ein Schaden, der eigentlich bei dem Vertragspartner eintreten müsste, zufällig aufgrund eines zu dem Dritten bestehenden Rechtsverhältnisses auf diesen verlagert ist4. Die Anwendung der Grundsätze der Drittschadensliquidation scheidet aus, wenn die Drittschadensliquidation zu einer dem allgemeinen Vertragsrecht widersprechenden Schadenshäufung führen würde5.

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Nach diesen Maßstäben kommt im Streitfall ein Schadensersatzanspruch der Grundstückseigentümerin gegen die Architektin hinsichtlich der entstandenen Sanierungskosten nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation in Betracht. Der betreffende Schaden ist unter Berücksichtigung der pachtvertraglichen Vereinbarung nicht bei der als Auftraggeberin des Architektenvertrags ersatzberechtigten Grundstückseigentümerin, sondern bei der Pächterin eingetreten, die selbst keinen eigenen vertraglichen oder gesetzlichen Anspruch auf Ersatz der entstandenen Sanierungskosten hat. Dabei handelt es sich um eine bloße – zufällige – Verlagerung des Schadens.

Eine die Zulässigkeit der Drittschadensliquidation hindernde Schadenshäufung kann im Streitfall auch nicht mit der Erwägung angenommen werden, dass bei der Grundstückseigentümerin ein Schaden in Form der von der Architektin schuldhaft verursachten Mängel des Architektenwerks eingetreten sei. Denn um den Ersatz eines solchen Schadens geht es bei dem Schadensersatzbegehren der Grundstückseigentümerin nicht. Dieses bezieht sich nur auf die entstandenen Sanierungskosten, bei denen es sich um Folgeschäden der von der Architektin schuldhaft verursachten Mängel des Architektenwerks handelt und aus denen eine Vermögenseinbuße lediglich bei der Pächterin resultiert.

Weiterleitungpflicht für Schadensersatzleistungen[↑]

Bei einer Drittschadensliquidation, bei der der nach dem Vertrag Ersatzberechtigte Leistung an sich verlangt, ist es dessen Sache, die grundsätzlich den Schädiger nichts angeht, die Ersatzleistung an den geschädigten Dritten weiterzuleiten6. Nur wenn feststeht, dass der geschädigte Dritte tatsächlich nichts davon erhalten würde, ist es gerechtfertigt, den Anspruch zu versagen. Das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls ist vom Schädiger zu beweisen7.

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Bundesgerichtshof, Urteil vom 14. Januar 2016 – VII ZR 271/14

  1. vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 01.08.2013 – VII ZR 75/11, BGHZ 198, 150 Rn. 22 m.w.N.[]
  2. vgl. BGH, Urteil vom 15.11.1967 – VIII ZR 150/65, BGHZ 49, 56, 62 15; Urteil vom 25.04.1996 – VII ZR 157/94, BauR 1996, 735, 736 f. 18; Beschluss vom 01.06.2010 – VI ZR 346/08, NJW-RR 2010, 1683 Rn. 17[]
  3. vgl. BGH, Urteil vom 04.12 1997 – IX ZR 41/97, NJW 1998, 1864, 1865[]
  4. vgl. BGH, Urteil vom 11.02.1983 – V ZR 300/81, WM 1983, 416, 417 17 m.w.N.[]
  5. vgl. BGH, Urteil vom 27.06.1985 – VII ZR 23/84, BGHZ 95, 128, 136 f. 29; Urteil vom 12.07.1968 – V ZR 14/67, DB 1968, 2168 f. 17 f.; Urteil vom 10.07.1963 – VIII ZR 204/61, BGHZ 40, 91, 107 31[]
  6. vgl. BGH, Urteil vom 04.12 1997 – IX ZR 41/97, NJW 1998, 1864, 1865 7[]
  7. vgl. BGH, Urteil vom 04.12 1997 – IX ZR 41/97, aaO[]