Eigenbedarf für die Nichte

Der Vermieter kann eine von ihm vermietete Wohnung gemäß § 573 Abs. 1 BGB nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Ein solches berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt, § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Zu diesen Familienangehörigen, deren Wohnbedarf eine Eigenbedarfskündigung rechtfertigten, gehören nach einem heute verkündeten Urteil des Bundesgerichtshofs auch die Nichten und Neffen des Vermieters.

Eigenbedarf für die Nichte

Hintergrund des heutigen Urteils des Bundesgerichtshofs ist ein Rechtsstreit aus Baden-Baden: Im Sommer 2004 zog die damals 85-jährige Klägerin aus ihrer Eigentumswohnung in Baden-Baden aus und übersiedelte in eine nahe gelegene Seniorenresidenz. Sie vermietete die Wohnung ab September 2004 an die Beklagten zu einer monatlichen Miete von 1.050 €. Im August 2007 übertrug die verwitwete und kinderlose Klägerin das Eigentum an der Wohnung im Wege vorweggenommener Erbfolge auf ihre Nichte; dabei behielt sie sich einen Nießbrauch an der Wohnung vor. In dem Übertragungsvertrag verpflichtete sich die Nichte als Gegenleistung gegenüber der Klägerin, auf Lebenszeit deren Haushalt in der Seniorenresidenz zu versorgen und die häusliche Grundpflege der Klägerin zu übernehmen. Durch Anwaltsschreiben ließ die Klägerin seit August 2007 mehrfach Kündigungen des mit den Beklagten bestehenden Mietverhältnisses aussprechen. Als Kündigungsgrund wurde auch Eigenbedarf für die Nichte aufgrund der Pflegevereinbarung im Vertrag vom August 2007 geltend gemacht.

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Das Amtsgericht Baden-Baden hat die anschließend von der Vermieterin erhobene Räumungsklage abgewiesen wegen fehlenden Eigenbedarfs zurückgewiesen, da die Nichte nicht zu den Familienangehörigen zähle, deren Wohnbedarf eine Eigenbedarfskündigungen rechtfertigen könne1. Die hiergegen von der Vermieterin eingelegte Berufung hat das Landgericht Baden-Baden mit der gleichen Begründung zurückgewiesen2.

Die dagegen gerichtete Revision der Vermieterin hatte nun beim Bundesgerichtshof Erfolg, der Bundesgerichtshof entschied, dass die Eigenbedarfskündigung berechtigt war, da die Nichte der Klägerin als Familienangehörige im Sinne § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB anzusehen ist.

Der Bundesgerichtshof hat dabei in Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung zu § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB ausgeführt, dass nicht nur Geschwister, sondern auch deren Kinder noch so eng mit dem Vermieter verwandt sind, dass es nicht darauf ankommt, ob im Einzelfall eine besondere persönliche Beziehung oder soziale Bindung zum Vermieter besteht.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 27. Januar 2010 – VIII ZR 159/09

  1. AG Baden-Baden, Urteil vom 01.07.2008 – 7 C 150/08[]
  2. LG Baden-Baden, Urteil vom 26.05.2009 – 2 S 9/09[]