Ratenzahlung nach Zahlungseinstellung – und die Darlegungslast bei der Insolvenzanfechtung

Hatte der Schuldner seine Zahlungen eingestellt, muss der Anfechtungsgegner darlegen und beweisen, dass der Schuldner die Zahlungen im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung allgemein wieder aufgenommen hatte.

Ratenzahlung nach Zahlungseinstellung – und die Darlegungslast bei der Insolvenzanfechtung

Allein die Tatsache, dass über die Verbindlichkeit des Schuldners gegenüber dem Anfechtungsgegner (hier: in einem gerichtlichen Vergleich) eine Ratenzahlungsvereinbarung getroffen wurde und der Schuldner die vereinbarten Raten zahlte, genügt hierfür in der Regel selbst dann nicht, wenn die Zahlungseinstellung maßgeblich aus der Nichtbedienung dieser Verbindlichkeit abgeleitet worden ist.

Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung – der von § 133 Abs. 1 InsO vorausgesetzten Vorsatz des Schuldners, seine Gläubiger zu benachteiligen – können – weil es sich um innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen handelt – meist nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden1.

Der von § 133 Abs. 1 InsO vorausgesetzte Benachteiligungsvorsatz ist gegeben, wenn der Schuldner bei Vornahme der Rechtshandlung (§ 140 InsO) die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen als Erfolg seiner Rechtshandlung gewollt oder als mutmaßliche Folge – sei es auch als unvermeidliche Nebenfolge eines an sich erstrebten anderen Vorteils – erkannt und gebilligt hat.

Ein Schuldner, der zahlungsunfähig ist und seine Zahlungsunfähigkeit kennt, handelt in aller Regel mit Benachteiligungsvorsatz. In diesem Fall weiß der Schuldner, dass sein Vermögen nicht ausreicht, um sämtliche Gläubiger zu befriedigen. Zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO ist die Aufstellung einer Liquiditätsbilanz entbehrlich, wenn eine Zahlungseinstellung (§ 17 Abs. 2 Satz 2 InsO) die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit begründet. Zahlungseinstellung ist dasjenige nach außen hervortretende Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Sie kann aus einem einzelnen, aber auch aus einer Gesamtschau mehrerer darauf hindeutender, in der Rechtsprechung entwickelter Beweisanzeichen gefolgert werden2.

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In Anwendung dieser Maßstäbe konnte in dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall das Zahlungsverhalten der Schuldnerin bezüglich ihrer restlichen Verbindlichkeit aus dem Kauf des Reisebusses die Annahme einer Zahlungseinstellung rechtfertigen: Der offene Restkaufpreis von 59.196, 16 € aus dem im September 2003 geschlossenen Vertrag stellte angesichts des verhältnismäßig geringen Umfangs des Geschäftsbetriebs der Schuldnerin, eines Reisebüros, eine Verbindlichkeit von beträchtlicher Höhe dar. Sie war bereits im Mai 2004 Gegenstand einer außergerichtlichen Ratenzahlungsvereinbarung gewesen, die von der Schuldnerin in der Folgezeit nicht eingehalten wurde. Nach der Abtretung der Forderung an die Anfechtungsgegnerin (Gläubigerin) musste diese den noch offenen Betrag von 46.479, 34 € im Frühjahr 2005 gerichtlich geltend machen. In der mündlichen Verhandlung vom 19.08.2005 erklärte die Schuldnerin, den in Aussicht genommenen Vergleichsbetrag von 40.000 € nicht in einer Summe bezahlen zu können. Ihr Ersuchen um Ratenzahlung beruhte danach ersichtlich auf einem Mangel an Zahlungsmitteln und war deshalb ein zusätzliches Indiz dafür, dass die Schuldnerin ihre Zahlungen eingestellt hatte3. Zum Zeitpunkt der angefochtenen Ratenzahlungen war die Zahlungsunfähigkeit jedenfalls nicht allein deshalb wieder behoben, weil nach dem gerichtlichen Ratenzahlungsvergleich nicht mehr die Gesamtverbindlichkeit fällig war, sondern nur die jeweils anstehende Monatsrate.

Forderungen, die rechtlich oder auch nur tatsächlich gestundet sind, dürfen bei der Prüfung der Zahlungseinstellung und Zahlungsunfähigkeit nicht berücksichtigt werden4. Auch der Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung enthält eine solche Stundung. Die gestundete Gesamtverbindlichkeit muss deshalb, sofern es sich nicht um eine erzwungene Stundung handelt5, außer Betracht bleiben, wenn es darum geht, für die Zeit nach dem Abschluss der Ratenzahlungsvereinbarung eine Zahlungsunfähigkeit – erstmals – festzustellen. Handelt es sich bei dieser Verbindlichkeit um die einzige, auf welche die Zahlungsunfähigkeit gestützt werden soll, muss die Feststellung scheitern.

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Anders verhält es sich, wenn feststeht, dass der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hatte, bevor Ratenzahlung vereinbart wurde. Eine einmal eingetretene Zahlungseinstellung wirkt grundsätzlich fort. Sie kann nur dadurch wieder beseitigt werden, dass die Zahlungen im Allgemeinen wieder aufgenommen werden. Dies hat derjenige zu beweisen, der sich darauf beruft. Hat der anfechtende Verwalter für einen bestimmten Zeitpunkt den ihm obliegenden Beweis der Zahlungseinstellung des Schuldners geführt, muss der Anfechtungsgegner grundsätzlich beweisen, dass diese Voraussetzung zwischenzeitlich wieder entfallen ist6. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts genügt es hierfür nicht, dass mit der Ratenzahlungsvereinbarung diejenige Verbindlichkeit als gestundet gilt, deren Nichtbedienung die Feststellung der Zahlungseinstellung trägt. Der Anfechtungsgegner hat vielmehr zu beweisen, dass der Schuldner seine Zahlungen allgemein wieder aufgenommen hat. Dazu gehört zum einen, dass er die vereinbarten Raten zahlt. Darüber hinaus muss der Schuldner aber auch den wesentlichen Teil seiner übrigen Verbindlichkeiten bedienen7. Dazu hat die Anfechtungsgegnerin (Gläubigerin) im hier entschiedenen Fall aber nichts vorgetragen.

In welchem Umfang dem Insolvenzverwalter in solchen Fällen eine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich fortbestehender Zahlungsrückstände des Schuldners gegenüber anderen Gläubigern obliegt, braucht hier nicht abschließend entschieden zu werden. Der Insolvenzverwalter hat im Streitfall vorgetragen, gegenüber der O. GmbH habe eine seit dem 1.06.2005 fällige Forderung in Höhe von 15.420, 56 € bestanden, die durch Urteil vom 12.06.2006 tituliert worden sei. Auch die Kreissparkasse L. , die T. S. GmbH und die E. GmbH hätten fällige und unerfüllte Forderungen gehabt, wegen der zu Beginn des Jahres 2007 Zwangsvollstreckungsverfahren betrieben worden seien. In Rückstand sei die Schuldnerin auch gegenüber den Sozialversicherungskassen gewesen. An die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft Bahn-See Minijob-Zentrale habe die Schuldnerin von August 2005 bis Juni 2008 keine Sozialversicherungsbeiträge gezahlt, weshalb diese für den genannten Zeitraum eine Hauptforderung von 5.829, 61 € zur Insolvenztabelle angemeldet habe. Ab Dezember 2005 bis Februar 2007 sei die Schuldnerin auch gegenüber der zuständigen Krankenkasse mit der Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen im Gesamtbetrag von 5.445, 23 €, der später zur Insolvenztabelle angemeldet worden sei, in Rückstand geraten. Die Anfechtungsgegnerin (Gläubigerin) hat diese Verbindlichkeiten teilweise bestritten und im Übrigen nur ihre Kenntnis von Rückständen gegenüber anderen Gläubigern in Abrede gestellt. Den ihr obliegenden Beweis, dass die Schuldnerin ihre Zahlungen im Allgemeinen wieder aufgenommen habe, hat sie damit nicht geführt.

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Hatte die Anfechtungsgegnerin (Gläubigerin) im August 2005 im Blick auf das bisherige Zahlungsverhalten der Schuldnerin und auf deren Ersuchen um Ratenzahlung die Zahlungseinstellung der Schuldnerin erkannt, oblag es ihr, darzulegen und zu beweisen, warum sie später davon ausging, die Schuldnerin habe ihre Zahlungen möglicherweise allgemein wieder aufgenommen8. Der Abschluss der Ratenvereinbarung und die nachfolgende ratenweise Tilgung ihrer eigenen Forderung ließen ihre Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin nicht entfallen. Allein dieser Umstand legte nicht nahe, dass die Schuldnerin ihre Zahlungsfähigkeit zurückgewonnen und ihre Zahlungen im Wesentlichen vollständig wieder aufgenommen hatte. Konkrete Tatsachen, denen zufolge sich die Liquiditätslage der Schuldnerin verbessert hatte, waren der Anfechtungsgegnerin (Gläubigerin) nicht bekannt geworden.

Ein Gläubiger, der mit dem Schuldner nach Eintritt der Zahlungseinstellung eine Ratenzahlungsvereinbarung zur Abwendung der allein aus seiner Forderung herzuleitenden Insolvenz schließt, kann regelmäßig nicht davon ausgehen, dass die Forderungen anderer Gläubiger, mit denen bei einem gewerblich tätigen Schuldner immer zu rechnen ist9, in vergleichbarer Weise bedient werden wie seine eigenen. Er kann sich nicht der Erkenntnis verschließen, dass andere Gläubiger davon absehen, in gleicher Weise wie er Druck auf den Schuldner auszuüben, um ihre Forderungen einzutreiben. Vielmehr muss er damit rechnen, dass andere Gläubiger die schleppende Zahlungsweise des Schuldners und damit die Nichtbegleichung ihrer Forderungen hinnehmen. Darum entspricht es einer allgemeinen Lebenserfahrung, dass Schuldner – um ihr wirtschaftliches Überleben zu sichern – unter dem Druck eines besonders auf Zahlung drängenden Gläubigers Zahlungen bevorzugt an diesen leisten, um ihn zum Stillhalten zu bewegen. Vor diesem Hintergrund verbietet sich im Regelfall ein Schluss des Gläubigers dahin, dass – nur weil er selbst Zahlungen erhalten hat – der Schuldner seine Zahlungen auch im Allgemeinen wieder aufgenommen habe10.

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Stützt sich der Insolvenzverwalter im Insolvenzanfechtungsprozess zum Nachweis der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners auf ein oder mehrere Beweisanzeichen und auf die im Falle einer Zahlungseinstellung bestehende gesetzliche Vermutung, hat das Gericht im Rahmen des Prozessrechts auf Antrag des Anfechtungsgegners zur Entkräftung der Beweisanzeichen und zur Widerlegung der Vermutung durch einen Sachverständigen eine Liquiditätsbilanz erstellen zu lassen11. Einen solchen Beweisantrag hat die Anfechtungsgegnerin (Gläubigerin) gestellt.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 24. März 2016 – IX ZR 242/13

  1. BGH, Urteil vom 13.08.2009 – IX ZR 159/06, WM 2009, 1943 Rn. 8[]
  2. BGH, Urteil vom 12.02.2015 – IX ZR 180/12, WM 2015, 591 Rn. 16, 18; vom 07.05.2015 – IX ZR 95/14, WM 2015, 1202 Rn. 11 ff, jeweils mwN[]
  3. vgl. BGH, Beschluss vom 16.04.2015 – IX ZR 6/14, WM 2015, 933 Rn. 3 f mwN; Urteil vom 30.04.2015 – IX ZR 149/14, WM 2015, 1339 Rn. 10; Beschluss vom 24.09.2015 – IX ZR 308/14, WM 2015, 2107 Rn. 3; Urteil vom 25.02.2016 – IX ZR 109/15, ZInsO 2016, 628 Rn.20 f[]
  4. BGH, Urteil vom 20.12 2007 – IX ZR 93/06, WM 2008, 452 Rn. 25; vom 06.12 2012 – IX ZR 3/12, WM 2013, 174 Rn. 29[]
  5. vgl. dazu BGH, Urteil vom 14.02.2008 – IX ZR 38/04, WM 2008, 698 Rn. 22; vom 06.12 2012, aaO Rn. 34[]
  6. BGH, Urteil vom 06.12 2012, aaO Rn. 33 mwN; vom 25.02.2016 – IX ZR 109/15, ZInsO 2016, 628 Rn. 24[]
  7. vgl. BGH, Urteil vom 20.11.2001 – IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178, 188; vom 24.05.2007 – IX ZR 97/06, WM 2007, 1579 Rn. 23; vom 20.12 2007 – IX ZR 93/06, WM 2008, 452 Rn. 24 ff; vom 27.03.2008 – IX ZR 98/07, WM 2008, 840 Rn. 21; vom 25.10.2012 – IX ZR 117/11, WM 2012, 2251 Rn. 18; vom 06.12 2012, aaO Rn. 36; Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 17 Rn. 18; Uhlenbruck/Mock, InsO, 14. Aufl., § 17 Rn. 135[]
  8. BGH, Urteil vom 27.03.2008 – IX ZR 98/07, WM 2008, 840 Rn. 23; vom 06.12 2012 – IX ZR 3/12, WM 2013, 174 Rn. 33 mwN; vom 25.02.2016 – IX ZR 109/15, ZInsO 2016, 628 Rn. 24[]
  9. BGH, Urteil vom 06.12 2012, aaO Rn. 15; vom 25.02.2016, aaO Rn. 11 mwN[]
  10. vgl. BGH, Urteil vom 06.12 2012, aaO Rn. 42 mwN; vom 25.02.2016, aaO Rn. 30[]
  11. BGH, Beschluss vom 26.03.2015 – IX ZR 134/13, WM 2015, 1025 Rn. 6 mwN[]
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