Mitverschuldensvorwurf an den Unfallhelfer

Ergreift ein Unfallhelfer nach einem Unfall, bei dem das Ausmaß der Gefährdung und der Hilfebedürftigkeit der beteiligten Verkehrsteilnehmer nicht sogleich zutreffend erkannt werden kann, nicht die aus nachträglicher Sicht vernünftigste Maßnahme, folgt hieraus noch nicht ein Mitverschuldensvorwurf.

Mitverschuldensvorwurf an den Unfallhelfer

Wenn ein Verkehrsteilnehmer unmittelbar nach einem Unfall im Straßenverkehr nicht die aus nachträglicher Sicht vernünftigste Maßnahme ergreift, folgt hieraus nicht zwangsläufig ein (Mit-)Verschuldensvorwurf1. Objektiv falsche Reaktionen von Verkehrsteilnehmern stellen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann kein schuldhaftes Verhalten im Sinne von § 254 Abs. 1 BGB dar, wenn der Verkehrsteilnehmer in einer ohne sein Verschulden eingetretenen, für ihn nicht voraussehbaren Gefahrenlage keine Zeit zu ruhiger Überlegung hat und deshalb nicht das Richtige und Sachgerechte unternimmt, um den Unfall zu verhüten, sondern aus verständlicher Bestürzung objektiv falsch reagiert2. In einer vergleichbaren Situation kann sich ein Unfallhelfer oder ein Unfallbeteiligter nach einem Unfall befinden, bei dem das Ausmaß der Gefährdung und der Hilfebedürftigkeit der einzelnen Unfallbeteiligten und anderer Verkehrsteilnehmer nicht immer sogleich zutreffend erkannt werden kann.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 5. Oktober 2010 – VI ZR 286/09

  1. vgl. BGH, Urteil vom 28.09.1976 – VI ZR 219/74, VersR 1977, 36, 37[]
  2. BGH, Urteil vom 28.09.1976 – VI ZR 219/74, VersR 1977, 36; vom 04.11.2008 – VI ZR 171/07, VersR 2009, 234 Rn. 10 m.w.N.[]
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