Räum- und Streupflicht für Gehwege – und die Krankenhauszufahrt

Die Übertragung der Räum- und Streupflicht für einen Gehweg durch gemeindliche Satzung gilt auch dort, wo der Gehweg durch die Zufahrt zu dem Gelände eines Krankenhaus überquert wird (Gehwegüberfahrt).

Räum- und Streupflicht für Gehwege – und die Krankenhauszufahrt

Voraussetzung für einen Amtshaftungsanspruch gegen die Gemeinde nach Art. 34 GG, § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB ist insoweit ein Verstoß gegen die nach niedersächsischem Straßenrecht für innerörtliche Straßen die Gemeinden treffende Reinigungspflicht. Nach § 52 Abs. 1 Satz 3 Buchst. b)) und c)) des Niedersächsischen Straßengesetzes (NStrG) gehört zur Reinigung der Straßen auch die Schneeräumung auf den Fahrbahnen und Gehwegen und bei Glätte das Bestreuen der Gehwege, Fußgängerüberwege und der gefährlichen Fahrbahnstellen mit nicht unbedeutendem Verkehr. Die Gemeinden können diese Reinigungspflichten ganz oder zum Teil den Eigentümern der anliegenden Grundstücke auferlegen (§ 52 Abs. 4 Satz 1 NStrG). Hiervon hat in dem hier vom Oberlandesgericht Braunschweig entschiedenen Fall die Gemeinde hinsichtlich der Reinigung der Gehwege in § 5 Abs. 1 ihrer Straßenreinigungssatzung Gebrauch gemacht. Ausgenommen von dieser Übertragung sind lediglich die in einem Gehwegverzeichnis als Anlage zur Satzung aufgeführten Gehwege, zu denen die Straße, an der hier der Unfall geschah, nicht gehört.

Bei dem Straßenstück, auf dem im vorliegenden Fall die Klägerin nach ihrem eigenen Vorbringen gestürzt ist, handelt es sich um einen Gehweg im Sinne des Straßenrechts. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 der Straßenreinigungssatzung der Stadt S. sind Gehwege im Sinne der Satzung alle selbstständigen Gehwege, die gemeinsamen Fuß-und Radwege und alle erkennbar abgesetzt für die Benutzung durch Fußgänger vorgesehenen Straßenteile. Am Unfallort verfügt die K. Straße über einen durchgehenden Gehweg, der durch einen Grün-und Parkstreifen von den Fahrbahnen getrennt ist. Es handelt sich somit um einen Gehweg im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 der Straßenreinigungssatzung. Dieser Gehweg zieht sich auch an dem Grundstück der Streitverkündeten entlang. Seine Eigenschaft als Gehweg verliert dieses Stück der öffentlichen Straße (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 1, § 3 Abs. 2 NStrG) auch nicht im Bereich der nördlichen Zufahrt zum Klinikum.

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Nach § 20 Abs. 1 NStrG ist eine Zufahrt die für die Benutzung mit Fahrzeugen bestimmte Verbindung von Grundstücken oder von nichtöffentlichen Wegen mit einer Straße. Dabei endet eine Zufahrt nicht an der Grenze des Anliegergrundstücks zum öffentlichen Straßengrund, sondern wird da, wo sie auf einen Gehweg trifft, zur Gehwegüberfahrt. Sie endet demnach nicht am Gehweg, sondern führt notwendig über diesen Teil des Straßenkörpers hinweg bis auf die Fahrbahn1. Dementsprechend verliert ein Gehweg seine Eigenschaft nicht dort, wo er von einer Zufahrt überquert wird2.

Im vorliegenden Fall ist die Zufahrt zum Klinikgelände zwar in baulicher Hinsicht so gestaltet, dass sie ohne Bordsteinversatz mit durchgehender Asphaltierung von der Privatstraße des Klinikgeländes auf die Fahrbahn der K. Straße mündet und der Gehweg mit einer Lichtzeichenanlage für Fußgänger und markierter Fußgängerfurt ausgestattet ist. Damit wird aber die über den Gehweg führende Zufahrt nicht zu einer von der Beklagten zu reinigenden Fahrbahn der K. Straße. Es handelt sich vielmehr um eine bauliche Ausgestaltung der Verbindung des Klinikgeländes mit der K. Straße, die den tatsächlichen Gegebenheiten geschuldet ist, nämlich einer zumindest früher bestehenden verstärkten Nutzung der Zufahrt durch Mitarbeiter und Besucher des Klinikums3.

Die Straßenreinigungspflicht einschließlich der Räum- und Streupflicht trifft somit an der von der Klägerin behaupteten Unfallstelle nicht die Beklagte, sondern die Streitverkündete als Eigentümerin des anliegenden Grundstücks. Dies entspricht im Übrigen auch der die Streitverkündete treffende Unterhaltungspflicht für die Zufahrten zu ihrem Grundstück (§ 18 Abs. 4 Satz 1, § 20 Abs. 4 NStrG; vgl. Wendrich, NStrG, 4. Aufl., § 18 Rn. 6; § 20 Rz. 5)

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Oberlandesgericht Braunschweig, Urteil vom 16. Dezember 2015 – 3 U 13/15

  1. vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 26.05.3006 – 12 LA 150/05; VG Braunschweig, Urteil vom 10.03.2005 – 6A 162/04[]
  2. vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 11.12.2006 – 6 W 62/06[]
  3. vgl. OVG Lüneburg, a. a. O., Rn. 4 nach juris[]