Die im EGVP-Verfahren eingesetzte qualifizierte Container-Signatur genügt den Anforderungen des § 130a ZPO. Eine (zusätzliche) qualifizierte Signatur jeder einzelnen in dem Container übermittelten Datei ist dagegen nicht erforderlich.

Zwar handelt es sich bei der qualifizierten elektronischen Signatur im Sinne des § 130a Abs. 1 Satz 2 ZPO um eine zwingende Wirksamkeitsvoraussetzung bei bestimmenden Schriftsätzen1. Allerdings verwirft der Bundesgerichtshof die Ansicht, dass die qualifizierte Signatur der gesamten elektronischen Nachricht, mit der die Berufungsbegründung an das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach des Berufungsgerichts übermittelt worden ist (Container-Signatur), unzureichend ist und eine Signatur jeder einzelnen Datei erfolgen muss.
§ 130a ZPO wurde durch das Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr vom 13. Juli 20012 eingeführt. Er ermöglicht es, die in Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift genannten Dokumente als elektronisches Dokument einzureichen. Nach Abs. 1 Satz 2 der Norm soll die verantwortende Person das Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen. Die qualifizierte elektronische Signatur tritt an die Stelle der eigenhändigen Unterschrift im Sinne des § 130 Nr. 6 ZPO. Neben den sonstigen Funktionen der Unterschrift3 soll sie auch gewährleisten, dass das elektronische Dokument nicht spurenlos manipuliert werden kann4.
Die im EGVP-Verfahren eingesetzte qualifizierte Container-Signatur genügt den Anforderungen des § 130a ZPO5. Denn mit ihr werden Sinn und Zweck der qualifizierten Signatur – die Sicherstellung von Authentizität und Integrität des Dokuments – erreicht. Die qualifizierte Container-Signatur ist dadurch gekennzeichnet, dass sie nicht nur die jeweils übersandte Einzeldatei, sondern die gesamte elektronische Nachricht umfasst, mit der die Datei an das Gericht übermittelt wird6. Ebenso wie die Einzelsignatur stellt sie sicher, dass die Nachricht auf dem Weg vom Sender zum Empfänger nicht manipuliert worden ist. Sie ermöglicht die Feststellung, ob der Inhalt der übersandten Dateien verändert wurde. Darüber hinaus bietet die qualifizierte Container-Signatur eine der Einzelsignatur vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft und den Willen des Verfassers, die übersandten Dokumente in den Rechtsverkehr zu bringen7.
Nur ein solches Verständnis des Begriffs der qualifiziert elektronischen Signatur trägt dem Anspruch der Prozessbeteiligten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes, der es u.a. verbietet, an die Beachtung formeller Voraussetzungen für die Geltendmachung eines Rechtsschutzbegehrens überspannte Anforderungen zu stellen, ausreichend Rechnung8.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14. Mai 2013 – VI ZB 7/13
- vgl. BGH, Beschluss vom 21.12.2010 – VI ZB 28/10, BGHZ 188, 38 Rn. 6; BGH, Beschluss vom 14.01.2010 – VII ZB 112/08, BGHZ 184, 75 Rn. 15[↩]
- BGBl. I S. 1542[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 02.04.2008 – XII ZB 120/06, NJW-RR 2008, 1020 Rn. 7[↩]
- Perpetuierungs- oder Integritätsfunktion, vgl. BT-Drucks. 14/4987 S. 24; BGH, Beschlüsse vom 04.12.2008 – IX ZB 41/08, NJW-RR 2009, 357 Rn. 9; vom 14.01.2010 – VII ZB 112/08, BGHZ 184, 75 Rn. 12, 21[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 18.10.2006 – XI R 22/06, BFHE 215, 47, 52 f. zu dem § 130a ZPO entsprechenden § 77a Abs. 1 Satz 2 FGO a.F.; BVerwGE 138, 102 Rn. 15 zu § 55a VwGO; Braun in jurisPK-Internetrecht, 3. Aufl.2011, Kapitel 6 Rn. 81 f.; Schneider in Schneider, Handbuch des EDV-Rechts, 4. Aufl., B Rn. 859; Hadidi/Mödl, NJW 2010, 2097, 2098 f.; Roggenkamp, jurisPR-ITR 5/2006 Anm. 2; Viefhues, NJW 2005, 1009, 1010; derselbe, jurisPR-ITR 2/2007 Anm. 5; Musielak/Stadler, ZPO, 9. Aufl. § 130a Rn. 3; Fischer-Dieskau/Hornung, NJW 2007, 2897, 2899; Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 130a Rn. 4; Prütting in Prütting/Gehrlein, ZPO, § 130a Rn. 5; Gennen, DuD 2009, 661, 664; kritisch: Bacher, NJW 2009, 1548, 1549; verneinend: von Selle in BeckOK ZPO (Stand 30.10.2012) § 130a Rn. 8[↩]
- vgl. Bacher, NJW 2009, 1548; Hadidi/Mödl, NJW 2010, 2097, 2098 f.; Viefhues, jurisPR-ITR 2/2007 Anm. 5; Gennen, DuD 2009, 661, 664[↩]
- vgl. Bacher, aaO; Hadidi/Mödl, aaO S.2099; Roggenkamp, jurisPR-ITR 5/2006 Anm. 2; Musielak/Stadler, ZPO, 9. Aufl. § 130a Rn. 3; Fischer-Dieskau/Hornung, NJW 2007, 2897, 2899; Viefhues, aaO[↩]
- vgl. BGH, Beschlüsse vom 07.05.2009 – VII ZB 85/08, NJW 2009, 2311 Rn. 12; vom 10.05.2005 – XI ZR 128/04, NJW 2005, 2086, 2088 mwN; BVerfG NJW 2002, 3534[↩]