Die Gewinne von Personengesellschaften, an denen der Insolvenzschuldner beteiligt war, haben unabhängig vom Zufluss zur Masse zur Folge, dass die hinsichtlich seiner Gewinnanteile festzusetzenden Einkommensteuern Masseverbindlichkeiten sind.

Sonstige Masseverbindlichkeiten im Sinne des hier allein anzuwendenden § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO sind u.a. Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören. Insbesondere wegen der Art und Weise ihrer Geltendmachung und ihrer Anspruchsbefriedigung sind diese von den Insolvenzforderungen (§§ 35 Abs. 1, 38, 87, 174 ff., 187 ff. InsO) abzugrenzen. Insolvenzforderungen sind nach § 38 InsO solche Forderungen, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet waren. Die Abgrenzung zwischen Insolvenzforderungen und (sonstigen) Masseverbindlichkeiten richtet sich ausschließlich nach dem Zeitpunkt der insolvenzrechtlichen Begründung. Auf die steuerliche Entstehung der Forderung (z.B. § 38 AO i.V.m. § 36 Abs. 1 EStG) und deren Fälligkeit kommt es dagegen nicht an1.
Entscheidend ist, wann der Rechtsgrund für den Anspruch gelegt wurde2. Der Rechtsgrund für einen (abstrakten) Steueranspruch ist gelegt, wenn der gesetzliche Besteuerungstatbestand verwirklicht wird3. Ob und wann ein Besteuerungstatbestand nach seiner Art und Höhe tatbestandlich verwirklicht und damit insolvenzrechtlich begründet ist, richtet sich auch im Anschluss an die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausschließlich nach steuerrechtlichen Grundsätzen4.
Nach der Entscheidung des IV. Senats des Bundesfinanzhofs in BFHE 241, 233, BStBl II 2013, 759, kommt es für die insolvenzrechtliche Begründung des Einkommensteueranspruchs darauf an, ob der einzelne (unselbständige) Besteuerungstatbestand -insbesondere die Einkünfte nach § 2 Abs. 1 EStG- vor oder nach Insolvenzeröffnung verwirklicht wurde.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist deshalb auch die aus der anteiligen Zurechnung von Gewinnen aus den beiden Personengesellschaften resultierende Einkommensteuer, die den Insolvenzschuldner nach Eröffnung seines Insolvenzverfahrens trifft, zu Recht als Masseverbindlichkeit qualifiziert worden.
Betrifft eine solche Zurechnung nämlich wie hier den Zeitraum nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, wird der Besteuerungstatbestand der Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 EStG i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG auch erst nach der Insolvenzeröffnung vollständig verwirklicht und führt zu einer Masseverbindlichkeit5.
Masseverbindlichkeiten scheiden dabei nicht deshalb aus, weil die Einkünfte aus einer Beteiligung an einer Personengesellschaft nicht in die Insolvenzmasse geflossen sind. Zwar hatte der IV. Senat des Bundesfinanzhofs u.a. in seinem Urteil in BFHE 141, 2, BStBl II 1984, 602 zur KO entschieden, dass die aus der Veräußerung eines zur Konkursmasse gehörenden Wirtschaftsguts resultierende Einkommensteuer nur insoweit eine Masseverpflichtung sei, als sie auf dem zur Konkursmasse gelangten Betrag laste. An dieser Rechtsansicht hält der IV. Senat unter der Geltung der InsO nicht mehr fest, da eine solche Einschränkung der Masseverbindlichkeit nicht dem Wortlaut des § 55 Abs. 1 InsO entspreche. Auch könne der Insolvenzverwalter den Schuldner nicht persönlich mit seinem insolvenzfreien Vermögen verpflichten6. Letzteres wäre die Konsequenz, wäre die Einkommensteuer auf Handlungen des Insolvenzverwalters nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Masseverbindlichkeit.
Der X. Senat des Bundesfinanzhofs folgt dieser Rechtsansicht des IV. Senats. Er teilt ausdrücklich nicht die Überlegungen des Antragstellers, die Schlussfolgerungen des IV. Senats seien nicht zwingend, da andere Lösungsmöglichkeiten beständen. Dessen Ansicht, es läge eine Masseverbindlichkeit der insolventen Personengesellschaften vor, widerspricht der steuerrechtlichen Systematik der Besteuerung der Personengesellschaften. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG sind u.a. die Gewinnanteile den Mitunternehmern zuzurechnen, die Personengesellschaft selbst ist nicht einkommensteuerpflichtig. Sie ist kein Subjekt der Einkommensteuer, die Gesellschafter sind Träger des Unternehmens und des Gesellschaftsvermögens, denen die Ergebnisse der gemeinschaftlichen Tätigkeit anteilig nach den vertraglichen oder gesetzlichen Gewinnverteilungsschlüsseln als originäre eigene Einkünfte zugerechnet werden7. Hieran ändert sich aufgrund der Insolvenz der Personengesellschaft nichts. Die gegen diese Rechtsprechung dargelegten Argumente vermögen schon deshalb den Bundesfinanzhof nicht zu überzeugen, im Wege einer Rechtsfortbildung von diesen gefestigten Grundsätzen abzuweichen.
Für die Lösung eines Ausgleichsanspruchs der Masse des Gesellschafters gegen die Masse der Gesellschaft besteht keine Rechtsgrundlage.
Angewandt auf den hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen AdV-Fall führt dies dazu, dass die in den Bescheiden festgestellten Einkünfte aus der Beteiligung des Insolvenzschuldners an den Personengesellschaften, die steuerrechtlich in vollem Umfang nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind, der Masse zuzurechnen sind. Die Höhe ergibt sich für die Einkommensteuer nach § 182 Abs. 1 AO bindend aufgrund der in den Feststellungsverfahren getroffenen Feststellungen. Dabei hat der Bundesfinanzhof nicht darüber zu befinden, ob in Bezug auf einen Veräußerungsgewinn etwas anderes gelten muss. Im vorliegenden Fall sind laufende Gewinne zugerechnet worden. Die sich hieraus ergebende Einkommensteuer ist Masseverbindlichkeit. Unerheblich ist aus Sicht des Bundesfinanzhofs, welche Alternative des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO zur Anwendung kommt. Zumindest auch durch die Verwaltung der Insolvenzmasse (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 2 InsO), zu der die Beteiligungen gehören, sind diese Masseverbindlichkeiten begründet worden.
Soweit diese laufenden Gewinne aufgrund der Veräußerung von Wirtschaftsgütern auch auf stillen Reserven beruhen, ergibt sich kein Unterschied. In Übereinstimmung mit dem BFH in BFHE 241, 233, BStBl II 2013, 759 hält der Bundesfinanzhof an der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung fest, dass es nicht auf die Entstehung der stillen Reserven, sondern allein auf den Gewinnrealisationszeitpunkt ankommt. Erst zu diesem Zeitpunkt -hier nach Eröffnung der Insolvenz- werden auch stille Reserven mit steuerlicher Wirkung aufgedeckt8.
Trotz der Insolvenz der Personengesellschaften wie auch seiner eigenen hat der Insolvenzschuldner seine Mitunternehmerstellung behalten. Der angerufene Bundesfinanzhof hat bereits in seinem Urteil vom 05.03.2008 – X R 60/049 entschieden, die steuerliche Zuordnung und Erfassung von Einkünften werde durch die Vorschriften der InsO nicht verändert, weder bei einem Konkurs über das Vermögen der Mitunternehmerschaft noch bei einem Konkurs über das Vermögen eines Mitunternehmers noch in dem Fall, in dem -wie im Streitfall- sowohl über das Vermögen der Mitunternehmerschaft als auch über das des Mitunternehmers Insolvenz eröffnet wurde. Damit ist der Insolvenzschuldner und nicht der Antragsteller als Insolvenzverwalter auch im Streitjahr Gesellschafter und Mitunternehmer. Seine gesellschaftsrechtliche Stellung hatte der Insolvenzschuldner vor der Insolvenzeröffnung inne und sie nicht durch die Insolvenz verloren. Der Antragsteller ist lediglich Vermögensverwalter i.S. des § 34 Abs. 3 AO. Der Insolvenzschuldner trug auch weiterhin das Mitunternehmerrisiko -die gesellschaftsrechtliche Teilnahme am Erfolg oder Misserfolg seiner Beteiligung10- unverändert fort, droht doch aufgrund der Insolvenz die Wertlosigkeit seiner Beteiligungen.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 18. Dezember 2014 – X B 89/14
- ständige Rechtsprechung, BFH, Urteile vom 16.11.2004 – VII R 75/03, BFHE 208, 296, BStBl II 2006, 193, unter II. 2. der Gründe; und vom 16.05.2013 – IV R 23/11, BFHE 241, 233, BStBl II 2013, 759, unter II. 1.a, sowie BFH, Urteil vom 18.05.2010 – X R 60/08, BFHE 229, 62, BStBl II 2011, 429, unter II. 1.[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 241, 233, BStBl II 2013, 759, unter II. 1.a der Gründe unter Hinweis auf BFH, Beschluss vom 01.04.2008 – X B 201/07, BFH/NV 2008, 925, unter II. 2.c der Gründe, m.w.N.[↩]
- so zur Konkursordnung -KO- schon BFH, Urteil vom 29.03.1984 – IV R 271/83, BFHE 141, 2, BStBl II 1984, 602, unter 2.b; ebenso für die Geltung der InsO in BFHE 241, 233, BStBl II 2013, 759, unter II. 1.a[↩]
- ständige Rechtsprechung, so bereits BFH, Urteile in BFHE 208, 296, BStBl II 2006, 193, unter II. 2. der Gründe; vom 29.08.2007 – IX R 4/07, BFHE 218, 435, BStBl II 2010, 145, unter III. 2.b dd (1), m.w.N., sowie in BFHE 241, 233, BStBl II 2013, 759; vgl. auch zur Entstehung eines Umsatzsteueranspruchs: BFH, Urteile vom 29.01.2009 – V R 64/07, BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, unter II. 1.; und vom 09.02.2011 – XI R 35/09, BFHE 233, 86, BStBl II 2011, 1000, unter II. 2.[↩]
- vgl. insoweit BFH, Urteil vom 18.05.2010 – X R 60/08, BFHE 229, 62, BStBl II 2011, 429, unter II. 3.a[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 241, 233, BStBl II 2013, 759, unter II. 2.b[↩]
- vgl. nur Tiede in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 15 EStG, Rz 450, m.w.N.[↩]
- so schon BFH, Urteil in BFHE 141, 2, BStBl II 1984, 602, unter 2.[↩]
- BFHE 220, 299, BStBl II 2008, 787[↩]
- vgl. nur BFH, Beschluss vom 25.06.2006 – VIII R 74/03, BFHE 213, 358, BStBl II 2006, 595[↩]