Die Nettopolice und die Kündbarkeit der Kostenausgleichsvereinbarung

Schließt der Versicherer mit dem Versicherungsnehmer neben dem Vertrag über eine fondsgebundene Rentenversicherung eine gesonderte Kostenausgleichsvereinbarung, nach der der Versicherungsnehmer die Abschlusskosten in monatlichen Raten unabhängig vom Fortbestand des Versicherungsvertrages zu zahlen hat, so ist eine Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen über den Ausschluss des Kündigungsrechts für die Kostenausgleichsvereinbarung gem. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB unwirksam.

Die Nettopolice und die Kündbarkeit der Kostenausgleichsvereinbarung

Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VVG setzt der Beginn der Widerrufsfrist den Zugang einer deutlich gestalteten Belehrung über das Widerrufsrecht und die Rechtsfolgen des Widerrufs voraus. Daran fehlt es, wenn in der Widerrufsbelehrung für den Versicherungsvertrag nicht darauf hingewiesen wird, dass im Falle eines Widerrufs auch der Vertrag über die Kostenausgleichsvereinbarung nicht zustande kommt.

Eine gesonderte Kostenausgleichsvereinbarung verstößt zwar nicht gegen § 169 Abs. 5 Satz 2, § 171 Satz 1 VVG. Auch eine Unwirksamkeit wegen Intransparenz gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kommt nicht in Betracht. Dem Versicherungsnehmer steht aber das Recht zu, die Kostenausgleichsvereinbarung zu kündigen.

Die Zulässigkeit einer Kostenausgleichsvereinbarung, die dazu führt, dass der Versicherungsnehmer auch bei einer vorzeitigen Kündigung des Versicherungsvertrages mit den Abschluss- und Einrichtungskosten in voller Höhe belastet bleibt, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt.

Teilweise wird eine derartige Vereinbarung als nichtiges Umgehungsgeschäft zur Regelung des § 169 Abs. 5 Satz 2 VVG angesehen, die verbietet, dass im Falle der Kündigung noch nicht getilgte Abschluss- und Vertriebskosten vom Rückkaufswert abgezogen werden. Der Versicherungsnehmer werde durch die Belastung mit den Abschluss- und Vertriebskosten in seiner Freiheit, von seinem Recht zur Kündigung des Versicherungsvertrags Gebrauch zu machen, unzulässig eingeschränkt1.

Nach anderer Auffassung ist eine – auch unkündbare – Kostenausgleichsvereinbarung unter dem Gesichtspunkt der Vertragsfreiheit zuläs-Sie sei mit § 169 Abs. 3, 5 Satz 2 VVG vereinbar, da hierin nach der Gesetzesbegründung nur der Fall der Zillmerung, d.h. der Verrechnung der Abschluss- und Einrichtungskosten mit den Prämien (sogenannte Bruttopolice), geregelt sei2.

Die zuletzt genannte Auffassung trifft insoweit zu, als der Abschluss einer Kostenausgleichsvereinbarung, die rechtlich selbständig neben dem Versicherungsvertrag steht, nicht wegen Verstoßes gegen § 169 Abs. 3 Satz 1, § 169 Abs. 5 Satz 2 VVG unwirksam ist.

Die Unanwendbarkeit des § 169 Abs. 5 Satz 2 VVG auf eine vom Versicherungsvertrag getrennte Vereinbarung über die Abschlusskosten folgt bereits aus dem Wortlaut und dem systematischen Zusammenhang der Regelung. Sie betrifft, wie sich aus der Bezugnahme auf den „nach Absatz 3 oder 4 berechneten Betrag“ in Abs. 5 Satz 1 und aus der Formulierung „Vereinbarung eines Abzugs für noch nicht getilgte Ab-schluss- und Vertriebskosten“ in Abs. 5 Satz 2 ergibt, den Abzug vom Mindestrückkaufswert nach Abs. 3 bzw. 4 für Abschluss- und Vertriebskosten, die durch die Prämienzahlungen noch nicht getilgt sind. Zu einem solchen Abzug kommt es bei Vereinbarung einer getrennten Abrechnung der Prämien einerseits und der Abschlusskosten andererseits (sogenannte Nettopolice) von vornherein nicht.

Auch eine unzulässige Umgehung von § 169 Abs. 5 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 VVG liegt im Abschluss einer gesonderten Kostenausgleichsvereinbarung nicht. Eine Gesetzesumgehung liegt vor, wenn die Gestaltung eines Rechtsgeschäfts objektiv den Zweck hat, den Eintritt einer Rechtsfolge zu verhindern, die das Gesetz für derartige Geschäfte vorsieht; eine Umgehungsabsicht ist nicht erforderlich3.

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Die Regelung des § 169 Abs. 5 Satz 2 VVG will ausschließlich für den Fall einer Einrechnung der Abschlusskosten in die Prämien verhindern, dass der Versicherungsnehmer durch einen Stornoabzug mit den vollen Abschluss- und Vertriebskosten belastet wird. Bereits aus der Gesetzesbegründung zu § 169 Abs. 3 Satz 1 VVG geht hervor, dass der Gesetzgeber die Freiheit der Parteien, die Zahlung von Abschlusskosten gesondert zu regeln, grundsätzlich nicht einschränken, d.h. weder den gesetzlichen Anforderungen an die Berechnung des Mindestrückkaufswertes noch dem Abzugsverbot des Abs. 5 Satz 2 unterwerfen wollte. Nach den Gesetzesmaterialien4 setzt die Regelung voraus, dass „die Verrechnung der Abschlusskosten mit den Prämien vereinbart worden ist. Haben die Parteien z.B. vereinbart, dass die Abschlusskosten gesondert und ohne Zillmerung/Verrechnung gezahlt werden, es also nicht zu einer Verrechnung der Abschlusskosten kommt, kann es auch nicht zu einer Verrechnung über einen Zeitraum von fünf Jahren kommen. Der Rückkaufswert wäre einerseits entsprechend höher; die Verpflichtung zur Zahlung der Abschlusskosten bestünde andererseits bei gesonderter Vereinbarung unabhängig davon, ob der Versicherungsvertrag beendet wird (ähnlich wie bei der Wohnraummiete; eine Maklerprovision ist auch dann in voller Höhe zu zahlen, wenn die angemietete Wohnung nach kurzer Zeit wieder gekündigt wird)“.

Unter Einbeziehung der Gesetzesbegründung zu § 169 Abs. 5 Satz 2 VVG ergibt sich ebenfalls keine andere Beurteilung. Hiernach berücksichtigt das Abzugsverbot die Praxis der Versicherer, die nicht gedeckten Abschlusskosten als Amortisationsbeiträge in die laufenden Prämien einzukalkulieren, soweit die Abschlusskosten den Höchstzillmersatz übersteigen oder soweit nicht oder nur in geringem Umfang gezillmert wird, und im Falle der Kündigung die wegen der fehlenden Amortisationsbeiträge der nicht mehr eingehenden Prämien noch nicht getilgten Kosten als Stornoabzug geltend zu machen. Das Verbot eines solchen Abzugs soll das zwingende gesetzliche Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers schützen. So heißt es unter anderem5: „Dieser muss zwar eine transparente Vertragsgestaltung vorausgesetzt grundsätzlich hinnehmen, dass der Versicherer zur Deckung seiner Abschlusskosten durch die auf vier Prozent der Summe aller Prämien begrenzte Zillmerung zulässigerweise eine Art Abschlussgebühr erhebt, die bei einer Kündigung nicht erstattet wird. Wenn der Versicherer Abschlusskosten als Amortisationsbeiträge auf alle Prämien umlegt, hat er aber im Fall der Kündigung Anspruch nur auf diejenigen Prämien und auf die darin enthaltenen Amortisationsbeiträge, die bis zur Wirksamkeit der Kündigung fällig geworden sind. Der kündigende Versicherungsnehmer enttäuscht zwar die Erwartung des Versicherers, der trotz seiner bekannten unternehmensindividuellen Stornoquote mit der Kündigung gerade durch diesen Versicherungsnehmer nicht rechnet; dieser verhält sich aber nicht vertragswidrig, sondern nimmt nur sein gesetzlich gesichertes Kündigungsrecht wahr. Deshalb ist die Belastung mit den Abschluss- und Vertriebskosten, die in den zukünftigen, nicht mehr geschuldeten Prämien enthalten sind, eine Art unzulässige Vertragsstrafe für vertragsgemäßes Verhalten“.

Diese Überlegungen sprechen dafür, dass der Gesetzgeber nicht generell den wirtschaftlichen Erfolg einer Auferlegung der Abschlusskosten im Wege einer gesonderten Vereinbarung verbieten wollte, sondern nur die Herbeiführung dieses Erfolges im Wege der Verrechnung von Kosten und Prämie. Dementsprechend sah der Gesetzgeber bei einer vertraglichen Trennung von Kosten und Prämie aufgrund der Transparenz der Vereinbarung kein vergleichbares Schutzbedürfnis des Versicherungsnehmers6.

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Die Kostenausgleichsvereinbarung ist ferner nicht wegen fehlender Transparenz gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam. Nach dem Transparenzgebot ist der Verwender Allgemeiner Versicherungsbedingungen entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass die Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich ist. Vielmehr gebieten Treu und Glauben, dass die Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen so weit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann7.

Hier ergibt sich aus der Kostenausgleichsvereinbarung, dass der Versicherungsnehmer Abschluss- und Einrichtungskosten von insgesamt 1.470 € in monatlichen Teilbeträgen von 30, 63 € zu zahlen hat. Er wird ferner darauf hingewiesen, dass die Tilgungsdauer 48 Monate beträgt sowie der nominale und effektive Jahreszins bei jeweils 0% liegt. Er kann mithin ohne weiteres ersehen, in welcher Höhe er insgesamt und monatlich Leistungen auf die Kostenausgleichsvereinbarung zu erbringen hat. Ferner ist in dem Antragsformular bestimmt, dass die monatliche Prämie für die Versicherung in Höhe von 50 € für die Dauer von 48 Monaten um den monatlich auf die Kostenausgleichsvereinbarung zu zahlenden Betrag reduziert wird, so dass in diesem Zeitraum auf die Versicherungsleistung 19, 37 € monatlich entfallen.

Die Kostenausgleichsvereinbarung hält auch im Übrigen den Anforderungen an das Transparenzgebot stand. Dem Versicherungsnehmer wird unmissverständlich vor Augen geführt, dass nur der Widerruf seiner Vertragserklärung zur Beendigung der Kostenausgleichsvereinbarung führt, nicht dagegen eine Kündigung des Versicherungsvertrages oder der Kostenausgleichsvereinbarung. Bereits im Versicherungsantrag findet sich der fettgedruckte Hinweis, dass die Auflösung des Versicherungsvertrages grundsätzlich nicht zur Beendigung dieser Kostenausgleichsvereinbarung führt. Ferner wird der Versicherungsnehmer unmittelbar vor der Unterschrift zur Kostenausgleichsvereinbarung ebenfalls im Fettdruck darauf hingewiesen, dass er die Kostenausgleichsvereinba-rung nicht kündigen kann. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer kann daher ohne weiteres erkennen, dass er mit der Kostenausgleichsvereinbarung wirtschaftlich auch dann belastet bleibt, wenn er den Versicherungsvertrag gekündigt hat. Eines gesonderten Hinweises darauf, dass die Forderungen aus der Kostenausgleichsvereinbarung im Falle einer Kündigung des Versicherungsvertrages die Höhe des Rückkaufswertes übersteigen können, bedarf es jedenfalls aus Transparenzgesichtspunkten nicht8.

Die grundsätzliche Zulässigkeit einer gesonderten Kostenausgleichsvereinbarung stellt den Versicherungsnehmer allerdings nicht schutzlos. Unabhängig von der Wirksamkeit der Kostenausgleichsvereinbarung insgesamt ist die Wirksamkeit einzelner Klauseln zu beurteilen. Dies führt hier dazu, dass der vereinbarte Ausschluss des Kündigungsrechts für die Kostenausgleichsvereinbarung wegen unangemessener Benachteiligung des Versicherungsnehmers gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB unwirksam ist9.

Die in § 1 Abs. 3 und § 6 Abs. 2 der Bedingungen für die Kostenausgleichsvereinbarung festgelegte Unabhängigkeit der Kostenaus-gleichsvereinbarung von einer „Auflösung“ oder „Aufhebung“ des Versicherungsvertrages sowie der ausdrückliche Ausschluss des Kündigungsrechts in der vorgedruckten Formulierung im Antragsformular sind entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht einer Inhaltskontrolle unter dem Gesichtspunkt von § 307 Abs. 3 BGB entzogen. Kontrollfrei bleiben nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu dem § 307 Abs. 3 BGB entsprechenden § 8 AGBG bloße Leistungsbeschreibungen, die Art, Umfang und Güte der geschuldeten Leistungen festlegen10. Klauseln, die das Hauptleistungsversprechen einschränken, verändern, ausgestalten oder modifizieren, sind hingegen inhaltlich zu kontrollieren. Damit bleibt für die der Überprüfung entzogene Leistungsbeschreibung nur der enge Bereich der Leistungsbezeichnungen, ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts ein wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden kann. Das hat der Bundesgerichtshof für die Laufzeit eines Unfallversicherungsvertrages verneint (aaO). Auch hinsichtlich des Ausschlusses des Kündigungsrechts für die Kostenausgleichsvereinbarung, die das Vertragsverhältnis lediglich ausgestaltet, liegt kein derartiger Ausnahmefall vor, der einer Inhaltskontrolle von vornherein entzogen wäre.

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Dieser Inhaltskontrolle hält die Regelung nicht stand. Nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zweifel als unangemessene Benachteiligung anzusehen, wenn sie wesentliche Rechte und Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so einschränken, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB erfasst nicht jede Leistungsbegrenzung. Unzulässig ist die Begrenzung erst dann, wenn sie den Vertrag seinem Gegenstand nach aushöhlt und in Bezug auf das zuversichernde Risiko zwecklos macht11. So ist es hier.

Für die Beurteilung der Unangemessenheit ist von der wirtschaftlichen Einheit der Kostenausgleichsvereinbarung und des Versicherungsvertrages auszugehen. Dies ergibt sich nicht nur aus der Zusammenfassung der Anträge in einem Formular, sondern aus der eigenen Belehrung der Versicherung über die Folgen des Widerrufs der Kostenausgleichsvereinbarung, dass die beiden Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden. Auf dieser Grundlage führt die Unkündbarkeit der Kostenausgleichsvereinbarung im Falle einer Kündigung des Versicherungsvertrages dazu, dass dem Anspruch auf den Rückkaufswert die unverändert fortbestehende Verpflichtung zur Zahlung der Abschlusskosten in voller Höhe gegenübersteht. Im Falle einer vorzeitigen Kündigung des Versicherungsvertrages ist der Versicherungsnehmer daher wirtschaftlich im Ergebnis je nach Zeitpunkt der Kündigung entweder mit Verbindlichkeiten belastet oder erhält, wenn der Rückkaufswert die Abschlusskosten übersteigt, allenfalls einen im Verhältnis zu den eingezahlten Prämien geringen Betrag.

Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass Klauseln in Allgemeinen Versicherungsbedingungen, die vorsehen, dass die Abschlusskosten im Wege des Zillmerverfahrens mit den ersten Prämien verrechnet werden, so dass im Falle einer vorzeitigen Kündigung der Rückkaufswert unverhältnismäßig gering ist oder gegen Null tendiert, den Versicherungsnehmer unangemessen benachteiligen12. Auch bei einer fondsgebundenen Rentenversicherung geht es dem Versicherungsnehmer ebenso wie bei einer Kapitallebens- oder Rentenversicherung neben der Abdeckung des versicherten Risikos maßgeblich darum, von Vertragsbeginn an die Kapitalanteile der gezahlten Prämien gewinnbringend zu investieren sowie im Falle vorzeitiger Vertragsbeendigung oder umwandlung an den gebildeten Vermögenswerten teilzuhaben13. Das Recht des Versicherungsnehmers auf die Versicherungssumme wird für die zahlenmäßig große Gruppe derjenigen, die von der beabsichtigten langfristigen Vertragsfortführung vorzeitig absehen müssen, aufgrund der ihnen auferlegten Abschlusskosten je nach Beendigungszeitpunkt unverhältnismäßig belastet oder vereitelt. Dies gilt auch dann, wenn die mit der Verrechnung einhergehenden Nachteile dem Versicherungsnehmer in hinreichend klarer und verständlicher Form mitgeteilt werden14.

Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe führt die Vertragsgestaltung der Parteien, die einen Fortbestand der Kostenausgleichsvereinbarung im Falle der vorzeitigen Kündigung des Versicherungsvertrages vorsieht, zu einer unzulässigen Beeinträchtigung des Rechts auf den Rückkaufswert und damit zu einer Aushöhlung des Vertragszwecks. Hierdurch wird die Gefahr begründet, dass der Versicherungsnehmer noch schlechter gestellt wird als im Falle der Zillmerung. Während ein Abzug bei der Verrechnung der Abschlusskosten mit den Prämien allenfalls dazu führen kann, dass der Versicherungsnehmer keinen oder einen nur ganz geringfügigen Rückkaufswert erhält, aber in keinem Fall mitweiteren noch nicht getilgten Abschlusskosten belastet wird, kann die gesonderte Kostenausgleichsvereinbarung, wenn sie als unkündbar ausgestaltet wird, dazu führen, dass der Versicherungsnehmer mit Verbindlichkeiten belastet wird, die über dem Rückkaufswert liegen. Er erhält dann trotz Kündigung der Versicherung wirtschaftlich nicht nur keinen Rückkaufswert, sondern muss weitere Zahlungen an den Versicherer leisten. Bei der hier gewählten Vertragsstruktur kommt hinzu, dass die von der Beklagten zu leistende Prämie für die fondsgebundene Rentenversicherung nach der Vereinbarung der Parteien für die ersten 48 Monate um die auf die Kostenausgleichsvereinbarung zu zahlende Rate reduziert wird. Die Kombination einer Verminderung der Prämien einerseits und einer Verpflichtung zur Übernahme der vollen Abschluss- und Einrichtungskosten andererseits führt wirtschaftlich zu dem Ergebnis, dass der durch die reduzierte Prämienzahlungen bereits verminderte Rückkaufswert zusätzlich durch die volle Höhe der Abschlusskosten reduziert wird.

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Der Versicherer darf das nicht abdingbare Recht des Versicherungsnehmers zur Kündigung des Versicherungsvertrages nicht dadurch unterlaufen, dass er durch eine vertragliche Gestaltung den Versicherungsnehmer mit Nachteilen belastet, die ihn von einer Ausübung seines Kündigungsrechts abzuhalten geeignet sind und sich deshalb faktisch als eine Art unzulässiger Vertragsstrafe darstellen15. So liegt es, wenn der Versicherungsnehmer im Falle einer Unkündbarkeit der Kostenausgleichsvereinbarung mit weiter bestehenden Verbindlichkeiten bezüglich der Abschluss- und Einrichtungskosten belastet wird, die den Rückkaufswert der Versicherung nicht nur erschöpfen, sondern trotz Kündigung noch zu einer fortbestehenden Zahlungsverpflichtung des Versicherungsnehmers führen können. Der Vorteileiner vertraglichen Trennung von Versicherungsvertrag und Kostenausgleichsvereinbarung gegenüber der Zillmerung liegt zwar in der höheren Transparenz für den Versicherungsnehmer. Dieser Vorteil ist aber nicht geeignet, den mit einer wirtschaftlichen Entwertung des Rückkaufswertes und dem Risiko einer zusätzlichen Schuldenbelastung verbundenen Nachteil auszugleichen.

Die Unwirksamkeit des Kündigungsausschlusses für die Kostenausgleichsvereinbarung steht nicht im Widerspruch zu den Entscheidungen des Bundesgerichthofs vom 20.01.200516 sowie vom 12.12 201317. Hiernach ist die Vereinbarung einer vom Fortbestand des Versicherungsvertrages unabhängigen Provisionsabrede mit zu erbringenden Ratenzahlungen zwischen Versicherungsnehmer und Versicherungsmakler18 oder zwischen Versicherungsnehmer und Versicherungsvertreter19 zulässig. Diese Regelung kann für die Beurteilung des Verhältnisses zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer nicht als Leitbild herangezogen werden. Zwar handelt es sich bei den Abschluss- und Einrichtungskosten um Kosten, die bereits mit Abschluss des Vertrages entstanden sind und die auch die gegebenenfalls an einen Versicherungsvermittler zu zahlende Provision beinhalten. Diese Kosten verlangt der Versicherer aber aufgrund eines zwischen ihm und dem Versicherungsnehmer neben dem Versicherungsvertrag gesondert geschlossenen Vertrages, der mit dem Versicherungsvertrag eine wirtschaftliche Einheit zwischen denselben Vertragspartnern bildet. Diese verbietet es, dem Versicherungsnehmer zwar die Möglichkeit zu geben, sich vom Versicherungsvertrag durch Kündigung zu lösen, an die Kostenausgleichsverein-barung aber unkündbar gebunden zu bleiben. Damit ist weder die Rechtsstellung des Maklers noch eines selbständigen Versicherungsvertreters, der seinen Lohn dafür erhält, dass er einen Versicherungsvertrag zwischen dem Versicherungsnehmer und einem Versicherer vermittelt hat, zu vergleichen.

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Die unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers führt nicht dazu, dass die gesamte Kostenausgleichsvereinbarung unwirksam wäre20. Den Parteien bleibt es vielmehr im Wege privatautonomer Vertragsgestaltung unbenommen, Abschlusskosten nicht im Wege der Zillmerung mit den ersten Prämien zu verrechnen, sondern neben dem Versicherungsvertrag eine eigenständige vertragliche Regelung bezüglich der Übernahme der Kosten zu treffen. Diese darf allerdings nicht unkündbar ausgestaltet sein, sondern muss dem Versicherungsnehmer die Möglichkeit geben, sich von dieser ebenso wie vom Versicherungsvertrag durch Kündigung zu lösen.

Da die Kostenausgleichsvereinbarung und die Nettopolice als solche nicht gegen § 169 Abs. 3 Satz 1, Abs. 5 Satz 2 VVG verstoßen und lediglich die Klausel hinsichtlich des Ausschlusses des Kündigungsrechts nach Kündigung des Versicherungsvertrages durch den Versicherungsnehmer gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB unwirksam ist, greifen schon aus diesem Grund die vorgebrachten europarechtlichen Bedenken unter dem Gesichtspunkt der Vertragsfreiheit nicht durch (hierzu etwa Engeländer, VersR 2007, 1297, 1310; Frohnecke, r+s 2012, 574 f.). Im Übrigen hat der EFTA-Gerichtshof in seinem Urteil vom 25.11.200521 lediglich entschieden, die Regelung im norwegischen Versicherungsrecht, wonach ein Lebensversicherer die gesamten Abschlusskosten bereits bei Vertragsschluss vom Versicherungsnehmer einfordern müsse, stelle eine mit Art. 33 der Richtlinie 2002/83/EG vom 05.11.2002 unvereinbare Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit für Lebensversicherungsunternehmen dar22. Hier hat das Versicherungsunternehmen die Kosten indessen gerade nicht sämtlich bei Vertragsschluss eingefordert, sondern eine ratierliche Zahlungsweise vereinbart. Mit der Besonderheit zweier getrennter Verträge für die Lebensversicherung einerseits und die Kosten andererseits unter Ausschluss der Kündigung des Vertrages bezüglich der Kosten befasst sich die Entscheidung nicht.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 12. März 2014 – IV ZR 295/13

  1. OLG Karlsruhe VersR 2014, 45; LG Rostock r+s 2011, 170; LG Düsseldorf, Urteile vom 03.05.2011 9 O 402/10 18 ff.; vom 10.02.2011 11 O 401/1019 ff.; AG Warstein, Urteil vom 17.10.2012 3 C 161/12 24 ff.; AG Schöneberg, Urteil vom 13.12 2011 4 C 192/11 24; Leithoff, VW 2011, 654 f.; Römer in Römer/Langheid, VVG 4. Aufl. § 169 Rn. 36; Ortmann in Schwintowski/Brömmelmeyer, PK-VersR, 2. Aufl. § 169 Rn. 62, § 168 Rn. 34; MünchKomm-BGB/VVG-Mönnich, § 169 Rn. 90[]
  2. LG Bremen VersR 2013, 1387; LG Rostock VersR 2013, 41; LG Berlin VersR 2013, 705, 706; LG Kiel, Urteil vom 02.11.2011 5 O 150/11, juris; LG Bonn, Urteil vom 01.12 2011 8 S 174/11 11 ff.; LG Dessau-Roßlau, Urteil vom 06.10.2011 1 S 50/11 15; LG Baden-Baden, Urteil vom 01.07.2011 1 O 242/10, nicht veröffentlicht; LG Frankfurt (Oder), Urteil vom 08.06.2011 14 O 44/11, nicht veröffentlicht; AG Köln, Urteil vom 03.11.2010 118 C 186/10 18 f.; AG Brandenburg, Urteil vom 01.11.2010 30 C 252/10, BeckRS 2010, 31008; Frohnecke, r+s 2011, 171 ff.; r+s 2012, 574 f.; VW 2011, 268 ff.; Schwintowski, VersR 2014, 49; ZfV 2011, 96 ff., 134 ff.; Reiff, r+s 2013, 525, 535 f.; VersR 2012, 645, 654 f.; Engeländer, VersR 2007, 1297, 1310 f.; Schubach, jurisPR-VersR 5/2011 Anm. 5; jurisPR-VersR 10/2011 Anm. 6; Krause in Looschelders/Pohlmann VVG 2. Aufl. § 169 Rn. 51[]
  3. BGH, Urteile vom 21.12 2005 – VIII ZR 85/05, NJW 2006, 1066 f.; vom 09.02.1990 – V ZR 274/88, BGHZ 110, 230, 233 f.[]
  4. BT-Drs. 16/3945, S. 102, ähnlich bereits aaO S. 53[]
  5. BT-Drs. 16/3945, S. 104[]
  6. vgl. BT-Drs. 16/3945, S. 53[]
  7. BGH, Urteile vom 11.09.2013 – IV ZR 303/12, VersR 2013, 1397 Rn. 12; vom 25.07.2012 – IV ZR 201/10, VersR 2012, 1149 Rn. 45; vomMai 2005 – IV ZR 25/04, VersR 2005, 976 f.; vom 09.05.2001 – IV ZR 121/00, BGHZ 147, 354, 361 f., 364 und – IV ZR 138/99, BGHZ 147, 373, 377 f., 380; vom 24.03.1999 – IV ZR 90/98, BGHZ 141, 137, 143; vom 08.10.1997 – IV ZR 220/96, BGHZ 136, 394, 401 f.[]
  8. so auch LG Bremen VersR 2013, 1387 f.; LG Rostock VersR 2013, 41; Schwintowski, VersR 2014, 49, 50 f.; anders LG Berlin VersR 2013, 705, 707 unter Hinweis auf die Gefahr einer so genannten Nettoschuldenfalle; so im Ergebnis auch OLG Karlsruhe VersR 2014, 45, 47 f.; Reiff, r+s 2013, 525, 537[]
  9. so auch LG Berlin VersR 2013, 1298; AG Lichtenberg, Urteil vom 05.04.2011 102 C 283/10 2427; ferner LG Düsseldorf vom 03.05.2011 9 O 402/1020 f.; AG Lahr, Urteil vom 05.01.2012 5 C 114/11 4252: Unwirksamkeit gemäß § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB; a.A. Reiff, r+s 2013, 525, 536; VersR 2012, 645, 654 f.[]
  10. BGH, Urteil vom 13.07.1994 – IV ZR 107/93, BGHZ 127, 35, 41[]
  11. BGH, Urteile vom 25.07.2012 – IV ZR 201/10, BGHZ 194, 208 Rn. 18; vom 21.07.2011 – IV ZR 42/10, VersR 2011, 1257 Rn. 26; vom 19.05.2004 – IV ZR 29/03, VersR 2004, 1035 f.[]
  12. BGH, Urteile vom 25.07.2012 – IV ZR 201/10, BGHZ 194, 208 Rn. 15 ff., 23, 26 f.; vom 17. Okto-ber 2012 – IV ZR 202/10, VersR 2013, 213 Rn. 1215; vom 14.11.2012 – IV ZR 198/10, VersR 2013, 1116 Rn. 1216[]
  13. vgl. BGH, Urteil vom 14.11.2012 aaO Rn. 16[]
  14. BGH, Urteil vom 25.07.2012 aaO Rn. 25 ff. unter Hinweis auf BVerfG, NJW 2006, 1783 ff.[]
  15. BT-Drs. 16/3945, S. 52, 104[]
  16. III ZR 251/04, BGHZ 162, 67, 74 f.; ferner Urteil vom 14.06.2007 – III ZR 269/06, VersR 2007, 1127 Rn. 7[]
  17. III ZR 124/13, VersR 2014, 240 Rn. 9 ff.[]
  18. so der Fall – III ZR 251/04[]
  19. so der Fall – III ZR 124/13[]
  20. so aber LG Berlin VersR 2013, 1298[]
  21. EFTA-Gerichtshof, Urteil vom 25.11.2005 – E1/05[]
  22. EFTA-Gerichtshof, a.a.O., Leitsatz in VersR 2006, 249 m. Anm. Bürkle[]
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