Eine Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, wenn nicht ersichtlich ist, dass der Beschwerdeführer den Grundsatz der Subsidiarität gewahrt hat. Hierzu gehört ggfs. auch eine Anhörungsrüge.

Der in § 90 Abs. 2 BVerfGG zum Ausdruck kommende Grundsatz der Subsidiarität verlangt, dass Beschwerdeführer alle nach Lage der Dinge zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreifen, um die geltend gemachte Grundrechtsverletzung schon im fachgerichtlichen Verfahren zu verhindern oder zu beseitigen1. Das kann auch bedeuten, dass Beschwerdeführer zur Wahrung des Subsidiaritätsgebots gehalten sind, im fachgerichtlichen Verfahren eine Gehörsverletzung mit den gegebenen Rechtsbehelfen, insbesondere mit einer Anhörungsrüge, selbst dann anzugreifen, wenn sie im Rahmen der ihnen insoweit zustehenden Dispositionsfreiheit mit der Verfassungsbeschwerde zwar keinen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG rügen wollen2, durch den fachgerichtlichen Rechtsbehelf aber die Möglichkeit wahren, dass bei Erfolg der Gehörsverletzungsrüge in den vor den Fachgerichten gegebenenfalls erneut durchzuführenden Verfahrensschritten auch andere Grundrechtsverletzungen, durch die sie sich beschwert fühlen, beseitigt werden3.
Zum Rechtsweg gehört, soweit statthaft, auch die Anhörungsrüge4. Eine statthafte Anhörungsrüge nur dann entbehrlich, wenn sie offensichtlich aussichtslos gewesen wäre5. Die Verfahrensbeteiligten müssen grundsätzlich Gelegenheit haben, sich zu Stellungnahmen der Gegenseite in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu äußern6.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist daher verletzt, wenn das Gericht einem Verfahrensbeteiligten, bevor es eine ihm ungünstige Entscheidung trifft, keine Gelegenheit gibt, zu der im Verfahren abgegebenen Stellungnahme der Gegenseite Stellung zu nehmen7. Dies gilt – auch wenn der Gehörsverstoß zur Aufhebung der ergangenen Entscheidung nur unter der Voraussetzung führt, dass sie auf dem Verstoß beruht8 – unabhängig davon, ob unter den gegebenen Umständen von der Möglichkeit auszugehen ist, dass eine mögliche Gegenstellungnahme Einfluss auf das Entscheidungsergebnis gewinnt, oder nicht. Denn der grundrechtliche Anspruch auf rechtliches Gehör dient nicht nur der Gewährleistung sachrichtiger Entscheidungen, sondern auch der Wahrung der Subjektstellung der Beteiligten im gerichtlichen Verfahren9.
, Beschluss vom 14. April 2016 – 2 BvR 695/16
- BVerfGE 134, 106, 113 ff. unter Verweis auf BVerfGE 107, 395, 414; 112, 50, 60[↩]
- BVerfGE 134, 106, 115 unter Verweis auf BVerfGE 126, 1, 17[↩]
- BVerfGE 134, 106, 115 unter Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 25.04.2005 – 1 BvR 644/05 10[↩]
- vgl. zum Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes etwa BVerfG, Beschluss vom 17.07.2015 – 2 BvR 1245/15 4[↩]
- vgl. BVerfGK 7, 403, 407[↩]
- BVerfG, Beschluss vom 02.03.2011 – 2 BvR 43/10, 2 BvR 86/10, 2 BvR 140/10 2 unter Verweis auf BVerfGE 19, 32, 36; 49, 325, 328; BVerfGK 7, 438, 441; BVerfG, Beschluss vom 06.08.1992 – 2 BvR 628/92 10; Beschluss vom 24.02.2009 – 1 BvR 188/09, NVwZ 2009, S. 580; Beschluss vom 30.07.2009 – 2 BvR 1575/09 3[↩]
- BVerfG, Beschluss vom 02.03.2011 – 2 BvR 43/10, 2 BvR 86/10, 2 BvR 140/10 2 unter Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 15.11.2010 – 2 BvR 1183/09[↩]
- BVerfG, Beschluss vom 02.03.2011 – 2 BvR 43/10, 2 BvR 86/10, 2 BvR 140/10 2 unter Verweis auf BVerfGE 7, 239, 241; 13, 132, 145; 52, 131, 152 f.; 89, 381, 392 f.; stRspr[↩]
- BVerfG, Beschluss vom 02.03.2011 – 2 BvR 43/10, 2 BvR 86/10, 2 BvR 140/10 2 unter Verweis auf BVerfGE 107, 395, 409[↩]