Die unbefristete teilweise Erwerbsminderung als auflösende Bedingung eines Arbeitsverhältnisses

Die in § 33 Abs.2,3 TV-L geregelte auflösende Bedingung bei unbefristeter teilweiser Erwerbsminderung ist unwirksam, soweit nach den Feststellungen des Rentenversicherungsträgers eine Teilzeitkraft ihre bisherige Tätigkeit am bisherigen Arbeitsplatz im bisherigen Umfang ausüben kann. Eines Weiterbeschäftigungsverlangens nach § 33 Abs. 3 TV-L bedarf es in diesem Fall nicht.

Die unbefristete teilweise Erwerbsminderung als auflösende Bedingung eines Arbeitsverhältnisses

Die Frage des Eintritts der auflösenden Bedingung ist häufig nahezu unlösbar mit der Beurteilung der Rechtswirksamkeit der Bedingungsabrede verknüpft. So kann nach der ständigen Rechtsprechung des BAG bei auflösenden Bedingungen, die an eine Rentengewährung wegen Erwerbsminderung anknüpfen, vor allem aus verfassungsrechtlichen Gründen eine einschränkende Auslegung geboten sein, die der Wirksamkeit der Bedingungsabrede dient1. Wegen des fast untrennbaren Zusammenhangs der Wirksamkeit und des Eintritts der auflösenden Bedingung unterliegen beide Fragen dem Klagfristerfordernis2.

Die von § 21 TzBfG vorgegebene entsprechende Anwendung des § 17 Satz 1 TzBfG knüpft an das “vereinbarte Ende” des auflösend bedingten Arbeitsvertrags an. Das vereinbarte Ende ist mit dem Eintritt der auflösenden Bedingung erreicht. Nach §§ 21, 15 Abs. 2 TzBfG endet das Arbeitsverhältnis aber frühestens zwei Wochen nach Zugang der schriftlichen Unterrichtung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber über den Zeitpunkt des Bedingungseintritts.

Die in § 33 Abs. 2,3 TV-L geregelte auflösende Bedingung bedarf der sachlichen Rechtfertigung. Die §§ 21, 14 Abs.1 TzBfG sind nicht abdingbar. § 22 Abs.2 TzBfG enthält insoweit auch keine Öffnungsklausel. Eine auflösende Bedingung bedarf daher auch bei einer tariflichen Regelung einer sachlichen Rechtfertigung. Der Sachgrund des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit als Beendigungsgrund ist in dem Sachgrundkatalog des § 14 Abs. 1 Satz 2 TzBfG nicht genannt. Die Aufzählung ist jedoch nur beispielhaft und soll weder andere von der Rechtsprechung bisher anerkannte noch weitere Gründe für Befristungen und auflösende Bedingungen ausschließen3.

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Das Bundesarbeitsgericht sieht die für den Fall der unbefristeten vollen oder teilweisen Erwerbsminderung normierte auflösende Bedingung als sachlich gerechtfertigt an4. Sie beruht auf der Annahme der Tarifvertragsparteien, der Arbeitnehmer werde im Falle der Erwerbsminderung künftig die arbeitsvertraglich geschuldeten Leistungen nicht mehr erbringen können5. Entsprechende Regelungen dienen danach einerseits dem Schutz des Arbeitnehmers, der aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, seine bisherige Tätigkeit zu verrichten und bei dem bei einer Fortsetzung der Tätigkeit die Gefahr einer weiteren Verschlimmerung seines Gesundheitszustandes besteht. Andererseits wollen entsprechende Tarifvorschriften dem berechtigten Interesse des Arbeitgebers Rechnung tragen, sich von einem Arbeitnehmer trennen zu können, der gesundheitsbedingt nicht mehr in der Lage ist, seine nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Leistung zu erbringen. Diese berechtigten Interessen beider Arbeitsvertragsparteien sind daher nach der Rechtsprechung des BAG grundsätzlich geeignet, einen sachlichen Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung abzugeben6. Die verminderte Erwerbsfähigkeit stellt dabei auch nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts allein keinen ausreichenden Sachgrund für die auflösende Bedingung dar. Erst die Einbindung der Interessen des Arbeitnehmers durch die Anknüpfung an die rentenrechtliche Versorgung rechtfertigt die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung7. Dabei geht das Bundesarbeitsgericht davon aus, dass bei einer teilweisen Erwerbsminderung den Interessen der Arbeitnehmer dadurch ausreichend Rechnung getragen ist, dass dieser eine Weiterbeschäftigung auf seinem bisherigen oder einem anderen, ihm nach seinem Leistungsvermögen zumutbaren freien Arbeitsplatz verlangen kann8.

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Bei dieser Rente wegen teilweiser Erwerbsunfähigkeit, die zumindest nahezu identisch mit der vertraglich geschuldeten Arbeitszeit (50 % der Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten angestellten Lehrers) ist bei der verfassungsrechtlich gebotenen einschränkenden Auslegung bereits keine wirksame auflösende Bedingung vereinbart. Bei einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, der nach dem Rentenbescheid die bisherige Tätigkeit im bisherigen Umfang weiter ausüben kann, ist den Interessen des Arbeitnehmers nicht damit ausreichend Rechnung getragen, dass dieser die Weiterbeschäftigung am bisherigen Arbeitsplatz (mit reduzierter Stundenzahl) oder an einem nach dem Leistungsvermögen zumutbaren freien Arbeitsplatz verlangen kann. In diesen Fällen dient die auflösende Bedingung gerade nicht dem Schutz des Arbeitnehmers, der aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, seine bisherige Tätigkeit zu verrichten und bei dem bei einer Fortsetzung der Tätigkeit die Gefahr einer weiteren Verschlimmerung seines Gesundheitszustandes besteht. Dabei kommt es gerade auch nicht darauf an, ob, wie das beklagte Land meint, die Klägerin tatsächlich nicht mehr in der Lage ist, als Lehrerin zu arbeiten. Knüpft die auflösende Bedingung an den Bescheid des Rentenversicherungsträgers an, so sind an diese Feststellungen, die der Rentenversicherungsträger im Rahmen von § 43 SGB VI getroffen hat, beide Parteien gebunden. Eine eigenständige Bewertung des Leistungsvermögens ist, wie sich auch aus § 33 Abs. 3 TV-L ergibt, den Parteien verwehrt9. Die in § 33 Abs. 2, 3 TV-L geregelte auflösende Bedingung ist daher in den Fällen, in denen eine Teilzeitkraft am bisherigen Arbeitsplatz ihre Tätigkeit nach den Feststellungen des Rentenversicherungsträgers im bisherigen Umfang ausüben kann, unwirksam. Für diese Fälle sind bei der gebotenen erfassungskonformem Auslegung die Interessen des Arbeitnehmers unangemessen beeinträchtigt. Er wird gezwungen, die Weiterbeschäftigung zu verlangen, obgleich nach dem Rentenbescheid die bisherige Tätigkeit nicht betroffen ist.

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Auf die Frage, ob bei der Prüfung der Wirksamkeit der auflösenden Bedingung in § 33 Abs. 2,3 TV-L ansonsten die Grundsätze der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 59 BAT uneingeschränkt übernommen werden können, kommt es daher nicht an. Zumindest war bei bisher vom BAG vorgenommenen Abwägung der Interessen von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite auch die Sicherstellung der rentenrechtlichen Versorgung sowie die Zusatzversorgung von Bedeutung. Insoweit entspricht § 33 TV-L nicht § 59 BAT. Dahingestellt bleiben kann auch, inwieweit die auflösende Bedingung bei Erwerbsunfähigkeit auch unter dem Gesichtspunkt der mittelbaren Benachteiligung zu prüfen ist10.

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Juli 2012 – 10 Sa 8/12

  1. grundlegend BAG 23.06.2004 – 7 AZR 440/03 – zu II 1 b bb (1) der Gründe, NZA 2005, 520[]
  2. BAG06.04.2011 – 7 AZR 704/09 – NJW 2011, 2748 unter Aufgabe der bisherigen Rspr[]
  3. BAG 01.12.2004 – 7 AZR 135/04 – NZA 2006.211[]
  4. vgl z.B. BAG 15.03.2006 – 7 AZR 332/05 – ZTR 2006, 548 zur Vorgängerregelung in 59 Abs. 1, 4 BAT[]
  5. BAG 03.09.2003 – 7 AZR 661/02 – ZTR 2004, 317 zu I 1a der Gründe[]
  6. vgl. z.B. BAG 06.12.2000 – 7 AZR 302/99 NZA 2001, 792, zu B II 2 der Gründe[]
  7. vgl. BAG01.12.2004 – 7 AZR 135/04, AP BAT § 59 Nr. 13 = EzA BGB 2002 § 620 Bedingung Nr. 3, zu I 4a aa der Gründe[]
  8. z.B. BAG 15.03.2006 – 7 AZR 332/05 – ZTR 2006, 548[]
  9. vgl. BAG 30.04.1999 – 7 AZR 122/96 – NZA 1998, 199 unter I.01.a. der Gründe, vgl. auch BAG 21.09.2009 – 7 AZR 843/07 – NZARR 2010, 38 unter II 2 b bb (1) der Gründe[]
  10. so APS/Greiner, 4. Aufl.2012, § 33 TVöD, Rz. 14, wonach eine verfassungskonforme Auslegung voraussetzt, dass der Arbeitnehmer tatsächlich eine hinreichende, den Lebensunterhalt sichernde Rente erhält[]
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