Die vom Arbeitnehmer verlangte Überlassung einer Datenkopie – und die Bestimmtheit des Klageantrags

Ein Klageantrag auf Überlassung einer Kopie von E-Mails ist nicht hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn die E-Mails, von denen eine Kopie zur Verfügung gestellt werden soll, nicht so genau bezeichnet sind, dass im Vollstreckungsverfahren unzweifelhaft ist, auf welche E-Mails sich die Verurteilung bezieht.

Die vom Arbeitnehmer verlangte Überlassung einer Datenkopie – und die Bestimmtheit des Klageantrags

Im hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall war der Klageantrag einer weiter konkretisierenden Auslegung zugänglich. Der Arbeitnehmer begehrt demnach die Überlassung einer Kopie sämtlicher E-Mails, die Gegenstand der Verarbeitung bei der Arbeitgeberin sind und die an seine oder von seiner dienstlichen E-Mail-Adresse gesendet wurden oder die ihn namentlich, dh. mit zumindest seinem Vor- oder Zunamen, erwähnen. Die Einschränkung, dass es nur um eine Kopie der E-Mails geht, die Gegenstand der Verarbeitung bei der Arbeitgeberin sind, ergibt sich aus dem ursprünglichen Antragswortlaut und der Bezugnahme auf Art. 15 Abs. 3 DSGVO in der Antragsbegründung. Aus der Erklärung seines Prozessbevollmächtigten im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht folgt, dass mit dem E-Mail-Verkehr des Arbeitnehmers die E-Mails an seine und von seiner dienstlichen E-Mail-Adresse gemeint sind.

Das Begehren, eine „Kopie“ zur Verfügung gestellt zu bekommen, ist mangels näherer Bestimmung dahin zu verstehen, dass die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer nach ihrer Wahl entweder einen Papierausdruck oder eine elektronische Datenkopie zu überlassen habe.

Selbst in dieser weiter konkretisierten Auslegung ist der Antrag nicht hinreichend bestimmt. Die E-Mails, von denen eine Kopie zur Verfügung gestellt werden soll, sind nicht in einer Weise bezeichnet, dass im Vollstreckungsverfahren unzweifelhaft wäre, auf welche elektronischen Nachrichten sich die Verurteilung konkret bezieht.

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Ein Klageantrag ist hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch durch Bezifferung oder gegenständliche Beschreibung so konkret bezeichnet, dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) klar abgegrenzt ist, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322 ZPO) erkennbar sind, das Risiko des eventuell teilweisen Unterliegens des Arbeitnehmers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Arbeitgeberin abgewälzt und eine etwaige Zwangsvollstreckung nicht mit einer Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren belastet wird1. Es genügt nicht, sich auf gesetzliche Vorschriften zu berufen, die den erhobenen Anspruch vorsehen, vielmehr müssen die sich aus den Normen ergebenden Konsequenzen im Einzelfall von der klagenden Partei bei der Formulierung ihres Klageantrags berücksichtigt werden2.

Danach erfüllt eine bloß abstrakte Nennung der Kategorien von E-Mails, von denen eine Kopie überlassen werden soll, zB – wie hier – solcher von oder an die dienstliche E-Mail-Adresse des Arbeitnehmers sowie solcher, in welchen er namentlich erwähnt ist, nicht die Voraussetzungen eines iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmten Klageantrags. Bei einer Verurteilung wäre unklar, auf welche E-Mails sich die Verurteilung zur Überlassung einer Kopie konkret bezöge und damit, ob mit einer Überlassung von in diese Kategorien fallenden E-Mails der Anspruch erfüllt wäre. Damit würde der Streit der Parteien in vermeidbarer Weise in die Vollstreckung verlagert werden. Um dies zu vermeiden ist der Arbeitnehmer – soweit er selbst zu einer genaueren Bezeichnung außer Stande ist – gehalten, sein Begehren mittels einer Stufenklage (§ 254 ZPO) durchzusetzen. Diese ist zunächst auf Erteilung einer Auskunft zu richten, welche E-Mails der fraglichen Kategorien die Arbeitgeberin verarbeitet, auf der zweiten Stufe ggf. auf Versicherung an Eides statt, dass die Auskunft zutreffend und vollständig ist, und schließlich auf Überlassung einer Kopie der sich aus der Auskunft ergebenden E-Mails.

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Fehl geht der Einwand der Revision, erst durch die Auslegung des Klagebegehrens durch das Landesarbeitsgericht sei aus einem vormals bestimmten Klageantrag ein zum Teil unbestimmtes Antragsbegehren geworden. Der Klageantrag in der ursprünglichen Formulierung war vielmehr seinerseits unbestimmt. Die bloße Wiederholung des Wortlauts von Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO lässt nicht erkennen, von welchen personenbezogenen Daten eine Kopie verlangt wird, zumal dann, wenn – wie hier – streitig ist, welches die von der Arbeitgeberin verarbeiteten personenbezogenen Daten des Arbeitnehmers sind. Eine daraufhin ergehende Verurteilung wäre nicht vollstreckbar3. Dies gilt erst recht, wenn die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer bereits eine Kopie der ihres Erachtens von ihr verarbeiteten personenbezogenen Daten erteilt hat. Auch die Verpflichtung des Verantwortlichen zum Führen eines Verarbeitungsverzeichnisses nach Art. 30 DSGVO ändert nichts an der Unbestimmtheit des Antrags4. Ein Verarbeitungsverzeichnis nach Art. 30 DSGVO enthält keine Auflistung der konkret verarbeiteten personenbezogenen Daten, sondern nur eine Beschreibung der entsprechenden Kategorien (Art. 30 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c DSGVO). Der Inhalt des Verarbeitungsverzeichnisses ist zudem aus einem lediglich den Wortlaut von Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO wiederholenden Antrag nicht ersichtlich.

Eines auf die Auslegung oder Gültigkeit von Unionsrecht iSv. Art. 267 AEUV gerichteten Vorabentscheidungsersuchens bedarf es insoweit nach Einschätzung des Bundesarbeitsgerichts nicht.

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist es mangels einschlägiger unionsrechtlicher Vorschriften nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung jedes Mitgliedstaats, die Verfahrensmodalitäten für Klagen, die den Schutz der dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, zu regeln, wobei die betreffenden Anforderungen jedoch nicht ungünstiger sein dürfen als diejenigen, die gleichartige, dem innerstaatlichen Recht unterliegende Sachverhalte regeln (Äquivalenzgrundsatz), und die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen (Effektivitätsgrundsatz)5.

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79 Abs. 1 DSGVO sieht vor, dass jede betroffene Person das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf hat, wenn sie der Ansicht ist, dass die ihr aufgrund der DSGVO zustehenden Rechte infolge einer nicht mit ihr im Einklang stehenden Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten verletzt wurden. Darüber hinaus enthält die DSGVO keine Bestimmung, in der die Voraussetzungen für die Einlegung eines gerichtlichen Rechtsbehelfs näher ausgestaltet werden.

Der Äquivalenzgrundsatz ist durch die vorstehende Auslegung des nationalen Verfahrensrechts nicht verletzt. Das Erfordernis einer hinreichenden Bestimmtheit des Klageantrags gem. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO sowie ersatzweise die Möglichkeit einer Stufenklage gem. § 254 ZPO entsprechen den Anforderungen, die im deutschen Zivilprozessrecht für einen vollstreckbaren Leistungsantrag gelten. Die als Ausnahme vom Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO mögliche Stufenklage gem. § 254 ZPO ist dabei ebenso für andere Sachverhalte vorgesehen, bei denen ohne die vorgeschaltete Auskunftsklage kein vollstreckbarer Leistungsantrag gestellt werden kann6.

Dem Effektivitätsgrundsatz ist ebenfalls Rechnung getragen. Zugunsten des Arbeitnehmers kann für die Prüfung der Zulässigkeit seines Klageantrags unterstellt werden, das Recht einer betroffenen Person nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO umfasse es, dass ihr (ehemaliger) Arbeitgeber ihr eine Kopie sämtlicher E-Mails zur Verfügung stellen muss, die an ihre oder von ihrer dienstlichen E-Mail-Adresse gesendet wurden oder die sie namentlich erwähnen. Zwar hat der Gerichtshof der Europäischen Union zur Richtlinie 95/46/EG entschieden, dass zwischen personenbezogenen Daten einerseits und Dokumenten oder Dateien, in denen personenbezogene Daten enthalten sind, andererseits, zu unterscheiden sein kann7. Personenbezogene Daten iSv. Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 95/46/EG seien nur Informationen „über“ die in Rede stehende Person8, was nicht ohne Weiteres auch für E-Mails zutreffen muss, die personenbezogene Daten der betroffenen Person enthalten. Es bedarf jedoch vorliegend keiner Entscheidung, wie dies, zumal unter Geltung der DSGVO und der in ihrem Art. 4 Nr. 1 im Wortlaut von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 95/46/EG abweichenden Begriffsbestimmung für „personenbezogene Daten“, zu beurteilen ist. Selbst wenn sich das Recht nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO darauf erstreckte, eine Kopie sämtlicher vom Verantwortlichen verarbeiteten E-Mails zur Verfügung gestellt zu bekommen, die an die oder von der dienstlichen E-Mail-Adresse der betroffenen Person gesendet wurden oder die die betroffene Person namentlich erwähnen, nähme der Verweis auf die Möglichkeit einer Stufenklage gem. § 254 ZPO dem unionsrechtlichen Anspruch nicht die praktische Wirksamkeit, sondern sicherte diese vielmehr. Ohne nähere Bestimmung, von welchen E-Mails konkret die Überlassung einer Kopie verlangt wird, wäre ein erwirkter Titel nicht vollstreckbar und daher ungeeignet, den Anspruch zu befriedigen. Es wäre nicht möglich zu beurteilen, mit einer Kopie welcher E-Mails die Forderung erfüllt wäre. Der Gläubiger könnte im Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 888 ZPO auch nicht verlangen, dass der Schuldner an Eides statt versichert, die titulierte Handlung vollständig erbracht zu haben. Dagegen stünde dem Arbeitnehmer im Rahmen einer Stufenklage nach § 254 ZPO bereits im Erkenntnisverfahren sowohl die Möglichkeit offen; vom Arbeitgeberin eine Versicherung an Eides statt über die Richtigkeit und Vollständigkeit der verlangten Auskunft zu erwirken, als auch einen entsprechend der erteilten Auskunft hinreichend bestimmten Leistungsantrag zu stellen.

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Das Bundesarbeitsgericht kann gem. § 563 Abs. 3 ZPO selbst abschließend über die Unzulässigkeit des Klageantrags entscheiden, soweit er Gegenstand des Revisionsverfahrens ist. Einer Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO) bedarf es nicht. Das Bundesarbeitsgericht hat vor der mündlichen Verhandlung auf eine mögliche Unbestimmtheit des Klageantrags hingewiesen. Der Arbeitnehmer hat sich auf Rechtsausführungen zu den Hinweisen beschränkt. Eine sachdienliche Konkretisierung des Antrags ist danach auch in einem fortgesetzten Berufungsverfahren nicht zu erwarten.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27. April 2021 – 2 AZR 342/20

  1. BGH 21.11.2017 – II ZR 180/15, Rn. 8; 28.11.2002 – I ZR 168/00, zu II 2 b (1) der Gründe, BGHZ 153, 69; vgl. BAG 16.11.2010 – 9 AZR 573/09, Rn. 11, BAGE 136, 156[]
  2. vgl. BAG 25.04.2001 – 5 AZR 395/99, zu II der Gründe[]
  3. ebenso Schulte/Welge NZA 2019, 1110, 1112[]
  4. aA, ohne nähere Begründung, König CR 2019, 295, 296[]
  5. EuGH 6.10.2020 – C-511/18 ua.- [La Quadrature du Net ua.] Rn. 223; 19.12.2019 – C-752/18 – [Deutsche Umwelthilfe] Rn. 33; 24.10.2018 – C-234/17 – [XC ua.] Rn. 21 f. mwN; 6.10.2015 – C-69/14 – [Târ?ia] Rn. 26 f.[]
  6. vgl. MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard 6. Aufl. § 254 Rn. 1[]
  7. EuGH 17.07.2014 – C-141/12 ua. – [Y.S.] Rn. 38 ff.[]
  8. EuGH 20.12.2017 – C-434/16 – [Nowak] Rn. 34[]
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