Hat sich eine Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht wegen des Erfolgs einer Verfassungsbeschwerde in gleicher Sache vor einem Landesverfassungsgericht erledigt, kann es der Billigkeit entsprechend, die Auslagenerstattung gemäß § 34a ABs. 3 BVerfGG zugunsten des Beschwerdeführers anzuordnen.

Nach Erledigung der Verfassungsbeschwerde ist über die Auslagenerstattung gemäß § 34a Abs. 3 BVerfGG nach Billigkeitsgesichtspunkten zu entscheiden. Die Erstattung der Auslagen nach dieser Vorschrift stellt im Hinblick auf die Kostenfreiheit des Verfahrens (§ 34 Abs. 1 BVerfGG), den fehlenden Anwaltszwang und das Fehlen eines bei Unterliegen der beschwerdeführenden Person erstattungsberechtigten Gegners die Ausnahme von dem Grundsatz des Selbstbehalts der eigenen Auslagen1 dar2. Bei der Entscheidung über die Auslagenerstattung kann insbesondere dem Grund, der zur Erledigung geführt hat, wesentliche Bedeutung zukommen. So ist es billig, einer beschwerdeführenden Person die Erstattung ihrer Auslagen zuzuerkennen, wenn die öffentliche Gewalt von sich aus den mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Akt beseitigt oder der Beschwer auf andere Weise abhilft, weil in diesem Fall – falls keine anderweitigen Gründe ersichtlich sind – davon ausgegangen werden kann, dass sie deren Begehren selbst für berechtigt erachtet hat3. Im Hinblick auf die Funktion und die Tragweite der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts findet eine überschlägige Beurteilung der Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde im Rahmen der Entscheidung über die Auslagenerstattung nicht statt4.
Nach diesen Maßstäben entspricht es hier der Billigkeit, die Auslagenerstattung anzuordnen: Der Beschwerdeführer hat neben der Verfassungsbeschwerde und dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Bundesverfassungsgericht zeitgleich Verfassungsbeschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen erhoben und dort ebenfalls einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Allein die Tatsache, dass durch dieses Vorgehen zweimal Kosten entstanden sind, führt noch nicht dazu, dass die Auslagenerstattung in den Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht als unbillig anzusehen ist5.
Der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen hat der Verfassungsbeschwerde mit Beschluss vom 31.05.20216 wegen eines Verstoßes gegen Art. 78 Abs. 3 Satz 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen (Anspruch auf ein gerechtes, zügiges und öffentliches Verfahren und das Recht auf Verteidigung) stattgegeben. Die Rechtsschutzgarantie des Art. 78 Abs. 3 Satz 1 SächsVerf ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs des Freistaates Sachsens inhaltsgleich (auch) mit der des Art.19 Abs. 4 Satz 1 GG7. Der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen stützt sich auch im Verfahren des Beschwerdeführers bei der Auslegung des Art. 78 Abs. 3 Satz 1 SächsVerfG auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art.19 Abs. 4 Satz 1 GG8.
Der Freistaat Sachsen als Kostenschuldner des Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht muss sich an der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes des Freistaates Sachsen festhalten lassen. Durch den Beschluss vom 31.05.2021, mit dem der mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 06.01.20219 aufgehoben wurde, hat der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen als Teil der öffentlichen Gewalt dieses Freistaates zu verstehen gegeben, dass er das verfassungsrechtliche Begehren des Beschwerdeführers selbst für berechtigt erachtet hat3.
Besondere Anhaltspunkte, die trotz der stattgebenden Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs des Freistaates Sachsen gegen die Billigkeit der Auslagenerstattung sprechen5, sind nicht ersichtlich. Einer eigenständigen Prüfung der Erfolgsaussichten der Verfassungsbeschwerde bedarf es nicht.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 21. September 2021 – 2 BvR 220/21
- vgl. BVerfGE 49, 70 <89>[↩]
- vgl. BVerfGE 66, 152 <154>[↩]
- vgl. BVerfGE 85, 109 <114 ff.> 87, 394 <397 f.>[↩][↩]
- vgl. BVerfGE 33, 247 <264 f.> BVerfG, Beschluss vom 29.05.2018 – 2 BvR 2767/17, Rn. 13[↩]
- BVerfG, Beschluss vom 17.12.2008 – 1 BvR 2554/06[↩][↩]
- SächsVerfGH, Beschluss vom 31.05.2021 – Vf. 16-IV-21 (HS) [↩]
- vgl. SächsVerfGH, Beschluss vom 18.10.2001 – Vf. 25-IV-01[↩]
- SächsVerfGH, Beschluss vom 31.05.2021 – Vf. 16-IV-21 (HS), Rn. 11 m.w.N.[↩]
- VG Dresden, Beschluss vom 06.01.2021 – 4 L 510/20.A[↩]
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