Die neuerliche Markenrechtsverletzung – und die Frage der Wiederholungsgefahr

Eine neue Markenrechtsverletzung trotz strafbewehrter Unterlassungserklärung begründet regelmäßig erneut die Wiederholungsgefahr, die grundsätzlich nur durch eine weitere Unterwerfungserklärung mit einer gegenüber der ersten erheblich höheren Strafbewehrung ausgeräumt werden kann. Einem Vertragsstrafeversprechen nach „Hamburger Brauch“ wohnt eine solche höhere Strafbewehrung bereits inne. Es entfaltet mit der Möglichkeit, eine Vertragsstrafe auch in zuvor nicht absehbarer Höhe festzusetzen, im Wiederholungsfall dem Schuldner gegenüber die notwendige Abschreckungswirkung, zumal der Umstand der wiederholten Zuwiderhandlung bei einer gerichtlichen Überprüfung der Angemessenheit der Vertragsstrafe zu berücksichtigen ist.

Die neuerliche Markenrechtsverletzung – und die Frage der Wiederholungsgefahr

Die durch eine Kennzeichenverletzung begründete tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr entspricht dem nach Art. 130 Abs. 1 Satz 1 UMV grundsätzlich auszusprechenden Verbot nach der Verletzung einer Unionsmarke. Diese (widerlegbare) Vermutung verhindert zudem, dass der Markeninhaber den Beweis für die Gefahr der Wiederholung der Handlungen, die eine Unionsmarke verletzen, erbringen muss1. Es ist vielmehr Aufgabe des Verletzers, die für die Wiederholungsgefahr bestehende tatsächliche Vermutung zu widerlegen2. Soweit nach den Anforderungen der deutschen Rechtsprechung die Wiederholungsgefahr grundsätzlich nur durch ein rechtskräftiges, mit einer Ordnungsmittelandrohung verbundenes Unterlassungsurteil oder eine ernst gemeinte, den Anspruchsgegenstand uneingeschränkt abdeckende, eindeutige und unwiderrufliche Unterlassungserklärung unter Übernahme einer angemessenen Vertragsstrafe für den Fall zukünftiger Zuwiderhandlung entfallen kann3, entsprechen diese strengen Voraussetzungen der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu den „besonderen Gründen“ im Sinne von Art. 98 Abs. 1 Satz 1 GMV (jetzt Art. 130 Abs. 1 Satz 1 UMV). Die für den Wegfall der Wiederholungsgefahr erforderliche strafbewehrte Unterlassungserklärung führt nicht lediglich dazu, dass keine offensichtliche oder nur eine wie auch immer begrenzte Gefahr der Fortsetzung der Handlungen, die eine Unionsmarke verletzen oder zu verletzen drohen, besteht4. Sie stellt vielmehr einen im Einzelfall gegebenen Umstand tatsächlicher Art dar5, der vergleichbar effektiv wie eine gerichtliche Durchsetzung nach Art. 130 Abs. 1 Satz 2 UMV ist, weil bei einer Wiederholung der verletzenden Handlung regelmäßig eine empfindliche Vertragsstrafe droht6.

Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung kann danach einen besonderen Grund im Sinne von Art. 130 Abs. 1 Satz 1 UMV darstellen, der wegen des Wegfalls der Wiederholungsgefahr einer Unterlassungsanordnung entgegensteht. Der Umstand, dass die Markenverletzerin erneut eine Unterlassungserklärung nach „Hamburger Brauch“ abgegeben haben, hindert den Wegfall der Wiederholungsgefahr zwar nicht. Im hier entschiedenen Streitfall steht einem Wegfall der Wiederholungsgefahr jedoch entgegen, dass die Markeninhaberin die Annahme der strafbewehrten Unterlassungserklärung abgelehnt hat.

Der Bundesgerichtshof hat für das Wettbewerbsrecht entschieden, dass ein neuer Wettbewerbsverstoß trotz strafbewehrter Unterlassungserklärung regelmäßig erneut die Wiederholungsgefahr begründet, die grundsätzlich nur durch eine weitere Unterwerfungserklärung mit einer gegenüber der ersten erheblich höheren Strafbewehrung ausgeräumt werden kann7. Die Frage, ob und wie diese Rechtsprechung auf eine strafbewehrte Unterlassungserklärung nach „Hamburger Brauch“ übertragen werden kann, ist umstritten.

Das Oberlandesgericht Köln8 hat im Anschluss an die zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs angenommen, bei einem Vertragsstrafeversprechen nach „Hamburger Brauch“ könne die erforderliche Verschärfung bei einer erneuten Zuwiderhandlung durch das Versprechen einer Vertragsstrafe „nicht unter … “ nach Lage des Falls genügen. Ein – zweites – Vertragsstrafeversprechen nach „Hamburger Brauch“ soll danach die Wiederholungsgefahr nur bei der Verpflichtung zur Zahlung einer Mindeststrafe entfallen lassen können9. Das entspricht der in der Literatur überwiegend vertretenen Auffassung10.

Nach anderer Auffassung, der sich das Berufungsgericht angeschlossen hat, ist die von der Bundesgerichtshofsrechtsprechung für den Wiederholungsfall geforderte höhere Strafbewehrung einem Vertragsstrafeversprechen nach „Hamburger Brauch“ von vornherein immanent. Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, dass eine solche strafbewehrte Unterlassungserklärung die Festsetzung einer Vertragsstrafe in jeder Höhe zulasse. Der Gläubiger sei deshalb in der Lage, eine Vertragsstrafe festzusetzen, die seiner Ansicht nach für den (wiederholten) Verstoß angemessen sei. Damit sei eine gesteigerte Sanktion sichergestellt und nicht zu befürchten, dass die Vertragsstrafe im Wiederholungsfall zu niedrig angesetzt werde11.

Der letztgenannten Auffassung ist zuzustimmen. Ein der Höhe nach unbegrenztes Bestimmungsrecht – wie es die von den Markenverletzerin abgegebene Erklärung nach „Hamburger Brauch“ vorsieht – bietet dem Gläubiger den entscheidenden Vorteil, in schwerwiegenden Verletzungsfällen die Vertragsstrafe auch in einer Höhe bestimmen zu können, die erheblich über derjenigen liegen kann, die für die Vereinbarung eines festen Betrags im Hinblick auf die zuvor begangene Verletzungshandlung angemessen gewesen wäre. Eine Vertragsstrafevereinbarung in dieser Form ist deshalb ein besonders geeignetes Mittel zur Verhütung schwerwiegender oder folgenreicher Wiederholungen der Verletzungshandlung, da der Schuldner gerade bei Begehung solcher Verstöße einem angemessen höheren Strafrisiko ausgesetzt ist12. Diese Grundsätze gelten auch für eine weitere, nach einer erneuten Verletzung abgegebene Unterlassungserklärung. Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die im Wiederholungsfall grundsätzlich erforderliche höhere Strafbewehrung einem Vertragsstrafeversprechen nach „Hamburger Brauch“ bereits innewohnt. Dieses entfaltet mit der Möglichkeit, eine Vertragsstrafe auch in zuvor nicht absehbarer Höhe festzusetzen, im Wiederholungsfall dem Schuldner gegenüber die notwendige Abschreckungswirkung, zumal der Umstand der wiederholten Zuwiderhandlung bei einer gerichtlichen Überprüfung der Angemessenheit der Vertragsstrafe zu berücksichtigen ist13. Entgegen der Auffassung der Revision ist deshalb im Wiederholungsfall die Angabe einer Untergrenze nicht erforderlich.

Soweit vertreten wird, eine Verpflichtung nach Art des „Hamburger Brauchs“ ohne Angabe einer Mindeststrafe benachteilige den Gläubiger in unzumutbarer Weise, weil ihm damit das Risiko der Bestimmung der „angemessenen“ Vertragsstrafe gemäß §§ 315 ff. BGB sowie eines nachfolgenden Rechtsstreits darüber aufgebürdet werde, hat sich der Bundesgerichtshof mit diesem Einwand im Grundsatz bereits in den Entscheidungen „Vertragsstrafe bis zu … I“ und „Vertragsstrafe bis zu … II“ befasst, ihn aber im Ergebnis für nicht durchgreifend erachtet14. Daran hält der Bundesgerichtshof fest, zumal das Bestimmungsrecht der Markeninhaberin im Streitfall nicht durch eine Obergrenze beschränkt ist15. Gegen eine unzumutbare Benachteiligung des Gläubigers spricht außerdem, dass die strafbewehrte Unterlassungserklärung nach „Hamburger Brauch“ insoweit mit einem vollstreckbaren, mit einer Ordnungsmittelandrohung verbundenen Unterlassungstitel vergleichbar ist. Zwar muss ein Antrag nach § 890 Abs. 1 ZPO kein bestimmtes Ordnungsmittel und dessen Höhe bezeichnen. Der Gläubiger kann aber nur mit der Angabe eines bestimmten Ordnungsgelds oder eines Mindestbetrags eine Beschwer und damit eine Rechtsmittelmöglichkeit schaffen, was dann jedoch – wie bei einem Rechtsstreit über eine im Sinne der §§ 315 ff. BGB „angemessene Vertragsstrafe“ – ein Kostenrisiko gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 891 Satz 3 ZPO birgt16.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 1. Dezember 2022 – I ZR 144/21

  1. vgl. dazu EuGH, GRUR 2007, 228 32] – Nokia[]
  2. vgl. BeckOK.Markenrecht/Eckhartt aaO § 14 MarkenG Rn. 572[]
  3. vgl. Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., Vor §§ 14 bis 19d Rn. 86; Thiering in Ströbele/Hacker/Thiering aaO § 14 Rn. 534; zum Wettbewerbsrecht vgl. BGH, Urteil vom 21.02.2008 – I ZR 142/05, GRUR 2008, 815 14] = WRP 2008, 1180 – Buchführungsbüro; Urteil vom 13.09.2018 – I ZR 117/15, GRUR 2018, 1258 53] = WRP 2018, 146 – YouTube-Werbekanal II, mwN[]
  4. vgl. EuGH, GRUR 2007, 228 36] – Nokia[]
  5. vgl. EuGH, GRUR 2007, 228 38] – Nokia[]
  6. vgl. Tolkmitt in Ruhl/Tolkmitt aaO Art. 89 VO 6/2002 Rn. 38[]
  7. vgl. BGH, Urteil vom 07.12.1989 – I ZR 237/87, GRUR 1990, 534 13] = WRP 1990, 622 – Abruf-Coupon[]
  8. WRP 2015, 387 31]; WRP 2019, 123 79][]
  9. vgl. auch OLG Hamburg, Urteil vom 25.09.1997 – 3 U 116/97 6 und 11[]
  10. vgl. MünchKomm-.UWG/Ottofülling, 3. Aufl., § 13a Rn. 14; MünchKomm-.UWG/Fritzsche aaO § 8 Rn. 98; Büscher/Hohlweck, UWG, 2. Aufl., § 8 Rn. 49; Großkomm.UWG/Feddersen, 3. Aufl., § 13a Rn.20; Goldmann in Harte/Henning, UWG, 5. Aufl., § 8 Rn. 97; BeckOK.GeschGehG/Spieker, 13. Edition [Stand 15.03.2020], § 6 Rn. 22; Schmitt-Gaedke/Arz, WRP 2015, 1196 Rn. 12; Vierkötter/Schneider, ZAP 2019, 443, 444; vgl. auch Teplitzky/Kessen, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 12. Aufl., Kap. 8 Rn. 53[]
  11. vgl. auch Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl., Unterlassungsanspruch Rn. 29[]
  12. vgl. BGH, Urteil vom 31.05.1990 – I ZR 285/88, GRUR 1990, 1051 17] = WRP 1991, 27 – Vertragsstrafe ohne Obergrenze, mwN; BeckOK.UWG/Tavanti/Scholz, 17. Edition [Stand 1.07.2022], § 13a Rn. 26[]
  13. vgl. OLG Düsseldorf, GRUR-RS 2020, 3130 Rn.19[]
  14. vgl. BGH, Urteil vom 12.07.1984 – I ZR 123/82, GRUR 1985, 155 15 f.] = WRP 1985, 22 – Vertragsstrafe bis zu … I; Urteil vom 14.02.1985 – I ZR 20/83, GRUR 1985, 937 16] = WRP 1985, 404 – Vertragsstrafe bis zu … II; BGH, GRUR 1990, 1051 17] – Vertragsstrafe ohne Obergrenze[]
  15. vgl. BGH, GRUR 1985, 937 16] – Vertragsstrafe bis zu … II[]
  16. vgl. BGH, Beschluss vom 19.02.2015 – I ZB 55/13, GRUR 2015, 511 14 f.] = WRP 2015, 590 – Kostenquote bei beziffertem Ordnungsmittelantrag[]