Entscheidungsgründe – und die Bezugnahme auf einen früheren Hinweisbeschluss

Für die ordnungsgemäße Begründung einer Entscheidung reicht die Bezugnahme auf eine Entscheidung aus, die zwischen denselben Parteien ergangen ist. Dies gilt auch bei Bezugnahme auf einen Hinweisbeschluss gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO in einem früheren Berufungsverfahren zwischen denselben Parteien, der zur Rücknahme der Berufung geführt hat1.

Entscheidungsgründe – und die Bezugnahme auf einen früheren Hinweisbeschluss

Nach § 547 Nr. 6 ZPO ist eine Entscheidung stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen, wenn sie entgegen den Bestimmungen der Zivilprozessordnung nicht mit Gründen versehen ist; die Vorschrift gilt nach § 576 Abs. 3 ZPO entsprechend im Rechtsbeschwerdeverfahren. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs reicht die Bezugnahme auf eine Entscheidung, die zwischen denselben Parteien – auch an demselben Tag – ergangen ist, für eine ordnungsgemäße Begründung aus. Ebenso zulässig ist die Bezugnahme auf eine nicht zwischen denselben Parteien ergangene Entscheidung, sofern sie Gegenstand der mündlichen Verhandlung war2.

Nach diesem Maßstab leidet der hier angegriffene Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg3 nicht an einem Begründungsmangel. Das hanseatische Oberlandesgericht hat in seiner Begründung auf einen Beschluss verwiesen, der zwischen denselben Parteien in einem früheren Verfahren ergangen ist und den die Antragsgegner zudem als Abschrift zur Akte des vorliegenden Verfahrens gegeben haben. Damit ist gewährleistet, dass sich die Parteien des vorliegenden Verfahrens Kenntnis von den Gründen des in Bezug genommenen Beschlusses verschaffen konnten und der im Verfahren vor dem Oberlandesgericht unterlegene Antragsteller auf dieser Grundlage eine Entscheidung über die Durchführung eines Rechtsbeschwerdeverfahrens treffen konnte. Ob der in Rede stehende Beschluss durch die Berufungsrücknahme in entsprechender Anwendung des § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO wirkungslos geworden ist4, ist für die Erreichung der genannten Zwecke, denen das Begründungserfordernis dient, ohne Bedeutung. Der Durchführung einer mündlichen Verhandlung bedurfte es bereits deswegen nicht, weil der in Bezug genommene Beschluss zwischen den Parteien des vorliegenden Verfahrens ergangen ist.

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Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29. September 2022 – I ZB 15/22

  1. Fortführung von BGH, Urteil vom 18.05.2017 – I ZR 21/16 43 mwN[]
  2. vgl. BGH, Urteil vom 08.11.1990 – I ZR 49/89, GRUR 1991, 403 9]; Urteil vom 12.10.1993 – VI ZR 235/92, NJW 1994, 803 15]; Urteil vom 18.05.2017 – I ZR 21/16 43[]
  3. OLG Hamburg, Beschluss vom 01.02.2022 – 11 Sch 5/21[]
  4. vgl. hierzu BeckOK.ZPO/Wulf, 46. Edition [Stand 1.09.2022], § 516 Rn. 14; Musielak in Musielak/Voit, ZPO, 19. Aufl., § 516 Rn. 13[]