Das Bundesverfassungsgericht hat zwei Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen, in denen sich die Verein, eine studentische Burschenschaft und ein bundesweit tätiger Verein, sich gegen ihre Nennung in Verfassungsschutzberichten wandten.

Damit sind zwar Grundrechtseingriffe verbunden, befand das Bundesverfassungsgericht. Doch sind diese auch zu rechtfertigen. Jedenfalls ist nicht zu beanstanden, dass die Verwaltungsgerichte in beiden Fällen davon ausgegangen sind, dass tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung vorlagen und die Vereinigungen daher im Verfassungsschutzbericht genannt werden konnten.
Die Ausgangssachverhalte
Im ersten Verfahren1 wendet sich ein Zusammenschluss der zur aktiven Beteiligung Verpflichteten einer burschenschaftlich organisierten Burschenschaft gegen ihre Nennung im Verfassungsschutzbericht 2015 des Freistaates Bayern im Abschnitt „Rechtsextremismus“. Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz stützte sich auf das Auftreten der Burschenschaft in der Öffentlichkeit, politische Aktivitäten und Veranstaltungen mit bestimmten eingeladenen Personen sowie auf die personelle Vernetzung der Burschenschaft mit Mitgliedern der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD). Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts München2 reichten diese dokumentierten Aktivitäten als tatsächliche Anhaltspunkte für die Nennung im Bericht aus.
Der Verein des zweiten Verfahrens3 wendet sich als bundesweit tätiger Verein gegen seine Nennung im Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2013 im Abschnitt „Autonome Linksextremisten“. An mehreren Stellen wird dort über Verbindungen des Vereins zu einer als verfassungsfeindlich eingestuften politischen Partei berichtet. Dabei wird in Fußnoten jeweils darauf hingewiesen, dass lediglich Anhaltspunkte für den Verdacht der Verfolgung verfassungsfeindlicher Bestrebungen bestünden. Ein fachgerichtlichen Eilverfahren und eine Verfassungsbeschwerde waren zunächst erfolglos4. Doch entschied das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, dass die Art der Darstellung in einzelnen Passagen des Verfassungsschutzberichts rechtswidrig sei und diese entfernt werden müssen. Die Nennung im Bericht als solche sei jedoch nicht zu beanstanden5.
Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
Die gegen die Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte gerichteten Verfassungsbeschwerden hatten – soweit sie zulässig sind – in der Sache keinen Erfolg, das Bundesverfassungsgericht nahm sie nicht zur Entscheidung an:
Die Nennung der Beschwerdeführenden in den Verfassungsschutzberichten ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie greift zwar jeweils in ihre grundrechtlich geschützten Freiheiten ein. Diese Eingriffe sind jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Dies gilt unabhängig davon, ob die Nennung als ein Eingriff in die von Art. 9 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) geschützte Vereinigungsfreiheit, in die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) oder in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1, Art.19 Abs. 3 GG) zu sehen ist. Denn aus den unterschiedlichen Grundrechten ergibt sich hier kein unterschiedliches Schutzniveau.
Die rechtsextreme Burschenschaft
Soweit die Fachgerichte die Nennung der Burschenschaft im ersten Verfahrens1 im Verfassungsschutzbericht 2015 des Freistaates Bayern für gerechtfertigt hielt, haben sie grundrechtliche Schutzgehalte nicht verkannt.
Das Bundesverfassungsgericht hat insofern allein die Aufgabe, gerichtliche Entscheidungen auf die Verletzung von Verfassungsrecht zu überprüfen. Ein Grundrechtsverstoß durch die Gerichte liegt nur dann vor, wenn übersehen worden ist, dass bei Auslegung und Anwendung der jeweils anwendbaren Vorschriften überhaupt Grundrechte zu beachten waren, wenn deren Schutzbereich unrichtig oder unvollkommen bestimmt wurde oder wenn ihr Gewicht unrichtig eingeschätzt worden ist. Das ist hier nicht der Fall. Die Nennung der Burschenschaft im Verfassungsschutzbericht stützte sich auf eine landesrechtliche Bestimmung, nach welcher der Verfassungsschutz die Öffentlichkeit über tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen und Tätigkeiten von Gruppierungen oder Einzelpersonen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtet sind, unterrichtet. Hier ist nicht erkennbar, dass die Fachgerichte in der Auslegung und Anwendung des Landesrechts die Grundrechte der Burschenschaft verkannt hätten. Die Einwände der Burschenschaft, die Rechtsgrundlage für die Arbeit des Verfassungsschutzes sei zu unbestimmt oder die Auslegung der Gerichte vage und daher nicht verfassungsgemäß, greifen nicht durch. Verfassungsrechtlich ist geklärt, was als „freiheitlich demokratische Grundordnung“ geschützt ist. Desgleichen ist geklärt, dass sich rechtsextremistische Bestrebungen, insbesondere der NPD, aber auch des Vereins M., mit dem die Burschenschaft kooperiert, gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richten.
Ebenso wenig trägt der Einwand, bei der Nennung im Verfassungsschutzbericht werde nicht an Tatsachen angeknüpft, sondern ihre Gesinnung verfolgt. Insofern ist die Arbeit des Verfassungsschutzes an Sachlichkeit und weltanschaulich-politische Neutralität gebunden; er darf nicht an bloße Kritik an der bestehenden Ordnung anknüpfen oder politisch einseitig vorgehen. Die Berichterstattung ist daher auf Aktivitäten begrenzt, die eine aktiv-kämpferische Haltung indizieren und letztlich auf die Beseitigung der verfassungsmäßigen Ordnung gerichtet sind. Diese Maßgaben haben die Fachgerichte hier auch zugrunde gelegt. Sie haben als konkrete Anhaltspunkte für eigene verfassungsfeindliche Bestrebungen der Burschenschaft einen Vortrag eines Funktionärs der NPD gewertet, die Veranstaltung von Messen, die der NPD und einer mit dieser Partei verbundenen Gruppierung sowie einem verfassungswidrigen Verein ein Forum zur Selbstdarstellung und Werbung boten, deren zunächst positive Begleitung in den sozialen Medien durch die Burschenschaft und die Mitgliedschaft eines Verantwortlichen des Hausvereins der Burschenschaft in der NPD. Dabei haben die Gerichte auch ausdrücklich berücksichtigt, dass die NPD eine legale politische Partei ist, die den Schutz des Art. 21 GG genießt. Zugleich stellten sie aber darauf ab, dass es sich auch ausweislich der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über den gegen sie gerichteten Verbotsantrag um eine Partei handelt, die klar verfassungsfeindliche Positionen vertritt. Art. 21 GG schließt es zwar aus, diese Partei zu verbieten, untersagt aber dem Verfassungsschutz nicht, über Vereinigungen zu berichten, die mit ihr kooperieren.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG). Soweit sie zulässig sind, greifen die Rügen nicht durch. Die Gerichte haben verfassungsrechtliche Maßgaben in den angegriffenen Entscheidungen nicht verkannt.
Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise unzulässig. Soweit sie sich gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs richtet, genügt sie schon nicht den aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG folgenden Anforderungen an eine hinreichend substantiierte Begründung. Im Übrigen kann die hier beschwerdeführende Vereinigung weder die Rechte ihrer Mitglieder noch die Rechte einer von ihr unterstützten politischen Partei geltend machen. Auch ist weder dargelegt noch erkennbar, inwiefern die Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG berührt sein sollte. Die Tatsache, dass es sich bei der im Verfassungsschutzbericht genannten Vereinigung um einen Teil einer Studentenverbindung handelt, genügt insoweit nicht.
Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde jedenfalls unbegründet. Die Nennung der Vereinigung im Verfassungsschutzbericht und die diese rechtfertigenden gerichtlichen Entscheidungen sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Die Nennung im Verfassungsschutzbericht greift zwar in die grundrechtlich geschützte Freiheit der Burschenschaft ein. Es handelt sich um eine mittelbar belastende Sanktion, die ihr gegenüber eine Warnfunktion hat und zugleich ihre Wirkungsmöglichkeiten beeinträchtigt6.
Dieser Eingriff ist jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob darin ein Eingriff in die nach Art. 9 Abs. 1 GG geschützte Vereinigungsfreiheit, in die Meinungsfreiheit im Sinne des Art. 5 Abs. 1 GG oder in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1, Art.19 Abs. 3 GG) zu sehen wäre, denn die unterschiedlichen Grundrechte weisen kein für die Beurteilung des vorliegenden Falles relevantes unterschiedliches Schutzniveau auf7. Mit Blick auf Art. 5 Abs. 1 GG handelt es sich bei der Vorschrift, auf die sich die Nennung der Burschenschaft im Verfassungsschutzbericht 2015 stützt, jedenfalls um ein allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG8.
Soweit der Verwaltungsgerichtshof die Nennung der Burschenschaft im Verfassungsschutzbericht für gerechtfertigt hielt, hat er auch in der Sache grundrechtliche Schutzgehalte nicht verkannt.
Das Bundesverfassungsgericht hat insofern allein die Aufgabe, gerichtliche Entscheidungen auf die Verletzung von Verfassungsrecht zu überprüfen9. Ein Grundrechtsverstoß, der zur Beanstandung von Entscheidungen führt, liegt nur dann vor, wenn übersehen worden ist, dass bei Auslegung und Anwendung der jeweils in Rede stehenden Vorschriften überhaupt Grundrechte zu beachten waren, wenn deren Schutzbereich unrichtig oder unvollkommen bestimmt wurde oder wenn ihr Gewicht unrichtig eingeschätzt worden ist10.
Das ist hier nicht der Fall.
Die Nennung der Vereinigung im Verfassungsschutzbericht 2015 des Freistaates Bayern stützte sich auf Art. 15 Satz 1 des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes in der bis zum 31.07.2016 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 10.04.199711. Danach unterrichten das zuständige Staatsministerium und das Landesamt für Verfassungsschutz die Öffentlichkeit über tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen und Tätigkeiten, die unter die Aufgabennorm des Art. 3 Abs. 1 BayVSG fallen. Danach hat der Verfassungsschutz insbesondere Bestrebungen von Gruppierungen oder Einzelpersonen im Geltungsbereich des Grundgesetzes zu beobachten, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind.
Es ist nicht erkennbar, dass die Fachgerichte in der Auslegung und Anwendung des Landesrechts die Grundrechte der Burschenschaft verkannt hätten.
Die Einwände der Burschenschaft, diese Rechtsgrundlage für die Arbeit des Verfassungsschutzes sei zu unbestimmt oder die Auslegung der Gerichte vage und daher nicht verfassungsgemäß, greifen nicht durch. Verfassungsrechtlich ist geklärt, was als „freiheitlich demokratische Grundordnung“ geschützt ist12.
Desgleichen ist geklärt, dass sich rechtsextremistische Bestrebungen, insbesondere der NPD13, aber auch des Vereins M., mit dem die hier beschwerdeführende Vereinigung kooperiert14, gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richten.
Ebenso wenig trägt der Einwand, bei der Nennung der Burschenschaft im Verfassungsschutzbericht 2015 werde nicht an Tatsachen angeknüpft, sondern ihre Gesinnung verfolgt. Insofern ist die Arbeit des Verfassungsschutzes an Sachlichkeit und weltanschaulich-politische Neutralität gebunden; er darf nicht an bloße Kritik an der bestehenden Ordnung anknüpfen oder politisch einseitig vorgehen. Die Berichterstattung ist daher auf Aktivitäten begrenzt, die eine aktiv-kämpferische Haltung indizieren und letztlich auf die Beseitigung der verfassungsmäßigen Ordnung gerichtet sind. Insoweit darf der Verfassungsschutz aus Meinungsäußerungen und weiteren Aktivitäten zwar Schlüsse ziehen, aber erst dann gegen eine dafür verantwortliche Vereinigung vorgehen, wenn sich darin Bestrebungen manifestieren, die Grundordnung zu beseitigen15. Diese Maßgaben haben die Fachgerichte hier auch zugrunde gelegt. Eine Nennung im Verfassungsschutzbereich wäre danach unverhältnismäßig, wenn nur vereinzelte oder wenig belastbare Erkenntnisse vorlägen16. Hier war das aber nicht der Fall. Vielmehr haben die Gerichte als konkrete Anhaltspunkte für eigene verfassungsfeindliche Bestrebungen der Burschenschaft einen länger zurückliegenden Vortrag eines Funktionärs der NPD gewertet, die Veranstaltung von Messen, auf denen der NPD und einer mit dieser Partei verbundenen Gruppierung sowie einem verfassungswidrigen Verein ein Forum zur Selbstdarstellung und Werbung geboten wurde, deren zunächst positive Begleitung in den sozialen Medien durch die Burschenschaft und die Mitgliedschaft eines Verantwortlichen des Hausvereins der Burschenschaft in der NPD.
Dabei haben die Gerichte auch ausdrücklich berücksichtigt, dass die NPD eine legale politische Partei ist, die den Schutz des Art. 21 GG genießt. Zugleich stellten sie in nicht zu beanstandender Weise darauf ab, dass es sich auch ausweislich der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über den gegen sie gerichteten Verbotsantrag um eine Partei handelt, die klar verfassungsfeindliche Positionen vertritt. Ein Parteiverbot war in ihrem Fall nur deshalb nicht zu rechtfertigen, weil es ihr an der hinreichenden Mächtigkeit im Sinne einer Potentialität fehlte, um solche Positionen durchzusetzen17. Art. 21 GG schließt es dann zwar aus, diese Partei zu verbieten, untersagt aber dem Verfassungsschutz nicht, über Vereinigungen zu berichten, die mit ihr kooperieren.
Schließlich greift auch der Einwand nicht durch, dass die Nennung im Verfassungsschutzbericht 2015 des Freistaates Bayern deshalb unverhältnismäßig gewesen sei, weil sie nur in einem Jahr erfolgte. Vielmehr spricht dieser Umstand gerade für eine grundrechtssensible Handhabung. So zeigt sich gerade im Fall der Burschenschaft, dass sie in Jahren, in denen sie insbesondere die Messe zur Werbung für verfassungsfeindliche Positionen nicht mehr durchgeführt hat, nicht mehr im Verfassungsschutzbericht genannt wurde.
Der linksextreme Verein
Auch im zweiten Verfahren3 hat das Oberverwaltungsgericht die Grundrechte des Vereins nicht verkannt, soweit es seine Nennung im Verfassungsschutzbericht 2013 des Landes Nordrhein-Westfalen für gerechtfertigt hielt.
Die Nennung stützte sich ebenfalls auf eine landesrechtliche Regelung, die es den Verfassungsschutzbehörden erlaubt, Verfassungsschutzberichte zu veröffentlichen. Dafür ist nach der Auslegung des Oberverwaltungsgerichts erforderlich, dass tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung vorliegen. Auch hier hat das Bundesverfassungsgericht nicht zu bewerten, ob die angegriffene Entscheidung zwingend war, denn die fachliche Prüfung obliegt den Fachgerichten. Verfassungsrechtlich ist allein entscheidend, ob Grundrechtsgehalte verkannt worden sind. Hier hat das Oberverwaltungsgericht nicht verkannt, dass es nicht ausreichend wäre, wenn sich eine Vereinigung lediglich nicht von verfassungsfeindlichen Organisationen distanzierte, zu denen Berührungspunkte bestehen, oder wenn allein personelle Überschneidungen mit einem verfassungsfeindlichen Personenzusammenschluss vorlägen. Vielmehr müssen auch nach der fachgerichtlichen Wertung verfassungsfeindliche Bestrebungen in der Sache bedeutsam unterstützt werden. Insofern darf die Gründungsgeschichte einer Vereinigung in die Gesamtschau ebenso eingehen wie ein Grußwort auf einer Wahlkampfveranstaltung einer als verfassungsfeindlich eingestuften politischen Partei, ein Stand auf deren Feier zum Gründungsjubiläum und eine gemeinsame Veranstaltung sowie die personelle Präsenz auf deren Wahllisten oder Wahlbündnissen, und das Fehlen jeglicher Anzeichen einer Distanzierung. Im Einklang mit den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit nimmt das Oberverwaltungsgericht zudem an, dass der Aussagewert dieser Anhaltspunkte umso geringer ist, je weiter sie in der Vergangenheit liegen.
Die durch das Urteil des Oberverwaltungsgerichts beschränkte Nennung des Vereins im Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2013 verletzt ihn nicht in seinen Grundrechten.
Die Nennung im Verfassungsschutzbericht greift zwar in seine grundrechtlich geschützte Freiheit ein. Es handelt sich um eine mittelbar belastende Sanktion, die ihm gegenüber eine Warnfunktion hat und zugleich seine Wirkungsmöglichkeiten beeinträchtigt6.
Dieser Eingriff ist jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Das gilt unabhängig davon, ob die Nennung als eine den Kernbereich der Vereinstätigkeit betreffende Beschränkung der durch Art. 9 Abs. 1 GG geschützten Organisationsautonomie18 anzusehen wäre19 oder ob mit der Warnfunktion der Nennung eine Einschränkung der in Art. 9 Abs. 1 GG geschützten Wirkungsmöglichkeiten verbunden wäre, weil potentielle Neumitglieder von einem Vereinsbeitritt Abstand nehmen und bereits beigetretene Mitglieder aus dem Verein austreten und sich von ihm distanzieren könnten20, oder aber die Nennung an anderen Grundrechten zu messen wäre.
Für die Beurteilung des vorliegenden Falles ergibt sich aus den unterschiedlichen Grundrechten jedenfalls kein unterschiedliches Schutzniveau. Der Grundrechtsschutz wird weder verringert noch erweitert, wenn eine Vereinigung handelt21. Soweit die Nennung im Verfassungsschutzbericht an Meinungsäußerungen anknüpft, wäre die nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1, Art.19 Abs. 3 GG geschützte Meinungsfreiheit des Vereins und darüber hinaus die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1, Art.19 Abs. 3 GG) betroffen, deren Wertungen aber auch im Zusammenhang des Art. 9 Abs. 1 GG zu berücksichtigen22.
Soweit insbesondere das Oberverwaltungsgericht die Nennung des Vereins im Verfassungsschutzbericht für gerechtfertigt hielt, wurden die grundrechtlichen Schutzgehalte auch nicht verkannt.
Das Bundesverfassungsgericht hat insofern allein die Aufgabe, gerichtliche Entscheidungen auf die Verletzung von Verfassungsrecht zu überprüfen9. Ein Grundrechtsverstoß, der zur Beanstandung von Entscheidungen führt, liegt nur dann vor, wenn übersehen worden ist, dass bei Auslegung und Anwendung der jeweils in Rede stehenden Vorschriften überhaupt Grundrechte zu beachten waren, wenn deren Schutzbereich unrichtig oder unvollkommen bestimmt wurde oder wenn ihr Gewicht unrichtig eingeschätzt worden ist10.
Das ist hier nicht der Fall.
Nach § 5 Abs. 7 Satz 1 VSG NRW darf die Verfassungsschutzbehörde insbesondere Verfassungsschutzberichte veröffentlichen. In der Auslegung des Oberverwaltungsgerichts ist dafür erforderlich, dass tatsächliche Anhaltspunkte für den in § 3 Abs. 1 VSG NRW genannten Verdacht von Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung vorliegen. Zwar bezieht sich diese Norm nicht mehr ausdrücklich auf die Aufgabennorm des § 3 Abs. 1 VSG NRW. Das Oberverwaltungsgericht hat die Norm aber systematisch dahin gehend ausgelegt, dass mit Blick auf die in § 3 Abs. 3 VSG NRW betonte Bedeutung der Aufklärungsarbeit über Bestrebungen und Aktivitäten im Sinne des § 3 Abs. 1 VSG NRW auch die Berichterstattung des Verfassungsschutzes über Verdachtsfälle weiter möglich sei. Das steht mit den Ausführungen im Gesetzentwurf der Landesregierung in Einklang23, auf die das Oberverwaltungsgericht verweist.
In der Sache stößt dies nicht auf durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken24. Mit Blick auf Art. 5 Abs. 1 GG handelt es sich bei dem der Nennung des Vereins im Verfassungsschutzbericht 2013 zugrundeliegenden § 5 Abs. 7 VSG NRW ebenso wie bei der weitgehend inhaltsgleichen Vorgängervorschrift um ein allgemeines Gesetz, auf das nach Art. 5 Abs. 2 GG25 eine Beschränkung gestützt werden kann. Für eine Nennung im Verfassungsschutzbericht müssen sodann hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, um einer Vereinigung verfassungsfeindliche Bestrebungen und Tätigkeiten zuschreiben zu können26. Dabei ist die Arbeit des Verfassungsschutzes an Sachlichkeit und weltanschaulich-politische Neutralität gebunden. Ein „bloßes Haben und Äußern“ als verfassungsfeindlich bewerteter Meinungen und Gesinnungen genügt für eine Nennung im Verfassungsschutzbericht nicht, sondern es ist an eine aktiv-kämpferische Haltung anzuknüpfen27. Werden Meinungsäußerungen berücksichtigt, müssen sich darin tatsächliche Bestrebungen manifestieren, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beseitigen28. Es ist nicht erkennbar, dass die Fachgerichte dies hier verkannt hätten.
Dabei ist nicht zu bewerten, ob die angegriffenen Entscheidungen zwingend waren, denn die fachliche Prüfung obliegt eben den Fachgerichten. Verfassungsrechtlich ist allein entscheidend, ob Grundrechtsgehalte verkannt worden sind. Insofern ist nicht zu beanstanden, dass die Bewertung einer Vereinigung auf eine Gesamtschau hinreichend gewichtiger Ereignisse gestützt werden kann29. Hier verkennt das Oberverwaltungsgericht auch nicht, dass es nicht ausreichend wäre, wenn sich eine Vereinigung lediglich nicht von verfassungsfeindlichen Organisationen distanzierte, zu denen Berührungspunkte bestehen, oder wenn allein personelle Überschneidungen mit einem verfassungsfeindlichen Personenzusammenschluss vorlägen. Vielmehr müssen auch nach der fachgerichtlichen Wertung verfassungsfeindliche Bestrebungen in der Sache bedeutsam unterstützt werden. Insofern darf die Gründungsgeschichte einer Vereinigung in die Gesamtschau ebenso eingehen wie ein Grußwort auf einer Wahlkampfveranstaltung einer als verfassungsfeindlich eingestuften politischen Partei, ein Stand auf deren Feier zum Gründungsjubiläum und eine gemeinsame Veranstaltung sowie die personelle Präsenz auf deren Wahllisten oder Wahlbündnissen, und dass jegliche Anzeichen einer Distanzierung fehlen. Im Einklang mit den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit nimmt das Oberverwaltungsgericht zudem an, dass der Aussagewert dieser Anhaltspunkte umso geringer ist, je weiter sie in der Vergangenheit liegen.
Das Oberverwaltungsgericht ist im Übrigen zutreffend davon ausgegangen, dass die Annahme, es lägen hinreichende Anhaltspunkte für die Nennung im Verfassungsschutzbericht vor, in vollem Umfang der gerichtlichen Kontrolle unterfällt. Damit ist eine Verletzung von Grundrechten auch insoweit nicht erkennbar.
Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 31. Mai 2022 – 1 BvR 98/21 – 1 BvR 564/19
- BVerfG – 1 BvR 98/21[↩][↩]
- VG München, Urteil vom 19.04.2018 – M 30 K 16.3007; hierzu: BayVGH, Beschluss vom 06.045.2020 – 10 ZB 18.2223[↩]
- BVerfG – 1 BvR 564/19[↩][↩]
- BVerfG, Beschluss vom 17.12.2014 – 1 BvR 3340/14[↩]
- OVG NRW, Urteil vom 07.08.2018 – 5 A 1698/15[↩]
- vgl. zur Pressefreiheit BVerfGE 113, 63 <76 ff.>[↩][↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom heutigen Tage – 1 BvR 564/19, Rn. 12 f.[↩]
- vgl. dazu BVerfGE 113, 63 <78 f.>[↩]
- vgl. BVerfGE 18, 85 <92> stRspr[↩][↩]
- vgl. BVerfGE 106, 28 <45> m.w.N.; stRspr[↩][↩]
- GVBl. S. 70 – BayVSG[↩]
- vgl. zuletzt BVerfGE 144, 20 <202 f. Rn. 528 ff.>[↩]
- vgl. BVerfGE 144, 20 <246 ff. Rn. 635 ff.>[↩]
- vgl. BayVGH, Urteil vom 06.07.2017 – 10 BV 16.1237, Rn. 29 ff.[↩]
- vgl. BVerfGE 113, 63 <81 f.> zum Parteiverbot BVerfGE 144, 20 <219 ff. Rn. 571 ff.> für Vereinigungsverbote BVerfGE 149, 160 <197 f. Rn. 107 f.>[↩]
- vgl. BayVGH, Urteil vom 06.07.2017 – 10 BV 16.1237, Rn. 45[↩]
- vgl. BVerfGE 144, 20 <224 ff. Rn. 585 ff.>[↩]
- vgl. dazu BVerfGE 149, 160 <192 f. Rn. 98> 153, 182 <304 Rn. 326>[↩]
- so für die bloße Beobachtung durch den Verfassungsschutz Rinken, in: Denninger/Hoffmann-Riem/Schneider/Stein, AK-GG, 3. Aufl.2001, Art. 9 Rn. 61; Bauer, in: Dreier, GG, Bd. 1, 3. Aufl.2013, Rn. 51; Ziekow, in: Merten/Papier, HGRe, Bd. IV, 2011, § 107 Rn. 43; Höfling, in: Sachs, GG, 9. Aufl.2021, Art. 9 Rn. 36[↩]
- vgl. dazu BVerfGE 113, 63 <77 f.>, zur Mitgliederwerbung BVerfGE 84, 372 <378>[↩]
- vgl. BVerfGE 149, 160 <190 f. Rn. 98>[↩]
- vgl. BVerfGE 149, 160 <190 f. Rn. 93>[↩]
- LTDrucks 16/2148, S. 57[↩]
- vgl. zur Vorgängerregelung BVerfGE 113, 63 <80 ff.>[↩]
- vgl. BVerfGE 113, 63 <78 f.>[↩]
- vgl. BVerfGE 113, 63 <80 ff.>[↩]
- vgl. BVerfGE 149, 160 <214 Rn. 146> unter Verweis auf BVerfGE 124, 300 <331 ff., 335> zu § 130 StGB[↩]
- vgl. BVerfGE 113, 63 <81 f.> zum Parteiverbot BVerfGE 144, 20 <219 ff. Rn. 571 ff.> und für Vereinigungsverbote BVerfGE 149, 160 <197 f. Rn. 107 f.> im Übrigen dazu der Beschluss vom heutigen Tage – 1 BvR 98/21, Rn. 16[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 17.10.1990 – 1 C 12.88, Rn. 28[↩]
Bildnachweis:
- Verbindungshaus der Burschenschaft Danubia München: Beowulf Tomek | CC BY-SA 4.0 International