Flugdienstuntauglichkeit als auflösende Bedingung des Arbeitsverhältnisses

Nach § 20 Abs. 1 Buchst. a MTV Nr. 2 endet das Arbeitsverhältnis, ohne dass es einer Kündigung bedarf, zu dem Zeitpunkt, zu dem nach Feststellung und Bekanntgabe der Flugdienstuntauglichkeit an den Betroffenen eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 22 MTV Nr. 2 frühestens zulässig gewesen wäre, wenn durch eine fliegerärztliche Untersuchungsstelle festgestellt wird, dass ein Mitarbeiter wegen körperlicher Untauglichkeit seinen Beruf nicht mehr ausüben kann.

Flugdienstuntauglichkeit als auflösende Bedingung des Arbeitsverhältnisses

Diese Tarifvorschrift ist dahin auszulegen, dass das Arbeitsverhältnis nicht endet, wenn für den flugdienstuntauglichen Arbeitnehmer eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Bodendienst besteht und der Arbeitnehmer die Weiterbeschäftigung im Bodendienst vom Arbeitgeber verlangt1.

Es kommt daher für den Eintritt der auflösenden Bedingung nach der Tarifvorschrift nicht nur darauf an, dass der Arbeitnehmer nicht mehr im fliegerischen Bereich eingesetzt werden kann; die auflösende Bedingung setzt vielmehr voraus, dass auch keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit besteht. Diese Auslegung entspricht entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts auch dem in der Tarifnorm zum Ausdruck kommenden Willen der Tarifvertragsparteien. Zwar ist in der tariflichen Regelung die fehlende anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit als Voraussetzung für den Eintritt der auflösenden Bedingung nicht ausdrücklich formuliert. Sie ergibt sich aber entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts aus dem bei der Tarifauslegung zu berücksichtigenden tariflichen Gesamtzusammenhang und dem Sinn und Zweck der Regelung2.

Die auflösende Bedingung für den Fall einer festgestellten dauerhaften Flugdienstuntauglichkeit beruht auf der Annahme der Tarifvertragsparteien, der betroffene Arbeitnehmer werde künftig die arbeitsvertraglich geschuldete Leistung nicht mehr erbringen können. Eine daran anknüpfende auflösende Bedingung dient einerseits dem Schutz des Arbeitnehmers, der aufgrund eines körperlichen Mangels dauerhaft nicht mehr in der Lage ist, seine arbeitsvertraglich geschuldete fliegerische Tätigkeit zu erbringen, und der zum Schutz seiner eigenen Gesundheit sowie zum Schutz der Flugsicherheit hierzu auch nicht berechtigt ist (Art. 11 Abs. 1 der Verordnung3. Andererseits will die Vorschrift den berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rechnung tragen und es ihm ermöglichen, sich unter erleichterten Voraussetzungen von dem Arbeitnehmer trennen zu können, wenn infolge der Flugdienstuntauglichkeit eine Beschäftigungsmöglichkeit nicht mehr besteht. Dies ist nicht der Fall, wenn der betreffende Arbeitnehmer auf einem freien Arbeitsplatz im Bodendienst weiterbeschäftigt werden kann4. Dem Schutzbedürfnis beider Vertragsparteien wird bei einer festgestellten Flugdienstuntauglichkeit des Arbeitnehmers Rechnung getragen, wenn ihn der Arbeitgeber auf einem freien und geeigneten Arbeitsplatz weiterbeschäftigen kann.

Die Auslegung der Tarifnorm dahin, dass das Arbeitsverhältnis nicht endet, wenn für den Arbeitnehmer eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Bodendienst besteht, wird durch die in § 20 Abs. 3 MTV Nr. 2 enthaltene Verweisung auf § 19 Abs. 3 MTV Nr. 2 bestätigt5. Nach § 19 Abs. 3 Satz 2 MTV Nr. 2 kann im Fall einer Weiterbeschäftigung des Bordmitarbeiters als Angestellter mit einer anderen nicht fliegerischen Tätigkeit aus der vorangegangenen Tätigkeit als Bordmitarbeiter kein Anspruch auf Fortzahlung der bis dahin gezahlten Bezüge abgeleitet werden. Diese Regelung zeigt, dass allein die Flugdienstuntauglichkeit eines Bordmitarbeiters nach dem Verständnis der Tarifvertragsparteien nicht stets zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses führt. Zwar besteht nach § 19 Abs. 3 Satz 3 MTV Nr. 2 eine Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung weder auf Seiten der Arbeitgeberin noch auf Seiten des Kabinenmitarbeiters. Diese Bestimmung wird jedoch trotz der Formulierung in § 20 Abs. 3 MTV Nr. 2 „Die Bestimmungen des § 19 Abs. (3) gelten … entsprechend“ von der Verweisung nicht umfasst, da die Verweisung nur „für den Fall einer Weiterbeschäftigung als Angestellter mit einer anderen nicht fliegerischen Tätigkeit“ gilt. Insoweit handelt es sich um eine bloße Rechtsfolgenverweisung.

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Für dieses Verständnis der auflösenden Bedingung in § 20 Abs. 1 Buchst. a des für das Kabinenpersonal der hier beklagten Fluggesellschaft geltenden Manteltarifvertrags Nr. 2 spricht auch der Grundsatz der möglichst gesetzeskonformen Auslegung von Tarifverträgen.

Tarifliche Bestimmungen, die zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Eintritt einer auflösenden Bedingung führen, bedürfen eines Sachgrundes iSv. § 14 Abs. 1 TzBfG6. Sie sind nach Möglichkeit gesetzes- und verfassungskonform und damit ggf. geltungserhaltend auszulegen7.

Die in § 20 Abs. 1 Buchst. a MTV Nr. 2 geregelte auflösende Bedingung genügt nur dann der arbeitsgerichtlichen Bedingungskontrolle, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses neben der Flugdienstuntauglichkeit das Fehlen einer anderweitigen Weiterbeschäftigungsmöglichkeit voraussetzt. Der Verlust der Flugdiensttauglichkeit stellt für sich allein keinen ausreichenden Sachgrund für die auflösende Bedingung dar. Erst die sich aus der Flugdienstuntauglichkeit ergebende fehlende Beschäftigungsmöglichkeit kann die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG rechtfertigen8. Das durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers überwiegt das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wenn ein Arbeitsplatz im Bodendienst frei ist, auf dem der Arbeitnehmer mit dem verbliebenen Leistungsvermögen und seinen fachlichen und berufspraktischen Kenntnissen eingesetzt werden kann. Das gilt auch dann, wenn der Einsatz eine Änderung der Arbeitsvertragsbedingungen voraussetzt. Zwar schützt Art. 12 Abs. 1 GG auch die Vertrags- und Dispositionsfreiheit der Arbeitgeber zum Abschluss von Arbeitsverträgen mit den Beschäftigten9. Das umfasst auch die Vertrags- und Dispositionsfreiheit der Arbeitgeber hinsichtlich des Abschlusses von Änderungsverträgen. Solange der Arbeitnehmer jedoch nach seinem Leistungsvermögen und seinen Kenntnissen und Fähigkeiten auf einem freien Arbeitsplatz im Bodendienst eingesetzt werden kann, überwiegt sein Interesse am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses das Interesse des Arbeitgebers am Schutz seiner Vertrags- und Dispositionsfreiheit. Der Umstand, dass der Arbeitnehmer im Fall des Ausscheidens durch den Bezug einer Übergangsversorgung abgesichert ist, rechtfertigt keine andere Beurteilung10.

Der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses trotz festgestellter dauerhafter Flugdienstuntauglichkeit setzt allerdings voraus, dass der Arbeitnehmer spätestens bis zum Ablauf der nach §§ 20, 22 MTV Nr. 2 geltenden Frist seine Bereitschaft erklärt, im Bodendienst tätig zu werden.

Eine Weiterbeschäftigung des bisher im fliegerischen Dienst beschäftigten flugdienstuntauglichen Kabinenmitarbeiters im Bodendienst erfolgt – wie § 20 Abs. 3 iVm. § 19 Abs. 3 Satz 2 MTV Nr. 2 zeigt – nicht zu unveränderten Arbeitsbedingungen. Deshalb setzt die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers neben einem freien leistungsgerechten Arbeitsplatz im Bodendienst seine Bereitschaft voraus, im Bodendienst zu geänderten Arbeitsbedingungen tätig zu werden. Der Arbeitgeber kann von einer solchen Bereitschaft wegen der erforderlichen Vertragsänderung nicht ohne weiteres ausgehen. Daher obliegt es dem Arbeitnehmer, dem Arbeitgeber sein Interesse an der Weiterbeschäftigung im Bodendienst mitzuteilen11.

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Die Erklärung muss dem Arbeitgeber vor dem nach §§ 20, 22 MTV Nr. 2 vorgesehenen Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der auflösenden Bedingung zugehen. Die Tarifvorschrift über die auflösende Bedingung dient nicht nur dem Schutz des Arbeitnehmers vor Überbeanspruchung. Sie will auch dem berechtigten Interesse des Arbeitgebers Rechnung tragen, sich von einem Arbeitnehmer trennen zu können, der dauerhaft gesundheitsbedingt nicht in der Lage ist, seine vertraglich geschuldete Leistung zu erbringen. Der Arbeitgeber muss, um entsprechende Personaldispositionen, zB durch Neueinstellungen, vornehmen zu können, die Möglichkeit haben zu prüfen, ob das Arbeitsverhältnis infolge der Flugdienstuntauglichkeit endet oder wegen Bestehens einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit fortbesteht. Dies erfordert, dass der Arbeitnehmer ihm noch vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der auflösenden Bedingung und damit vor Ablauf der in §§ 20, 22 MTV Nr. 2 genannten Frist mitteilt, ob er zu einer Beschäftigung im Bodendienst bereit ist.

Die Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung im Bodendienst setzt das Bestehen eines freien Arbeitsplatzes voraus, auf dem der Arbeitnehmer mit seinem Leistungsvermögen und seinen fachlichen und berufspraktischen Kenntnissen eingesetzt werden kann. Das umfasst nicht nur solche Arbeitsplätze, die bis zum Ablauf der Frist der §§ 20, 22 MTV Nr. 2 frei werden, sondern auch solche Arbeitsplätze, bei denen im Zeitpunkt des Eintritts der auflösenden Bedingung feststeht, dass sie in absehbarer Zeit nach Ablauf der tarifvertraglichen Auslauffrist frei werden, sofern die Überbrückung dieses Zeitraums dem Arbeitgeber zumutbar ist12.

Bei der Beurteilung, ob Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten bestehen, gilt grundsätzlich eine abgestufte Darlegungslast13.

Der Arbeitgeber, der nach allgemeinen Grundsätzen für den Eintritt der auflösenden Bedingung darlegungsbelastet ist, muss, um seiner Darlegungslast zu genügen, zunächst behaupten, für den Arbeitnehmer bestehe keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit. Es obliegt dann grundsätzlich dem Arbeitnehmer, konkret vorzutragen, wie er sich seine Weiterbeschäftigung vorstellt. Erst ein solches Vorbringen verpflichtet den Arbeitgeber zu erläutern, aus welchen Gründen eine derartige Weiterbeschäftigung nicht in Betracht kommt14.

Hat der Arbeitgeber entgegen den Vorgaben des § 84 Abs. 2 SGB IX in der hier noch maßgeblichen, bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung (aF; seit dem 1.01.2018: § 167 Abs. 2 SGB IX) ein betriebliches Eingliederungsmanagement unterlassen oder nicht ordnungsgemäß unternommen, kann dies zu einer Erweiterung seiner Darlegungslast hinsichtlich des Bestehens von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten führen. Zwar ist die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 20 Abs. 1 Buchst. a MTV Nr. 2. Mit Hilfe des betrieblichen Eingliederungsmanagements können jedoch Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten auf einem anderen, ggf. „freizumachenden“ Arbeitsplatz erkannt und entwickelt werden mit dem Ziel, das Arbeitsverhältnis zu erhalten15. Hat der Arbeitgeber entgegen seiner gesetzlichen Pflicht ein betriebliches Eingliederungsmanagement nicht oder nicht ordnungsgemäß durchgeführt, darf der Arbeitgeber sich dadurch keine darlegungs- und beweisrechtlichen Vorteile verschaffen können16. In diesem Fall kann sich der Arbeitgeber im Rahmen der Darlegung fehlender Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten nach § 20 Abs. 1 Buchst. a MTV Nr. 2 nicht darauf beschränken vorzutragen, er kenne keine alternativen Einsatzmöglichkeiten für den flugdienstuntauglichen Arbeitnehmer und es gebe keine Arbeitsplätze im Bodendienst, die dieser nach seinem verbliebenen Leistungsvermögen ausfüllen könne. Er hat vielmehr von sich aus denkbare oder vom Arbeitnehmer bereits genannte Alternativen zu würdigen und im Einzelnen darzulegen, aus welchen Gründen die Beschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz ausscheidet. Erst nach einem solchen Vortrag ist es Sache des Arbeitnehmers, sich hierauf substantiiert einzulassen und darzulegen, wie er sich selbst seine Weiterbeschäftigung vorstellt17.

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Nur wenn auch die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements keine positiven Ergebnisse hätte zeitigen können, ist sein Fehlen unschädlich. Will sich der Arbeitgeber hierauf berufen, hat er die objektive Nutzlosigkeit des betrieblichen Eingliederungsmanagements darzulegen und ggf. zu beweisen. Dazu muss er umfassend und konkret vortragen, warum der flugdienstuntaugliche Arbeitnehmer nicht auf einem Arbeitsplatz im Bodendienst hätte eingesetzt werden können, warum also ein betriebliches Eingliederungsmanagement in keinem Fall dazu hätte beitragen können, das Arbeitsverhältnis zu erhalten18.

Allerdings sind Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten bei anderen Konzerngesellschaften nicht in Betracht zu ziehen. § 19 Abs. 3 MTV Nr. 2, auf den § 20 Abs. 3 MTV Nr. 2 hinsichtlich der anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit verweist, beschränkt die Weiterbeschäftigung auf eine andere Tätigkeit „innerhalb der Gesellschaft“ und damit auf die Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten bei der Arbeitgeberin19. Eine über den MTV Nr. 2 hinausgehende Weiterbeschäftigungspflicht der Arbeitgeberin folgt schon deshalb nicht aus Ziff. 1 des Arbeitsvertrags vom 20.04.1995, weil dieser nur einen vorübergehenden Einsatz der Arbeitnehmerin bei einem anderen Unternehmen zulässt.

Es ist daher zu prüfen, ob dem Eintritt der auflösenden Bedingung die im „BEM-Boden-Gespräch“ aufgezeigte Möglichkeit der Beschäftigung als Service Agent/Check-In entgegensteht. Gibt es im Bodendienst einen freien und für den Arbeitnehmer geeigneten Arbeitsplatz, kann sich der Arbeitgeber nur dann auf die auflösende Bedingung berufen, wenn er dem Arbeitnehmer diesen Arbeitsplatz vergeblich angeboten hat20. Grundsätzlich hat der Arbeitgeber jeden freien und geeigneten Arbeitsplatz anzubieten. Dies erfordert die Mitteilung, dass der Arbeitnehmer den Arbeitsplatz erhalten wird, falls er sich dafür entscheidet. Der bloße Hinweis auf die – auch jedem anderen Arbeitnehmer zustehende – Möglichkeit, sich auf eine offene Stelle zu bewerben, genügt nicht. Ein Angebot kann ausnahmsweise unterbleiben, wenn der Arbeitnehmer erklärt hat, dass er ein entsprechendes Angebot nicht annehmen wird. Bislang sind keine Feststellungen dazu getroffen, ob ein Arbeitsplatz als Service Agent/Check-In frei war, ob die Arbeitnehmerin auf diesem Arbeitsplatz nach ihrem Leistungsvermögen eingesetzt werden konnte und ob die Arbeitgeberin ihr diesen Arbeitsplatz angeboten hat. Diese Feststellungen wird das Landesarbeitsgericht – ggf. nach ergänzendem Sachvortrag der Parteien – nachzuholen haben. Sollte die Arbeitgeberin der Arbeitnehmerin einen freien und geeigneten Arbeitsplatz als Service Agent/Check-In nicht angeboten haben, wird zu prüfen sein, ob ein solches Angebot im konkreten Fall entbehrlich war.

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Die Arbeitgeberin war gemäß § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX aF zu einem betrieblichen Eingliederungsmanagement verpflichtet. Nach dieser Vorschrift ist ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchzuführen, wenn ein Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig war. Dies war bei der Arbeitnehmerin der Fall. Die Arbeitnehmerin war nach den vom Landesarbeitsgericht in Bezug genommenen Feststellungen des Arbeitsgerichts seit dem 23.08.2016 arbeitsunfähig erkrankt. Die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements setzt nicht voraus, dass bei dem betroffenen Arbeitnehmer eine Behinderung vorliegt21.

Die Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements ist keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für den Eintritt der auflösenden Bedingung nach § 20 Abs. 1 Buchst. a MTV Nr. 2. Das betriebliche Eingliederungsmanagement dient bei festgestellter Flugdienstuntauglichkeit vielmehr dazu, Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten im Bodendienst zu erkennen und zu entwickeln mit dem Ziel, das Arbeitsverhältnis zu erhalten. Dieses Ziel kann noch bis zum Ablauf der tarifvertraglichen Auslauffrist nach §§ 20, 22 MTV Nr. 2 durch ein betriebliches Eingliederungsmanagement erreicht werden, da die auflösende Bedingung nicht eintritt, wenn bis zu diesem Zeitpunkt eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit gefunden wird. Die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit kann sich auch noch nach dem Zugang des Unterrichtungsschreibens bis zum Ablauf der tarifvertraglichen Auslauffrist nach §§ 20, 22 MTV Nr. 2 ergeben22.

Der Zeitpunkt des Zugangs des Unterrichtungsschreibens ist für die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich des Bestehens oder Fehlens von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten unerheblich. Eine rechtsgestaltende Wirkung kommt dem Unterrichtungsschreiben – anders als einer Kündigung – nicht zu23. Der Bedingungseintritt hängt nicht von dem Unterrichtungsschreiben ab. Das Unterrichtungsschreiben setzt auch nicht die tarifvertragliche Auslauffrist nach §§ 20, 22 MTV Nr. 2 in Gang; diese knüpft an die Feststellung und die Bekanntgabe der Flugdienstuntauglichkeit an. Durch das Unterrichtungsschreiben soll der Arbeitnehmer über den Bedingungseintritt und den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Kenntnis gesetzt werden; dies kann auch schon vor dem Bedingungseintritt erfolgen. Den Arbeitgeber trifft daher auch dann keine erweiterte Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich des Fehlens von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten, wenn er ein betriebliches Eingliederungsmanagement erst nach Zugang des Unterrichtungsschreibens, aber vor dem Ablauf der tarifvertraglichen Auslauffrist nach §§ 20, 22 MTV Nr. 2 durchgeführt hat. In diesem Fall hat der Arbeitgeber sich keine darlegungs- und beweisrechtlichen Vorteile durch Unterlassen eines (ordnungsgemäßen) betrieblichen Eingliederungsmanagements verschafft, die durch Erweiterung seiner Darlegungs- und Beweislast ausgeglichen werden müssten.

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Der Eintritt der auflösenden Bedingung hängt im Übrigen nicht von einer Beteiligung der bei der Arbeitgeberin nach § 117 Abs. 2 BetrVG gebildeten Personalvertretung ab. Hierfür fehlt es schon an einer entsprechenden Rechtsgrundlage. Eine solche findet sich nicht im Gesetz. Insbesondere ist § 102 BetrVG nicht entsprechend auf die Mitteilung des Bedingungseintritts iSv. § 21 iVm. § 15 Abs. 2 TzBfG anzuwenden. Auch die auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren tarifvertraglichen Regelungen sehen eine Beteiligung der Personalvertretung im Zusammenhang mit der Beendigung von Arbeitsverhältnissen aufgrund des Eintritts einer auflösenden Bedingung nicht vor. Dabei kann dahinstehen, ob der Tarifvertrag Personalvertretung für das Bordpersonal vom 15.11.1972 (im Folgenden TV PV) oder der Tarifvertrag Personalvertretung Nr. 2 für das Bordpersonal vom 03.02.2017 (im Folgenden TV PV Nr. 2) Anwendung findet. Ein Mitbestimmungsrecht der Personalvertretung beim Eintritt einer auflösenden Bedingung folgt entgegen der Ansicht der Arbeitnehmerin weder aus § 88 TV PV noch aus § 90 Abs. 1 TV PV noch aus den entsprechenden Vorschriften in §§ 99, 102 TV PV Nr. 2. § 90 TV PV und § 102 TV PV Nr. 2, die ebenso wie § 102 BetrVG die Mitbestimmung bei Kündigungen regeln, finden auf die Unterrichtung über den Bedingungseintritt iSv. § 21 iVm. § 15 Abs. 2 TzBfG keine entsprechende Anwendung. Die Unterrichtung über den Eintritt der auflösenden Bedingung stellt auch keine personelle Maßnahme iSv. § 88 Abs. 1 TV PV und § 99 TV PV Nr. 2 dar.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26. Februar 2020 – 7 AZR 121/19

  1. BAG 17.04.2019 – 7 AZR 292/17, Rn.20; vgl. zu inhaltsgleichen Vorgängerregelungen: BAG 16.10.2008 – 7 AZR 185/07, Rn. 22; 11.10.1995 – 7 AZR 119/95, zu 1 der Gründe, BAGE 81, 148; 14.05.1987 – 2 AZR 374/86, zu B II 3 b der Gründe[]
  2. vgl. zur Auslegung des normativen Teils von Tarifverträgen BAG 20.11.2019 – 5 AZR 39/19, Rn.20[]
  3. EU) Nr. 1178/2011 iVm. Anhang IV MED.C.001 und MED.C.005[]
  4. BAG 17.04.2019 – 7 AZR 292/17, Rn. 21; vgl. zu inhaltsgleichen Vorgängerregelungen: BAG 16.10.2008 – 7 AZR 185/07, Rn. 22; 11.10.1995 – 7 AZR 119/95, zu 1 der Gründe, BAGE 81, 148; 14.05.1987 – 2 AZR 374/86, zu B II 3 b aa der Gründe[]
  5. BAG 17.04.2019 – 7 AZR 292/17, Rn. 22; vgl. zu inhaltsgleichen Vorgängerregelungen: BAG 16.10.2008 – 7 AZR 185/07, Rn. 22; 14.05.1987 – 2 AZR 374/86, zu B II 3 b aa der Gründe[]
  6. BAG 20.06.2018 – 7 AZR 690/16, Rn. 32; 15.02.2017 – 7 AZR 82/15, Rn.20; 27.07.2016 – 7 AZR 276/14, Rn. 26, BAGE 156, 8; 23.03.2016 – 7 AZR 827/13, Rn.20, BAGE 155, 1; 23.02.2000 – 7 AZR 891/98, zu B II 1 b bb der Gründe[]
  7. vgl. BAG 27.07.2016 – 7 AZR 276/14, Rn. 26, aaO; 23.02.2000 – 7 AZR 891/98, zu B II 1 b bb der Gründe[]
  8. BAG 17.04.2019 – 7 AZR 292/17, Rn. 25; 16.10.2008 – 7 AZR 185/07, Rn. 22; 14.05.1987 – 2 AZR 374/86, zu B II 3 b aa der Gründe[]
  9. BVerfG 6.06.2018 – 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14, Rn. 38 mwN, BVerfGE 149, 126[]
  10. BAG 17.04.2019 – 7 AZR 292/17, Rn. 25; vgl. zum Bezug einer Erwerbsminderungsrente BAG 27.07.2016 – 7 AZR 276/14, Rn. 30, BAGE 156, 8[]
  11. BAG 17.04.2019 – 7 AZR 292/17, Rn. 27; vgl. zum Weiterbeschäftigungsverlangen im Fall der Bewilligung von Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente: BAG 31.07.2002 – 7 AZR 118/01, zu I 2 c der Gründe, BAGE 102, 114; 9.08.2000 – 7 AZR 749/98, zu A II 2 c aa der Gründe[]
  12. BAG 17.04.2019 – 7 AZR 292/17, Rn. 29; 11.10.1995 – 7 AZR 119/95, zu 2 der Gründe, BAGE 81, 148; vgl. zu Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten iSv. § 33 Abs. 3 TV-L BAG 30.08.2017 – 7 AZR 204/16, Rn. 25, BAGE 160, 150[]
  13. vgl. BAG 17.04.2019 – 7 AZR 292/17, Rn. 30; 11.10.1995 – 7 AZR 119/95, zu 3 a der Gründe, BAGE 81, 148; vgl. zum Fehlen von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten iSv. § 33 Abs. 3 TV-L BAG 30.08.2017 – 7 AZR 204/16, Rn. 37, BAGE 160, 150[]
  14. vgl. BAG 17.04.2019 – 7 AZR 292/17, Rn. 31; 11.10.1995 – 7 AZR 119/95, zu 3 a der Gründe, BAGE 81, 148[]
  15. BAG 17.04.2019 – 7 AZR 292/17, Rn. 32; vgl. zu § 33 Abs. 3 TV-L BAG 30.08.2017 – 7 AZR 204/16, Rn. 39, BAGE 160, 150; 27.07.2011 – 7 AZR 402/10, Rn. 60[]
  16. vgl. zur Kündigung BAG 10.12.2009 – 2 AZR 400/08, Rn.19[]
  17. BAG 17.04.2019 – 7 AZR 292/17, Rn. 32; vgl. zu § 33 Abs. 3 TV-L BAG 30.08.2017 – 7 AZR 204/16, Rn. 39, aaO; 27.07.2011 – 7 AZR 402/10, Rn. 60; vgl. zur Kündigung BAG 30.09.2010 – 2 AZR 88/09, Rn. 35, BAGE 135, 361[]
  18. BAG 17.04.2019 – 7 AZR 292/17, Rn. 33; vgl. zu § 33 Abs. 3 TV-L BAG 30.08.2017 – 7 AZR 204/16, Rn. 40, BAGE 160, 150; 27.07.2011 – 7 AZR 402/10, Rn. 60; zur Kündigung: BAG 20.11.2014 – 2 AZR 755/13, Rn. 39, BAGE 150, 117; 20.03.2014 – 2 AZR 565/12, Rn. 34[]
  19. vgl. zur Vorgängerregelung BAG 16.10.2008 – 7 AZR 185/07, Rn. 25[]
  20. vgl. BAG 16.10.2008 – 7 AZR 185/07, Rn. 22[]
  21. vgl. BAG 17.04.2019 – 7 AZR 292/17, Rn. 36; 20.11.2014 – 2 AZR 755/13, Rn. 28, BAGE 150, 117[]
  22. vgl. BAG 5.07.1990 – 2 AZR 542/89, zu 4 der Gründe[]
  23. BAG 16.01.2018 – 7 AZR 622/15, Rn. 26, BAGE 161, 266[]
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