Der Gewinn aus der Veräußerung an der Börse gehandelter Inhaberschuldverschreibungen, die einen Anspruch gegen die Emittentin auf Lieferung physischen Goldes verbrieften und den aktuellen Goldpreis abbildeten (z.B. „Gold Bullion Securities“), ist jedenfalls dann nicht nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 i.V.m. Abs. 1 Nr. 7 EStG steuerpflichtig, wenn die Emittentin verpflichtet ist, das ihr zur Verfügung gestellte Kapital nahezu vollständig zum Erwerb von Gold einzusetzen1. Dies gilt auch dann, wenn nach den Emissionsbedingungen der Inhaber bei der Kündigung der Schuldverschreibungen statt der Lieferung des verbrieften Goldes die Auszahlung des Erlöses aus dem Verkauf des für ihn hinterlegten Goldes verlangen kann. Auch in diesem Fall wird primär eine Sachleistung geschuldet2.

Gewinne aus der Veräußerung von „Gold Bullion Securities“ Inhaberschuldverschreibungen sind mithin ein Jahr nach der Anschaffung nicht steuerbar. Damit hat der Bundesfinanzhof seine Rechtsprechung fortgesetzt, nach der es sich bei der Veräußerung an der Börse gehandelter Inhaberschuldverschreibungen, die einen Anspruch gegen die Emittentin auf Lieferung physischen Goldes verbriefen und den aktuellen Goldpreis abbilden, nicht um die steuerpflichtige Veräußerung einer Kapitalforderung handelt.
In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall veräußerte der Anleger seine „Gold Bullion Securities“ Inhaberschuldverschreibungen über ein Jahr nach der Anschaffung mit Gewinn. Bei den „Gold Bullion Securities“ handelte es sich um durch physisches Gold besicherte, unbefristete Schuldverschreibungen ohne Verzinsung und ohne Endfälligkeit. Dabei verbriefte jede einzelne „Gold Bullion Security“ Schuldverschreibung einen effektiven Anspruch auf Gold. Das den Wertpapieren zugewiesene physische Gold wurde als identifizierbare Goldbarren hinterlegt. Der Inhaber der Schuldverschreibung hatte das Recht, nach einer jederzeitig möglichen Kündigung die Auslieferung des Goldes zu verlangen. Alternativ hatte er die Möglichkeit, das Gold von der Emittentin veräußern und sich den dabei erzielten Veräußerungserlös auszahlen zu lassen.
Das Finanzamt besteuerte den erzielten Gewinn als Einkünfte aus Kapitalvermögen. Das Thüringer Finanzgericht gab der hiergegen erhobenen Klage statt und sah den Gewinn als nicht steuerbar an3. Der Bundesfinanzhof bestätigte dies nun und wies die Revision des Finanzamtes als unbegründet zurück:
Der Gewinn aus der Veräußerung der „Gold Bullion Securities“ unterliegt weder der Besteuerung nach § 20 EStG noch -wegen Ablaufs der Jahresfrist- nach § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG.
Das Finanzgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Gewinn aus der Veräußerung der „Gold Bullion Securities“ Inhaberschuldverschreibungen nicht nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 i.V.m. Abs. 1 Nr. 7 EStG steuerpflichtig ist, da die „Gold Bullion Securities“ Inhaberschuldverschreibungen keine Kapitalforderungen, sondern jeweils einen Anspruch gegen die Emittentin auf Lieferung physischen Goldes verbrieften. Der Umstand, dass sich der Anleger auch den Veräußerungserlös aus dem Verkauf des Goldes hätte auszahlen lassen können, führt zu keiner anderen Beurteilung.
Der von dem Anleger erzielte Gewinn aus der Veräußerung der „Gold Bullion Securities“ Inhaberschuldverschreibungen in Höhe von 9.248, 97 € führte nicht zu steuerbaren Einkünften aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG, da die Schuldverschreibungen nicht als sonstige Kapitalforderungen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu beurteilen sind. Unter den Begriff der Kapitalforderung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG fallen alle auf eine Geldleistung gerichteten Forderungen, deren Steuerbarkeit sich nicht bereits aus einem anderen Tatbestand i.S. des § 20 Abs. 1 Nrn. 1 bis 6 oder 8 bis 11 EStG ergibt, und zwar ohne Rücksicht auf die Dauer der Kapitalüberlassung oder den Rechtsgrund des Anspruchs. Nicht darunter fallen jedoch Ansprüche auf die Lieferung anderer Wirtschaftsgüter, insbesondere auf eine Sachleistung gerichtete Forderungen4. Danach sind die von dem Anleger veräußerten „Gold Bullion Securities“ keine sonstigen Kapitalforderungen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, da sie keinen Anspruch auf Geld, sondern auf eine Sachleistung in Form des hinterlegten Goldes verkörpern.
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass der Anleger nach den Emissionsbedingungen berechtigt war, zur Erfüllung des Lieferanspruchs statt der Auslieferung des Goldes die Auszahlung des Erlöses aus dem Verkauf des Goldes zu verlangen. Bei der Veräußerung des Goldes handelte es sich lediglich um eine Zusatzleistung zur Sachleistungspflicht, da diese erst nach der Lieferung des Goldes zu erfüllen war. Da der Anspruch primär auf die Lieferung physischen Goldes und somit auf eine Sachleistung gerichtet war, die mit einer Dienstleistung in Form der Veräußerung des Goldes verbunden war, liegt keine Kapitalforderung vor5. Denn ob die Emittentin die Sachleistung in Gold direkt an den Gläubiger der Inhaberschuldverschreibung oder aufgrund dessen Weisung zum Verkauf des Goldes an einen Dritten erbringt, macht bei wirtschaftlicher Betrachtung keinen Unterschied. In beiden Fällen wird die Emittentin als Schuldnerin um die Sachleistung entreichert und der Inhaber der Schuldverschreibung, der das Risiko aus der Veräußerung des Goldes zu tragen hatte, um den wirtschaftlichen Wert der Sachleistung bereichert. Die „Gold Bullion Securities“ Inhaberschuldverschreibungen verbrieften danach keine auf eine Geldleistung gerichteten Forderungen, sondern jeweils einen Anspruch auf eine Sachleistung in Form von Gold.
Zu berücksichtigen ist auch, dass die Emittentin nach den Emissionsbedingungen nicht berechtigt war, über das von ihr bei der Ausgabe der Inhaberschuldverschreibungen eingesammelte Kapital frei zu verfügen. Sie war verpflichtet, dieses zur Besicherung der verbrieften Auslieferungsansprüche in physisches Gold zu investieren. Sie hatte danach kein eigenständiges Kapitalnutzungsrecht i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG6.
Der Anspruch des Anlegers auf die Lieferung von Gold wird auch nicht dadurch zu einem Anspruch auf Geld, dass er nach den Emissionsbedingungen die Möglichkeit hatte, die „Gold Bullion Securities“ Inhaberschuldverschreibungen am Sekundärmarkt zu veräußern. Die Veräußerung begründet lediglich ein weiteres Rechtsverhältnis, das unabhängig vom schuldrechtlichen Lieferungsanspruch, der Gegenstand der Inhaberschuldverschreibungen ist, zu beurteilen ist6.
Der Veräußerungsgewinn unterliegt auch nicht der Besteuerung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b EStG. Unabhängig davon, dass die Vorschrift nach der Anwendungsregelung in § 52a Abs. 10 Satz 3 EStG im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, da der Anleger die Inhaberschuldverschreibungen im Jahr 2008 und somit vor dem 01.01.2009 erworben hat, handelt es sich bei den „Gold Bullion Securities“ Inhaberschuldverschreibungen nicht um ein als Termingeschäft ausgestaltetes Finanzinstrument7.
Im Ergebnis ist der Verkauf der „Gold Bullion Securities“ Inhaberschuldverschreibungen wie ein unmittelbarer Erwerb und unmittelbarer Verkauf physischen Goldes zu beurteilen. Dass der Anleger nicht Eigentümer des Goldes war, sondern nur einen schuldrechtlichen Lieferanspruch besaß, ändert daran nichts. Der BFH beurteilt diese Goldgeschäfte auch nach der Einführung der Abgeltungsteuer als private Veräußerungsgeschäfte i.S. von § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG8. Im Streitfall ist die insoweit maßgebliche Jahresfrist zwischen Anschaffung und Veräußerung überschritten, so dass die Voraussetzungen für eine Besteuerung nach § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG nicht erfüllt sind.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 16. Juni 2020 – VIII R 7/17
- Anschluss an BFH, Urteil vom 12.05.2015 – VIII R 35/14, BFHE 250, 71, BStBl II 2015, 834[↩]
- entgegen BMF, Schreiben vom 18.01.2016 – IV C 1-S 2252/08/10004:017, BStBl I 2016, 85, Rz 57[↩]
- Thüringer Finanzgericht , Urteil vom 27.06.2017 – 2 K 60/16, EFG 2018, 110[↩]
- s. hierzu die BFH, Urteile in BFHE 250, 75, BStBl II 2015, 835; in BFH/NV 2015, 1559, und in BFHE 250, 71, BStBl II 2015, 834; s.a. BFH, Urteil vom 06.02.2018 – IX R 33/17, BFHE 260, 485, BStBl II 2018, 525[↩]
- anderer Ansicht: BMF, Schreiben vom 18.01.2016 – IV C 1-S 2252/08/10004:017, BStBl I 2016, 85, Rz 57[↩]
- s. hierzu die BFH, Urteile in BFHE 250, 75, BStBl II 2015, 835, und in BFHE 250, 71, BStBl II 2015, 834[↩][↩]
- s. hierzu BFH, Urteil in BFHE 250, 75, BStBl II 2015, 835[↩]
- BFH, Urteile in BFHE 250, 75, BStBl II 2015, 835; in BFH/NV 2015, 1559, und in BFHE 250, 71, BStBl II 2015, 834; BFH, Urteil in BFHE 260, 485, BStBl II 2018, 525[↩]
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