KapMuG-Musterverfahren – und ihre Grenzen

Aktuell hatte sich der Bundesgerichtshof mit der Pflicht des Oberlandesgerichts zu befassen, die Grenzen von Feststellungszielen einzuhalten.

KapMuG-Musterverfahren – und ihre Grenzen

Im konkreten Fall ging es um einen Musterentscheid des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg1. Soweit das Oberlandesgericht einen Prospektfehler festgestellt hat, weil der Prospekt die Aussage treffe, dass auch die Mieten für das Objekt in H. durch ein Gutachten für marktgerecht erklärt worden seien, ohne in diesem Zusammenhang den unstreitigen Overrent zu erwähnen, hat es nach Ansicht des Bundesgerichtshofs die Grenzen des Feststellungsziels überschritten (§ 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 11 Abs. 1 Satz 1 KapMuG aF). Die getroffene Feststellung war vom Bundesgerichtshof daher bereits aus diesem Grund aufzuheben:

Das Oberlandesgericht hat verkannt, dass das Feststellungsziel a seinem Wortlaut und seiner Systematik nach insgesamt nur darauf abzielt, dass der im Prospekt angegebene Kaufpreis nicht marktgerecht sei. Das Feststellungsziel wendet sich einleitend gegen die Aussage, „dass der vereinbarte Kaufpreis von 50, 15 Mio. EUR durch ein unabhängiges Gutachten für marktgerecht erklärt wurde“. Auch in den insgesamt fünf Unterpunkten des Feststellungsziels werden jeweils nur Begründungen aufgeführt, warum entgegen der Angabe im Prospekt nicht von einer Marktgerechtigkeit des Kaufpreises auszugehen sei

Selbst in dem vom Oberlandesgericht herangezogenen Unterpunkt geht es lediglich um den Vorwurf, dass dem Kaufpreis eine Ertragsbewertung zugrunde liege, die einen Top Slice beinhalte, der nicht auf nachhaltig erzielbaren Mieten am Markt beruhe. Die Rüge in diesem Unterpunkt geht somit dahin, dass die Angabe, der Kaufpreis sei marktgerecht, deshalb falsch sei, weil die Wertermittlung wegen Einbeziehung nicht nachhaltig erzielbarer Mieten fehlerhaft erfolgt sei

Das Oberlandesgericht ist in den Gründen zu dem zutreffenden Ergebnis gekommen, dass die Aussage, dass der Kaufpreis marktgerecht sei, richtig ist, und hätte daher das Feststellungsziel als unbegründet zurückweisen müssen.

Nach dem Gutachten von CBRE beträgt der Estimated Rental Value – d.h. die auf Basis aktueller Marktmieten bei Vollvermietung theoretisch erzielbaren Mieteinnahmen für das Objekt2 – für die Fondsimmobilie zum Bewertungsstichtag (hier. 07.03.2008)) ca. 2.415.000 € pro Jahr. Die Herleitung dieses Estimated Rental Value beruht ausweislich der Erläuterung auf Seite 17 des Gutachtens auf allgemeiner Marktkenntnis sowie auf der Auswertung von fünf Vertragsabschlüssen über Büroimmobilien in H. aus dem Zeitraum November 2006 bis Juli 2007. Verglichen mit der für das Jahr 2008 vertraglich geltenden Jahresmiete von 2.659.830 € geht das Gutachten somit für den Stichtag von einem Overrent aus.

Ferner unterstellt das Gutachten von CBRE ab dem 16.05.2013 ein Absinken der Mieterträge auf eine Jahresmiete von 2.468.031 € – also auf die Ausgangsmiete der Fondsimmobilie – sowie für die Zeit nach Ablauf der Festlaufzeit, d.h. ab dem 16.05.2018, ein (weiteres) Absinken der Mieterträge auf den ermittelten Estimated Rental Value. Das Gutachten von CBRE nimmt ausweislich der Berechnungen auf Seite 3 von Appendix 4 die Ermittlung des Marktwertes der Fondsimmobilie – wie bei einem Overrent üblich – unter Berücksichtigung der sog. Core and Top Slice-Methode vor. Nach dieser Methode bildet der zum Bewertungsstichtag geschätzte Mietwert als sog. Hardcore den erzielbaren „Kern“ der Mieteinnahmen, der auf ewig kapitalisiert wird, während die höhere (über der Marktmiete) liegende Vertragsmiete (sog. Top Slice) nur über einen begrenzten Zeitraum (z.B. bis zum Ende der Festmietzeit) in Ansatz gebracht wird3

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12. November 2024 – XI ZB 22/22

  1. OLG Hamburg, Musterentscheid vom 03.06.2022 – 13 Kap 25/19[]
  2. vgl. Teitler-Feinberg/Hebestreit, IRZ 2018, 461 Fn. 3[]
  3. vgl. Hollung/Pahl in Meyer, Handbuch Immobilienwirtschaftsrecht, 2022, Kap. 7 Rn. 513 ff.; Kanngieser/Kertscher/Jessen, zfv 2007, 347, 349 f.[]

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