Kartenlegen per Telefon

Das Versprechen einer Lebensberatung, die sich auf die magischen Kräfte gelegter Karten gründet, ist auf eine im Rechtssinn unmögliche Leistung gerichtet. Ein Honoraranspruch für diese Leistung besteht nicht, entschied jetzt das Oberlandesgericht Stuttgart.

Kartenlegen per Telefon

Das Vertragsverhältnis ist als Dienstvertrag ist zu qualifizieren, in dem jetzt vom Oberlandesgericht Stuttgart entschiedenen Fall hatte sich die Klägerin verpflichtet, den Beklagten, gestützt auf Erkenntnisse über die Zukunft, die sie beim Kartenlegen gewinnt, in Lebensfragen zu beraten und ihm durch ihre Kräfte zu helfen. Nicht angenommen werden kann, dass die Klägerin dem Beklagten einen mit ihrer Tätigkeit verbundenen Erfolg (§ 631 BGB) in Form des Eintritts von bestimmten Ereignissen versprochen hat. Sie hat ihm insoweit nur ihre Unterstützung zugesagt.

Ein Vergütungsanspruch besteht allerdings nicht, weil die von der Klägerin versprochenen Dienste objektiv unmöglich sind, so dass der Anspruch auf die Gegenleistung entfällt (§§ 326 Abs. 1, 275 Abs. 1 BGB).

Objektiv unmöglich ist eine Leistung, wenn sie nach den Naturgesetzen oder nach dem Stand der Wissenschaft und Technik nicht erbracht werden kann1. Insbesondere ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass ein Vertrag, in dem sich eine Partei zum Einsatz magischer Kräfte verpflichtet, mit denen Lebensumstände positiv beeinflusst werden sollen – zum Beispiel Partnerschaftsprobleme gelöst werden sollen – auf eine unmögliche Leistung gerichtet ist, weil solche Kräfte nicht existieren2. Das Gleiche gilt für die Übernahme einer Verpflichtung, die darauf hinausläuft, auf astrologischer Grundlage – dem Stand der Sterne – zu beraten und Weisungen für die Zukunft zu erteilen3.

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Mit dem Argument, der Leistungsempfänger habe das bekommen, was er wollte, auf den von ihm erhofften Erfolg komme es nicht an, kann die Unmöglichkeit der Leistung nicht verneint werden4. Zwar kennt der die Leistung begehrende Vertragspartner in der Regel die ablehnende Haltung der Wissenschaft und weiß auch, dass die Mehrheit der denkenden Bevölkerung solche Kräfte für Aberglauben hält. Die Kenntnis von der fehlenden Anerkennung reduziert die versprochene Leistung aber nicht zu unverbindlichen Beratungen. Inhalt und Qualität der Leistung werden durch den zugesagten Einsatz magischer Kräfte bestimmt. Dies zeigt sich auch in der Preisgestaltung. Ohne ein besonderes Leistungsversprechen würde der Vertragspartner – wie auch hier – keine beachtlichen Zahlungen leisten wollen. Seine Zahlungsbereitschaft besteht nur, weil er an die versprochene Wirkung magischer Kräfte glaubt. Die von der Berufung in Bezug genommene Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Verwendung des Namens „Deutsche Heilpraktiker“5 befasst sich im Übrigen nur mit Fragen des unerlaubten Wettbewerbs. Sie stellt nicht fest, dass die Erzielung von Ergebnissen bei „esoterischen Dienstleistungen“ unerheblich ist.

Der Auffassung, dass Wahrsagungen durch Kartenlegen unmögliche Leistungen darstellen6, schließt sich das Oberlandesgericht Stuttgart daher an. Dabei kommt es nicht darauf an, ob aufgrund der Deutung der Karten konkrete Ereignisse vorhergesagt oder, wie die Klägerin meint, nur „Tendenzen gesehen werden“. Auch letzteres würde übernatürliche Kräfte erfordern. Das Gleiche gilt auch für jede Art von Versprechen, durch Kartenlegen oder andere magische Kräfte die Zukunft zu beeinflussen.

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Abzugrenzen hiervon ist das Angebot bloßer Lebensberatung. Diese kann darin bestehen, dass aufgrund der Schilderung von Lebensumständen und Begebenheiten allgemeine Ratschläge für ein bestimmtes weiteres Verhalten erteilt werden. Eine solche Beratung, die auf irrationale Bezüge verzichtet, stellt eine erbringbare Leistung dar.

Das Leistungsversprechen der Klägerin war vorliegend insgesamt auf die Wirkung magischer Kräfte gestützt und damit auf eine unmögliche Leistung gerichtet. Dies zeigen schon die Umstände des Erstkontaktes. Der Beklagte wandte sich aufgrund von Beziehungsproblemen an die Klägerin und teilte per E-Mail mit, dass er ohne Erfolg schon eine Wahrsagerin und Schamanen konsultiert habe. Die Klägerin gab ihm wiederum per E-Mail zu verstehen, dass er zunächst kostenlos mit ihr reden könne, sie allerdings auch – dann gegen Entgelt – Karten legen könne, wobei sie auch heute wieder gehört habe, dass ihre Vorhersagen eintreffen. Dies suggeriert die Fähigkeit zu Wahrsagungen, ohne dass es darauf ankommt, dass die Klägerin ihre Treffsicherheit den Mitteilungen Dritter zuschreibt.

In der Folgezeit legte die Klägerin dem Beklagten in zahlreichen telefonischen Sitzungen die Karten. Dies spielte sich nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin regelmäßig so ab, dass der Beklagte ihr äußere oder innere Lebenssachverhalte mitteilte, die sie anhand der Karten einschätzte und ihm dann eine entsprechende Beratung zukommen ließ. Darüber hinaus versprach die Klägerin ausweislich vorgelegter E-Mails aber auch den Einsatz ihrer „Energie“, um bei der Partnersuche des Beklagten „nachzuhelfen“. Auch ein „Code“ bzw. ein „Ritual“ mit Kerzen sollten seine Situation beeinflussen.

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Hiervon im relevanten Zeitraum Beratungsleistungen abzugrenzen, die keinen Bezug zu den versprochenen magischen Kräften haben, ist nicht möglich. Zwar ließ sich der Beklagte zunehmend in verschiedenen Lebensbereichen beraten. Vorgelegt sind insbesondere E-Mails aus dem Jahre 2008, nach denen der Beklagte auch Briefe, Briefentwürfe und geschäftliche Belange – etwa ein Firmenlogo – bewerten ließ. Die vorgelegten E-Mails geben aber nur den Schriftverkehr wieder, der die telefonischen Sitzungen begleitete. Auf welcher Grundlage die Beratungen in den telefonischen Sitzungen erfolgten, ergibt sich daraus nicht. Insoweit hat die Klägerin selbst eingeräumt, dass der Anteil des Kartenlegens bei mindestens 85 % gelegen habe und eine genaue zeitliche Trennung nicht möglich sei, da die Themen fließend gewechselt hätten. Auch die Aufstellungen über Telefonate und die vorgelegten Rechnungen lassen die Feststellung einzelner Gespräche, bei denen bloße Lebensberatungen stattgefunden haben, nicht zu.

Hinzu kommt, dass der Beklagte die Klägerin derart häufig kontaktierte, sie regelmäßig mehrmals an einem Tag anrief, dass ein Bezug zum Kartenlegen durchgängig bestand, selbst wenn hiervon bei einzelnen Gesprächen nicht mehr die Rede gewesen sein sollte. Der Beklagte hat auf die Kräfte der Klägerin vertraut und sich hiervon Erkenntnisse und eine positive Beeinflussung seiner Lebensumstände – insbesondere seiner Beziehungen – versprochen. Damit standen sämtliche Beratungen im Zusammenhang mit den angenommenen irrationalen Fähigkeiten der Klägerin.

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Dahinstehen kann danach für das Oberlandesgericht, ob ein sittenwidriges Rechtsgeschäft vorliegt (§ 138 Abs. 1 BGB). In der Rechtsprechung werden Verträge, in denen Wahrsagerei versprochen wird, jedenfalls nicht von vornherein als sittenwidrig angesehen, weil solchen unseriösen Verträgen heute der Rechtsschutz nicht mehr zu versagen sei6. Bereits in einer älteren Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts wurde das entgeltliche Erstellen von Horoskopen nicht als sozialunwertige Betätigung angesehen und der Beruf des Astrologen dem Schutz von Art. 12 GG unterstellt7. In der Gesetzesbegründung zu § 311a BGB, der im Unterschied zu § 306 a. F. BGB auf eine unmögliche Leistung gerichtete Verträge nicht mehr als nichtig ansieht, wird allerdings ausgeführt, dass die bisher über § 306 a. F. BGB gelösten Fälle des Versprechens einer Leistung, die nur Aberglaube für möglich halten kann, die Beibehaltung dieser Vorschrift nicht rechtfertigen; sie dürften (häufig) als sittenwidrig und deshalb nach § 138 BGB als nichtig behandelt werden können8.

Dahinstehen kann im Übrigen auch, ob der Wuchertatbestand gegeben ist (§ 138 Abs. 2 BGB), nachdem die Preise der Klägerin sich deutlich von den Preisen abheben, die im Internet regelmäßig für telefonisches Wahrsagen verlangt werden (0,99 EUR/min).

Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 8. April 2010 – 7 U 191/09

  1. Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 275 Rn. 14[]
  2. LG Kassel NJW 1985, 1642; LG Kassel NJW-RR 1988, 1517; AG Grevenbroich NJW-RR 1999, 133; LG Augsburg NJW-RR 2004, 272; Palandt/Grüneberg, a.a.O.[]
  3. OLG Düsseldorf NJW 1953, 1553[]
  4. so aber LG Braunschweig NJW-RR 1986, 478 – Abschirmung gegen Erdstrahlen; Voss Anmerkung zu OLG Düsseldorf NJW 1953, 1553; Erman/Westermann, BGB, 12. Aufl., § 275, Rn. 5[]
  5. BGH NJW-RR 1987, 1178[]
  6. OLG Düsseldorf NJW 2009, 789[][]
  7. BVerwGE 22, 286[]
  8. BT-Drs. 14/6040, Seite 164[]
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