Lehman-Zertifikate – Fehlberatung der Bank und Mitverschulden des Kunden

Eine Fehlberatung liegt vor, wenn ein Prospekt über eine Anleihe ausgehändigt wird, der inhaltlich – für den Berater erkennbar – die Anleihe hinsichtlich ihrer Risiken und Sicherheiten nicht korekt, sondern irreführend beschreibt. Ein Mitverschulden des Anlegers kann gegeben sein, wie jetzt das Landgericht Tübingen entschied, wenn die versprochene Rendite der ausländischen Anleihe gegenüber der Rendite inländischer Anleihen verdoppelt ist.

Lehman-Zertifikate – Fehlberatung der Bank und Mitverschulden des Kunden

Das Landgericht Tübingen nahm eine Falschberatung des Bankberaters dadurch an, dass er dem Bankkunden einen Prospekt über die Anleihe aushändigte, der inhaltlich – für den Berater als Fachmann auch ohne weiteres erkennbar – die Anleihe hinsichtlich ihrer Risiken und Sicherheiten nicht korrekt, sondern irreführend beschrieben hat, indem eine real nicht existierende bzw. keinesfalls in ihrem Wert ausreichende Rückzahlungsgarantie vorspiegelte. Gerade das typischerweise der Anleihe anhaftende Verlustrisiko wurde letztlich als bei der konkreten Anleihe nicht vorhanden bzw. als abgesichert dargestellt. Da die Bank auch nicht beweisen konnte, über den Inhalt des Prospekts hinaus informiert zu haben oder gar die irreführenden Aussagen des Prospekts richtig gestellt zu haben, hat ihr das Landgericht Tübingen den irreführenden Inhalt des Prospekts selbst als Beratungsfehler zugerechnet.

Allerdings: Die Bankkunding hat sich, so das Landgericht Tübingen, ein Mitverschulden zuzurechnen lassen, das hinsichtlich seiner Gewichtung dem Verschulden der Beklagten entspricht:

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Der Bankkundin war die allgemeine Finanzmarktkrise bekannt. Ihr war auch bekannt, dass zu dieser Zeit eine sichere, abgesicherte inländische Anlage nur die Hälfte der streitgegenständlichen Rendite versprach. Sie war, nachdem sie sich nicht für die Überweisung des gesamten fälligen Betrags auf ihr Geldmarktkonto entschieden hatte, gewillt, für eine Verdoppelung ihrer Rendite gegenüber ihrem Geldmarktkonto ein eben auch deutlich höheres Risiko einzugehen, das sich dann schon wenige Wochen später verwirklicht hat. Schon aufgrund der fast doppelt so hohen Rendite gegenüber gesicherten inländischen Sparanlagen hätte sich ihr angesichts auch ihrer Depoterfahrung aufdrängen müssen, dass hier ein erheblich höheres Risiko vorhanden war. Es war kein anderer Grund ersichtlich, warum ansonsten eine für den Zeichnungszeitraum derart hohe Rendite versprochen werden sollte.

Letztlich hat die Bankkunding unter Zurückstellung all dieser ihr bekannter Punkte, die auf ein hohes Risiko hindeuteten, die Anlage leichtfertig getätigt. Sie wusste, dass mit ihrem Geldmarktkonto eine sichere Alternative gegeben war, allerdings nur mit einer in diesem Sicherheitsbereich deutlich niedrigeren Verzinsung. Bei dieser Sachlage hätte sie die Versprechungen des Prospekts konkret hinterfragen und um Klarstellung und weitere Aufklärung bitten müssen. Entsprechendes Handeln hat sie aber nicht bewiesen.

Landgericht Tübingen, Urteil vom 15. Dezember 2009 – 5 O 127/09